Renaud Lavillenie setzt neue Impulse
Er hat 2012 alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Und dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - steht ihm der Sinn nach Veränderungen. Stabhochsprung-Olympiasieger Renaud Lavillenie hat sich von seinem langjährigen Trainer Damien Inocencio getrennt. In seiner Heimat Frankreich ist das nicht überall auf Verständnis gestoßen.
Bei den Hallen-Europameisterschaften 2009 in Turin (Italien) ist ein 1,76 Meter kleiner Stabhochspringer in die Weltspitze vorgestoßen und hat sich seitdem dort festgesetzt: Renaud Lavillenie.Auf sein erstes Hallen-EM-Gold folgte noch im selben Jahr der erste Sprung über 6,00 Meter. Bei den Weltmeisterschaften in Berlin holte er Bronze, 2010 und 2011 folgten Gold bei der Freiluft-EM, Gold bei der Hallen-EM mit 6,03 Meter sowie das nächste WM-Bronze.
2012 gelang Renaud Lavillenie dann der komplette Durchmarsch – sehr zum Leidwesen von Björn Otto (LAV Uerdingen/Dormagen), der bei allen Saison-Höhepunkten knapp das Nachsehen hatte. Der kleine Franzose flog bei der Hallen-WM in Istanbul (Türkei) über 5,95 Meter, mit Sätzen über 5,97 Meter sicherte er sich sowohl den EM-Titel als auch Olympia-Gold.
Sprungverrückt und nervenstark
Renaud Lavillenie ist im positiven Sinne sprungverrückt. In seinem Garten steht eine Stabhochsprunganlage. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Valentin geht er dort auf Höhenjagd. Eine zweimonatige Zwangspause nach einem Handbruch verkürzte er heimlich auf fünf Wochen, weil er wieder springen wollte.
Mit Damien Inocencio hat Renaud Lavillenie von 2008 bis 2012 für seinen Traum vom olympischen Gold geschuftet. Beide verband auch dieselbe Einstellung zum Training. „Wir müssen immer an die Anlage, wir brauchen Spaß“, hatte Damien Inocencio im März 2012 gegenüber der Zeitschrift „leichtathletik“ betont.
In Deutschland würden im Trainnig die komplexen Bewegungsabläufe in ihre Einzelteile zerlegt. „Das ginge bei uns nicht. Ich würde von meinen Athleten gefragt werden, warum wir nicht springen.“
Abschied auf dem Höhepunkt
Die gemeinsame Arbeit trug Früchte. Um 33 Zentimeter steigerte Renaud Lavillenie seine Hallen-Bestleistung unter Damien Inocencio, im Freien verbesserte er sich sogar um 36 Zentimeter. In London (Großbritannien) bejubelten Trainer und Schützling gemeinsam den Olympiasieg. Doch nun sucht der Stabhochspringer neue Anreize.
„Ich schlage eine neue Seite auf und wechsle den Trainer“, schrieb Renaud Lavillenie am 29. September auf seiner Homepage. „Ich muss mich neuen Herausforderungen stellen, meine bisherigen Entscheidungen und den Weg, den ich bisher gegangen bin, in Frage stellen“, erklärte er.
Überrascht und enttäuscht
Damien Inocencio traf diese Entscheidung aus heiterem Himmel. „Renaud ist aus dem Urlaub zurück gekommen und am Anfang war alles wie immer“, erinnert er sich in einem Interview mit dem Sport-Portal sports.fr. „Ein paar Tage später sagte er mir, dass wir uns mal eine Viertelstunde zusammensetzen müssen. Das hat dann etwas länger gedauert.“
Die Enttäuschung sitzt tief bei dem Erfolgstrainer. In Frankreich sei ein Coach nichts ohne seinen Athleten, erklärte er. „Ich habe vier Jahre lang dafür gelebt, dass Renaud so hoch springt wie möglich.“ Valentin Lavillenie, den er ebenfalls betreute, habe er gebeten die Trainingsgruppe zu verlassen.
Wechsel zu Philippe d’Encausse
Der Trainerwechsel von Renaud Lavillenie ist in seiner Heimat auf Verständnis, aber auch auf viel Kritik gestoßen. Von Undankbarkeit war die Rede, von einem großen Fehler, von einer egoistischen Entscheidung.
Renaud Lavillenie erklärt auf seiner Homepage: „Die Karriere eines Athleten ist kurz. Sie besteht aus Hindernissen und Risiken.“ Neue Wege zu gehen bedeute für ihn gleichzeitig, eine Form des Gleichgewichts zu finden. So wie vor vier Jahren, als er von Georges Martin zu Damien Inocencio gewechselt war.
Zukünftig wird Renaud Lavillenie in Clermont-Ferrand bei Philippe d’Encausse trainieren, was dafür spricht, dass er seinen alten Weg nicht ganz verlässt. Denn der 45-Jährige, der im Stabhochsprung an zwei Olympischen Spielen teilnahm, war einst auch Trainer von Damien Inocencio.