Regina Vollbrecht - Auf Rekordjagd
Erst 1999 hat Regina Vollbrecht angefangen längere Strecken zu laufen. Längere Strecken hieß damals zehn Kilometer. Heute hält sie mit 3:18:15 Stunden den Weltrekord im Marathonlauf und will sich die Weltbestmarke über 5.000 Meter sichern. Es sind die Weltrekorde der Blinden.

Dass sie dann bereits im Jahr darauf einen Marathon absolvierte, war eher eine Notlösung. „Ich wollte eigentlich einen Halbmarathon laufen. Das wäre meinem Trainingszustand auch angemessen gewesen“, erzählt sie. „Aber wir haben keinen guten Lauf gefunden. Höchstens einen über Gehwege.“ Dort wäre die Stolpergefahr aber sehr groß gewesen. „Also haben wir mich für den Berlin-Marathon angemeldet und mein Mann meinte, ich solle doch einfach nur einen Halbmarathon laufen.“
„Wenn dann ganz“
Da hatte er die Rechnung allerdings ohne Regina Vollbrecht gemacht. „Ich habe mir gedacht: Wenn dann ganz.“ Gesagt getan. Sechs Wochen blieben ihr noch für die Vorbereitung. „Meistens war ich davor ja nur 10 bis 12 Kilometer gelaufen.“ In 4:40 Stunden absolvierte sie ihren ersten Marathon rein durch Willenskraft und dachte sich erst einmal: Nie mehr wieder. Treu blieb sie diesem Vorsatz allerdings nicht lange, sondern packte gar noch etwas drauf.
2001 nahm sie beim Ironman in Roth teil. Bevor es da auf die Marathonstrecke ging hatte sie bereits 3,8 Kilometer Schwimmen und 180 Kilometer Radfahren hinter sich. Im Jahr darauf nahm Regina Vollbrecht gar an beiden deutschen Ironman-Veranstaltungen in Roth und Frankfurt teil. Doch Regina Vollbrecht scheint keine Frau zu sein, die sich vor neuen Herausforderungen drückt. „Mein nächster Traum waren die Paralympics in Athen.“
Spontan nach Frankfurt
Nachdem die 5.000 Meter, eine Strecke, die ihr gelegen hätte, aus dem Paralympics-Programm gestrichen wurden und Marathon erst gar nicht darin stand, versuchte sie sich auf den 1.500 Metern, allerdings ohne Erfolg. Mit dabei war sie in Athen (Griechenland) trotzdem. Im Goalball, einer Sportart extra für Sehbehinderte, wurde sie Sechste. Dass die Saison nach den Paralympics für sie eigentlich vorbei war, stellte sie nicht richtig zufrieden. „Also habe ich mich spontan dazu entschieden, den Frankfurt-Marathon Ende Oktober zu laufen.“
Mit einer „mittelmäßigen Vorbereitung“ lief sie 3:45 Stunden. „Ich wusste gar nicht, dass es da so etwas wie einen Weltrekord gibt. Ich habe erst zwei Tage später erfahren, dass ich den unterboten hatte“, erzählt sie. Die dafür notwendige Doping-Kontrolle hatte sie allerdings nicht abgegeben. „Danach ist mein Ehrgeiz erwacht. Im nächsten Frühling bin ich in Hamburg dann 3:31 Stunden gelaufen.“ Und auch die Dopingprobe für den offiziell anerkannten Rekord fehlte damals nicht. Mittlerweile hat sie die Bestleistung in diesem Frühling in Hamburg auf 3:18:15 Stunden verbessert.
Ein Rekord, der keiner ist
Aber nicht nur über die ganz langen Strecken ist sie eine absolute Top-Läuferin. Auch über die 5.000 Meter hat sie den Weltrekord, der derzeit bei 20:04 Minuten liegt, im Visier. Eigentlich hatte sie ihn dieses Jahr bei den Deutschen Meisterschaften der Behinderten schon auf 19:56 Minuten verbessert. Das Problem: Er wurde nicht anerkannt. Da keine Frauen am Start waren, war Regina Vollbrecht im langsameren Männer-Rennen mitgelaufen, und dort immer schön vorne. Weil es aber ein gemischtes Rennen war, zählte die Bestzeit nicht. „Für das nächste Jahr werde ich sicherheitshalber einen Alleinstart anmelden“, sagt sie. Dann könnte die 30-Jährige auch nur mit ihrem Führungsläufer an den Start gehen.
Für die Zukunft hat sie viele Pläne. Der Weltrekord über 5.000 Meter soll ihr gehören und auch im Marathon will sie sich weiter verbessern. Zudem würde sie gerne ihre Ironman-Bestzeit von knapp über 13 Stunden weiter steigern. „Vielleicht lerne ich dafür auch noch kraulen.“ Ein so umfangreiches Training wie für einen Ironman ist, seitdem sie Vollzeit arbeitet, allerdings schwer zu realisieren. Immerhin muss sie stets auch einen Guide oder Tandem-Partner organisieren.
Erlebnis Nairobi-Marathon
Zuletzt war sie allerdings wieder auf der Marathon-Strecke unterwegs und zwar beim Nairobi-Marathon in Kenia. Dort ließ sie es allerdings etwas lockerer angehen als sonst. „Nairobi ist mit 1.600 Metern sehr hoch gelegen und es ist sehr warm. Es war für mich ein Trainingslauf für den Sechs-Stunden-Lauf am kommenden Wochenende in Troisdorf.“ Mit einer Zeit von 3:45 Stunden wäre sie überaus zufrieden gewesen, 3:37 Stunden standen letztlich zu Buche. Zudem schlugen ihr viele Sympathien entgegen. Nach einer Pressekonferenz wurde über sie ein Bericht im Fernsehen gesendet und viele Leute sprachen sie daraufhin an.
Auch aus anderen Gründen war es ein Lauf, der ihr sicherlich in Erinnerung bleiben wird. „Ich hatte zum ersten Mal einen Guide, mit dem ich englisch reden musste. Und selbst das hat nicht immer funktioniert“, erzählt sie schmunzelnd. Ihr Führungsläufer war früher taub gewesen und kann erst seit einer von CBM finanzierten Operation wieder auf einem Ohr hören. „Dadurch hat er aber natürlich noch Defizite“, erklärt Regina Vollbrecht. Doch es war nicht ihr einziger Weggefährte: Ein weiterer lief vor ihr und „scheuchte die Läufer zur Seite“, ein anderer, der sie kurz vor dem Lauf angesprochen hatte, lief neben ihr.
Über 10 Kilometer war dort auch der blinde Marathon-Weltekordler Henry Wanyoike aus Kenia unterwegs. Wie Regina Vollbrecht ist er oft im Namen der Christoffel-Blindenmission (CBM) unterwegs, um Blinden wieder Mut zu geben und andererseits der „sehenden Welt“ zu zeigen, zu was Blinde fähig sind. Diese Botschaft verfolgt auch Regina Vollbrecht. Allerdings nicht in erster Linie. Denn da geht es ihr um etwas anderes: den Spaß am Laufen.