| Erfolgreiche Hallensaison

Rebekka Haase – Perfekter Sprint ist wie ein schönes Musikstück

Bei Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge) läuft es. In der Hallensaison schob sich die dreifache U23-Europameisterin auf den 60 Metern mit 7,16 Sekunden in die Top Ten der ewigen deutschen Bestenliste. Mit ihrem verbesserten Start will die 23-Jährige im Olympia-Sommer starke neue Bestzeiten über 100 und 200 Meter aufstellen. Den perfekten Sprint-Flow versucht die leidenschaftliche Querflöten-Spielerin mit der Metapher des harmonischen Musikstücks zu finden.
Pamela Ruprecht

Sprinten und Querflöte spielen haben mehr gemeinsam, als man auf Anhieb denken würde: Ein bis fünfmal pro Woche spielt Rebekka Haase ihr Instrument, an Weihnachten auch in den Reihen der Bläserphilharmonie Thum. Das musikalische Hobby ist für die 23-Jährige aber nicht nur eine gute Entspannungsmöglichkeit („Es beruhigt unglaublich“) zwischen Uni-Stress und Training, sondern dient auch als Visualisierungsmethode der verschiedenen Phasen des Sprints.  

„Mein Trainer ist darauf gekommen, dass der Sprint eigentlich wie ein schönes Musikstück ist, das aus verschiedenen Tönen besteht“, erklärt Rebekka Haase. Bei der Analyse der Technik-Abläufe seiner Athletin zieht Nachwuchs-Bundestrainer Jörg Möckel den Vergleich mit einem harmonischen Lied. Anweisungen in der Start-Phase klingen dann so: „Du hast gerade einen Ton übersprungen, fahr nochmal zurück und spiel nochmal.“ Die verschiedenen Abschnitte des Rennens sollen in der Vorstellung genauso fließend sein wie die Übergänge der Töne. Diese Metaphern helfen ihr sehr bei der Umsetzung.

Was kommt nach dem Triple?

Und sie wirken: Seit vergangenem Sommer – größter Erfolg das Triple bei den U23-Europameisterschaften in Tallinn (Estland) – hat Rebekka Haase ihre Sprint-Technik deutlich verbessert. Die Chemnitzerin kann sich stärker vom Block abdrücken und im fliegenden Bereich mit „frontside mechanic“ Tempo machen. Dabei werden die Schritte aus hohem Kniestand gesetzt, um mit den Füßen weniger anzufersen.

Die kurze, aber intensive Hallensaison habe ihr gezeigt, dass es weiter in die richtige Richtung geht. Gleich sechsmal innerhalb eines Monats blieb sie über 60 Meter unter ihrer alten Bestzeit aus 2015 (7,24 sec). Vor Beginn der Hallen-Wettkämpfe wäre sie mit einer Zeit im 7,20er-Bereich zufrieden gewesen. Und dann: dreimal 7,17 und einmal 7,16 Sekunden! Nur Tatjana Pinto (LC Paderborn; 7,07 sec) bei der Hallen-DM in Leipzig und Verena Sailer (MTG Mannheim) waren unter den DLV-Sprinterinnen seit der Jahrtausendwende schneller.

Weiter zweigleisig: 100 und 200 Meter

Eine Herausforderung auf den kurzen Sprintdistanzen ist für die Deutsche Hallenmeisterin über 200 Meter die Nähe der Athleten am Start. „Diese extreme Situation gibt es in keiner anderen Disziplin so krass“, befindet Rebekka Haase. Nicht umsonst versuchen die schnellsten Sprinter der Welt entscheidende Hundertstel schon vor Beginn des Rennens mit ihrer Show und einem coolen Auftreten zu gewinnen. Bei Themen wie diesen kann die WM-Halbfinalistin über 100 Meter von ihrem Psychologie-Studium profitieren. Die Arbeit mit ihrer Sportpsychologin wird erleichtert, "weil man auf einem ganz anderen Niveau untereinander sprechen kann.“

