Richard Ringer: „Richtiger Schritt nach vorne“
Besser war noch nie ein Deutscher bei Cross-Europameisterschaften. Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen) lief am Sonntag in Belgrad (Serbien) auf einen starken siebten Platz. Im Interview spricht der 24-Jährige über ein starkes Jahr, sein Training und den Traum von einer EM-Medaille.
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem starken Abschneiden bei den Cross-Europameisterschaften in Belgrad. Als Siebter konnten Sie die bislang beste Einzelplatzierung für den Deutschen Leichtathletik-Verband erzielen. Wie fühlt sich dieses Abschneiden drei, vier Stunden nach dem Rennen an?Richard Ringer:
Es fühlt sich schon sehr gut an. Eine Cross-EM lässt sich schwer einschätzen, schließlich treffen hier Mittel- und Langstreckler auf Hindernisläufer und Marathonläufer. Du kannst dabei gut durchkommen oder aber durchgereicht werden. Vor dem Rennen habe ich noch gedacht, dass Rang 20 schon gut wäre. Aber letztlich ist die bislang beste Platzierung für den DLV überhaupt herausgekommen. Ich kann es derzeit noch nicht richtig einschätzen, was dieses für mich bedeutet. Schließlich lief die Vorbereitung keineswegs optimal. Aber auch der fünfte Platz des Teams ist richtig gut.
Bronze für die U 20-Juniorinnen, etwas enttäuschende Resultate im U 23-Bereich. Lag letztlich nicht ein gewisser Druck auf Ihnen und dem deutschen Männerteam vor dem abschließenden Wettbewerb?
Richard Ringer:
Nein, ich denke nicht. Ich bin früher viel unter Druck gelaufen. In Albufeira habe ich 2010 als 31. bei den U 23-Junioren reichlich Erfahrungen machen müssen, weil ich dort zu hohe Erwartungen hatte. Heute kann ich mich realistischer einschätzen und damit auch besser laufen. Für mich war Tilburg schon wichtig, um zu schauen, wo ich stehe (Anm. d. Red: In Tilburg wurde Ringer Siebter). Wenn du vorne läufst und das Rennen kontrollieren kannst, ist es oftmals nicht mehr als ein besseres Training. In Tilburg hat es schon irgendwann richtig weh getan. Wo lernst du denn sonst richtig zu beißen? Deshalb war es wichtig, ein derartiges Rennen vor der EM gemacht zu haben.
Wann wurden Sie heute richtig gefordert, mussten richtig kämpfen und diese Tugenden einsetzen?
Richard Ringer:
Ich habe heute irgendwie die zweite Luft bekommen und konnte richtig marschieren. Auch wenn noch zwei, drei Runden zu laufen waren. Ich habe zwar immer gewartet, dass Steffen Uliczka oder Philipp Pflieger kommen würden, aber sie kamen nicht an mir vorbei. Gut getan hat mir allerdings auch der Blick nach vorne, denn selbst ein Alemayehu Bezabeh oder Polat Kemboi Arikan waren noch in meinem Blickfeld.
Dürfen wir Sie nach diesem Erfolg in einem erlesenen Feld jetzt als Cross-Spezialisten bezeichnen?
Richard Ringer:
Ich bin kein Crossläufer! Natürlich willst du dich immer gut präsentieren, deshalb schaust du schon auf den Platz im Rennen. Die Bahn hat für mich Priorität Nummer eins, die Straße liegt mir weniger. Vom Cross gar nicht zu sprechen.
Sie sprechen gerade die Bahn an. Lässt dieser Erfolg nun schon eine Ableitung auf die EM 2014 in Zürich zu?
Richard Ringer:
Ich bin heute im Top-Acht-Bereich in Europa - und das mit einem zeitweise alternativen Training. Damit hat heute niemand gerechnet. Warum soll ich nicht auch eine Medaille über 5.000 Meter holen können? Ich bin ein Meisterschaftsläufer. Deshalb ist nichts unerreichbar. Warum also nicht? Natürlich bin ich mit 24 noch ein Jungspund. Wenn man sich entsprechend orientiert, dann kannst du damit schon einige ärgern. Auch einen Arne Gabius.
