Robert Harting braucht den Olympiasieg
Robert Harting sieht sich als Diskus-"Ritter", doch seine Rüstung hat zuletzt viele Risse gekriegt. Der 27-Jährige plagte sich mit Verletzungssorgen, Verfolgungswahn und privaten Probleme. "Um nicht zu zerbrechen" strebt Robert Harting in London (Großbritannien) sein erstes Olympiagold an.
"Ich brauche den Olympiasieg, um die negativen Sachen aus meinem Leben zu spülen. Kurzzeitig. Ich brauche ihn, um nicht völlig die Hoffnung zu verlieren", sagte der Berliner dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Es habe Zeiten gegeben, "da bin ich durch den Park gelaufen und habe gedacht, alle Leute wollen auf mich schießen".Der Doppel-Weltmeister gab ungewöhnlich tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt und verriet, dass er manchmal "keinen Bock mehr auf die ganze Scheiße" habe. "Ich muss die ganze Missgunst, den Schmerz und die Niedergeschlagenheit bündeln und in Wettkampfenergie umwandeln", sagte der Goldfavorit und Weltjahresbeste (70,66m) neun Tage vor dem Diskus-Finale in London.
Die anhaltenden Schmerzen in seinem operierten Knie, die Trennung von seiner langjährigen Freundin und immer wieder Stress mit Funktionären hätten bei ihm Spuren hinterlassen, sagte Robert Harting. "Ich bin zu ehrlich. Mit Ehrlichkeit kommt man nicht weit", sagte der 2,01-Meter-Hüne, dabei strebe er nach Zufriedenheit: "Das Glücklichsein fehlt noch in meinem Leben."
Der Tunnelblick
So wie der Olympiasieg. Für dieses Ziel quält sich Robert Harting gerade in Kienbaum bei Berlin im Training. Dem Abend des 7. August gilt seine volle Konzentration. "Shaggy", wie ihn sein Trainer Werner Goldmann nennt, wird erst so spät wie möglich nach London reisen. Er will dem Trubel aus dem Weg gehen. "Im Mittelalter, wenn der Ritter loszog mit Rüstung, da wollte er ja auch nicht, dass die Frau auf dem Schlachtfeld erscheint und sagt, ich hab' Probleme mit den Kindern", sagte Robert Harting, "der hat den Tunnelblick, der Ritter. So wie ich."
Robert Hartings Fokussierung grenzt fast schon an Besessenheit. Zuletzt hatte ihm der Trainer einen Tag frei gegeben, um zu entspannen und andere Eindrücke zu bekommen. Doch Robert Harting, Fan der angesagten Newcomerband Kraftklub, schüttelte nur mit dem Kopf. "Ich hab' eine Aversion gegen den Alltag entwickelt", sagte der Mann, der sich im Juni schon den Europameistertitel gesichert hatte, "ich will nur noch ins Training. Hier im Lager ist der Sinn."
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)