Obwohl Rebekka Haase die 200 Meter lieber mag („Wenn man aus der Kurve kommt, die ganze Gerade noch vor sich hat und viele Zuschauer im Stadion sind, ist das ein besonderes Gefühl“), ist sie 2014 und 2015 bei den Aktiven international über 100 Meter gestartet. Im Jahr der Olympischen Spiele will sie im Saisonverlauf entscheiden, auf welche Strecke sie bei den Höhepunkten setzt. Es soll die mit den „besseren Chancen“ werden. Weiter entwickeln will sie sich in Zukunft auch auf beiden Distanzen. „Das eine funktioniert nicht ohne das andere.“

Junge, schnelle Staffel

Die zurückgetretene, dominierende deutsche Sprinterin der vergangenen Jahre, Verena Sailer, hatte sich in ihrer Karriere auf die 100 Meter konzentriert. Die Europameisterin von 2010 genießt nun ihre Rolle als Zuschauerin und beobachtet mit Freude die Entwicklung des DLV-Sprint-Kaders: Den Leistungssprung von Rebekka Haase, den überraschend starken Auftritt von Tatjana Pinto und die zahlreichen nachrückenden jungen Athletinnen wie Gina Lückenkemper (LG Olympia Dortmund), Lisa Mayer (LG Langgöns/Oberkleen) und Chantal Butzek (LC Paderborn).

Das macht Hoffnung. „Mit Tatjana haben wir eine verdammt schnelle Staffel auf der Bahn stehen“, kündigt Rebekka Haase selbstbewusst an. „Da werden sich manche noch umschauen.“ Fest steht, dass es ein neues Team geben wird, das in dieser Konstellation noch nie gerannt ist. Und genau auf diese Herausforderung freut sich die U23-Staffel-Europameisterin. Die Generalprobe für die Olympischen Spiele in Rio (Brasilien; 12. bis 21. August) findet bei der EM in Amsterdam (Niederlande; 16. bis 20. Juli) statt.

Der Grundstein für schnelle Zeiten und gute Wechsel wird in Florida gelegt. Dort schlagen die DLV-Sprinter von April bis Mai wieder ihre Trainingslager-Zelte auf. Bereits zum dritten Mal reist Rebekka Haase mit in die USA. Jeder Aufenthalt hat sie nach vorne gebracht. „Das erhoffe ich mir auch dieses Jahr.“ Abflug ist am 31. März. Nach der Anpassung an Klima und Zeitumstellung wird das Training bei optimalen Bedingungen auf Hochtouren laufen.

Neue Bestzeiten im Doppelpack

Beim dritten Test-Wettkampf Mitte Mai sollen in den Staaten dann schon „schnelle Zeiten auf die Bahn kommen“ und die neuen Olympianormen über 100 (11,32 sec) und 200 Meter (23,20 sec) angegriffen werden. Über genaue Zeiten spricht die Sprinterin im Vorfeld ungern, lässt aber durchblicken, dass die ursprünglichen Rio-Normen „ein fest gesetztes Ziel“ waren. Die standen vor der Absenkung bei 11,20 und 22,85 Sekunden – nicht weit von ihren bisherigen persönlichen Bestmarken (11,21 und 22,95 sec) entfernt.

Rebekka Haase hat mit ihrer Form beste Aussichten auf die erste richtige Olympia-Teilnahme. In einem kleinen olympischen Finale stand sie als 17-Jährige schon einmal: 2010 bei den Jugendspielen in Singapur belegte sich Rang acht. Realistisches Ziel für Rio ist im Einzel das Halbfinale, mit einer aussichtsreichen Staffel das Finale. Und da in der Hallensaison „noch nicht alles perfekt gelaufen“ ist, kann sie mit ihrer Musikalität weiter an der maximalen Geschwindigkeit feilen.

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