Ihre 5.000-Meter-Bestzeit steht derzeit bei 13:27,29 Minuten. Sie sind 5.000-Meter-Dritter der Studenten-Weltmeisterschaften in Kazan, bei der Cross-EM nun Siebter. Wohin kann für Sie die Reise hingehen?
Richard Ringer:
2013 war mein bislang bestes Jahr, ich bin praktisch in jedem Rennen Bestzeit gelaufen. Deshalb kann ich sagen: Ich habe einen richtigen Schritt nach vorne gemacht. Auch trainingsmäßig. Ich gehe davon aus, dass man künftig für Weltmeisterschaften und Olympische Spiele eine Qualifikationszeit von 13:15 laufen muss. Darauf werde ich hinarbeiten. Das Potential dazu habe ich. Natürlich musst du auch die Chance haben, in bessere Rennen hineinzukommen.
Ein Spagat zwischen Beruf und Leistungssport auf hohem Niveau ist schwer. Wie stellt sich für Sie nach Abschluss Ihres Studiums die berufliche Situation dar?
Richard Ringer:
Seit Januar bin ich beim Maschinenbauer Tognum mit einer 60 Prozent-Stelle beschäftigt, meine Standardarbeitszeit liegt zwischen 13.00 und 17.00 Uhr. In einer 'hohen' Woche kann ich also zweimal am Tag trainieren. Das ist für mich ideal, denn damit bist du sowohl bei der Arbeit als auch im Training konzentriert und fokussiert. Meine Arbeitskollegen fiebern mit, wenn ich wichtige Rennen habe. Projektbezogen kommt es natürlich auch vor, dass ich schon einmal 30, 35 Stunden in der Woche arbeite, das kann ich dann gut für Trainingslager oder Wettkämpfe wie hier nach Belgrad etc. einsetzen.
Wie sieht Ihr Lieblingsrennen über 5.000 Meter aus?
Richard Ringer:
Ich schätze es, wenn es, wie heute schnell los geht, dann ein eher ruhiger Mittelteil folgt und dann am Ende richtig schnell wird. In Kazan bin ich die Schlussrunde in 57 Sekunden gelaufen, ich werde aber daran arbeiten, dass es auch einmal eine 55er Zeit wird. Eigentlich bin ich ein Frontläufer, da fühle ich mich am wohlsten. Aber mein Wunsch ist natürlich, in einem schnellen Rennen meine Bestzeiten richtig zu steigern. Und dazu brauchst du einfach das passende Rennen.
Wie sehen Ihre Schwerpunkte im Training aus? Offensichtlich ist aufgrund Ihrer beruflichen Situation ein mehrwöchiges Trainingslager, möglicherweise in der Höhe, nicht machbar?
Richard Ringer:
Ich tue mich natürlich im Trainingslager leichter. Mit meinem Trainer Eckhardt Sperlich bin ich übereingekommen, dass wir zunächst im Flachen bleiben. Wir fahren nach Zinnowitz an die Ostsee oder nach Monte Gordo in Portugal. Die Schwerpunkte im Training sind natürlich jahreszeitlich bedingt, im Schnitt aber 135 Kilometer pro Woche. Über das Jahr kommen somit rund 6.000 Kilometer zusammen. Wegen einer Sehnenentzündung habe ich mit Alternativtraining im Wasser begonnen und mich sogar einem Schwimmverein angeschlossen. Als Trainingsmittel halte ich dieses durchaus für geeignet, vor allem wenn du die Technik der Stilarten beherrschst. Zuletzt bin ich drei- bis viermal in der Woche geschwommen, künftig eher zweimal. Das bringt mir eine gewisse Lockerheit. Rad ist nicht so mein Ding, Aquajogging auch nicht.
Ihrer Schilderung entsprechend dürfte es schwer fallen, Trainingspartner für die langen oder schnellen Einheiten zu finden.
Richard Ringer:
Das stimmt nicht. Mit Martin Sperlich kann ich vieles zusammen machen. Bei langen Läufen ist er mit Teilstrecken dabei, bei Intervallen bin ich stärker gefordert, denn immerhin hat er eine 3:38 über 1.500 Meter vorzuweisen. Es ist Sache meines Trainers, dieses optimal abzustimmen. Schließlich muss ich auch an meinem Endspurt üben.