| Interview der Woche

Robert Harting: „Chance auf WM-Titel gering, aber noch da"

Während sich das TopTeam des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) im Trainingslager in Südafrika auf das Jahr 2015 vorbereitet hat, arbeitet Diskus-Olympiasieger Robert Harting (SCC Berlin) in Donaustauf in Bayern daran, seinen Kreuzbandriss zu überwinden. Im Interview spricht der dreimalige Weltmeister über den Heilungsprozess, seine Chancen, schon bei der WM in Peking (China) wieder ganz oben zu stehen, und über seine Argumente für Olympische Spiele in Deutschland.
Jan-Henner Reitze

Robert Harting, das TopTeam des DLV hat gerade ein Trainingslager in Südafrika absolviert. Sind Sie traurig, dass Sie wegen ihrer Verletzung nicht mitfliegen konnten?

Robert Harting:

Ich hätte mich gefreut, wenn ich dabei gewesen wäre. Auch um mir den Standort für mögliche weitere Trainingslager anzusehen. Aber die Reha geht vor. Insgesamt finde ich das Trainingslager eine gute Maßnahme. Ein Wärmetrainingslager macht immer Sinn. Ein Termin im Januar hätte das Augenmerk allerdings noch mehr auf die Freiluftsaison gelegt.

Wie sportlich können Sie im Moment sein?

Robert Harting:

In der Reha sehe ich endlich auch mal wieder einen Kraftraum. Ich bin hier kaserniert, dieser Zustand tut mir gut. Da kann ich leistungsstark sein. Aber die Verletzung hat eigene Regeln. Nach der Kreuzband-OP fühle ich mich Woche für Woche besser und denke: Jawohl, es kann wieder losgehen. Da liegt aber die Paradoxie der Verletzung. Genau in diesem Zeitraum ist die Gefahr groß, dass das Band wieder reißt. Sehnenähnliches Gewebe muss im Moment zu einem Band werden. Das fängt etwa ab Woche sechs nach der OP an und geht bis Woche 13. In diesem Zeitraum darf man im Training nicht proportional zur Heilung steigern.

Wie gehen Sie mit diesem Zustand um?

Robert Harting:

Ich bin ein Mensch, der Bedrohungen als Herausforderung annimmt. So ist das auch bei dieser Verletzung.

Müssen Sie das Knie hauptsächlich ruhig halten?

Robert Harting:

Bewegungsvermeidung ist ein absolutes Fremdwort. Vor 20 Jahren hätte ich nach so einer Verletzung vielleicht eine Gipsschiene tragen müssen. Mittlerweile hat sich die Medizin weiterentwickelt. Ich bewege und belaste mich viel, natürlich im Rahmen der Möglichkeiten. Ich bin seit Anfang Dezember hier in Donaustauf, der Aufenthalt endet einen Tag vor Weihnachten. Ich bin den ganzen Tag in therapeutischen Maßnahmen, dazu gehören auch zwei Stunden Training.

Können Sie zum Beispiel im Kraftraum den Oberkörper ganz normal trainieren?

Robert Harting:

Nein, alles ist im Rahmen der Reha. Wenn ich den Oberkörper normal trainieren würde, kämen Ungleichgewichte dabei raus. Das ist kontraproduktiv fürs Diskuswerfen. Die Disziplin ist ein Schnitt der anderen Wurfdisziplinen: Wie beim Kugelstoßen kommt es auf Kraft an, wie beim Speerwerfen auf Athletik und Schnelligkeit. Je stärker ich werde, desto unbeweglicher werde ich. Wenn ich beweglicher werde, heißt das nicht, dass ich auch Energie aufs Gerät bringe. Alles muss verbunden werden und im Gleichklang funktionieren.

Wie sieht der Weg zur Rückkehr aus? Können Sie schon Prognosen wagen, wann Sie wieder werfen können?

Robert Harting:

Drei Monate werden veranschlagt, bis ich wieder ins Training einsteigen kann. Das wäre Ende Januar. Dann muss man sehen, was das Knie zulässt, und sich Stück für Stück zurückarbeiten. Sich einen genauen zeitlichen Horizont zu setzen, bringt dabei nichts. Das habe ich aus meinen zurückliegenden Knie-OPs gelernt.  

Wer wird 2015 Weltmeister im Diskuswerfen der Männer?

Robert Harting:

Da ist ganz schwer zu sagen. Momentan haben auch die anderen Probleme: Piotr Malachowski, Martin Wierig. Ganz stark auf der Rechnung habe ich den Russen Victor Butenko, der von Jahr zu Jahr 20 Kilo schwerer wird. Für mich ist die Chance auf einen WM-Titel schwindend gering, wenngleich sie noch da ist. Fünf, sechs Mann in der Spitze werden sich darum streiten.

In den Medien wird gerade groß über die ARD-Dokumentation zu systematischem Doping in Russland diskutiert. Haben Sie die Enthüllungen überrascht?

Robert Harting:

Überrascht hat mich das nicht. Ich kenne mein Geschäft. Es stellt sich die Frage ob nicht alle zurücktreten sollten, die nicht akzeptieren können, dass Sport heute anders betrieben werden kann - ohne Chemie.

Neben dem Sport haben Sie gerade in der vergangenen Saison viele weitere Baustellen gehabt: Zum Bespiel die Sportlotterie und den Studienabschluss. Wie ist hier der Stand?

Robert Harting:

Das Studium ist durch. Meine Gesamtnote im Bachelor ist 1,9. Darauf bin ich stolz, und mir fällt es schwer, stolz auf mich zu sein. Bei der Sportlotterie stehen vor dem Start noch einige Termine an, um mehr in die Öffentlichkeit zu treten. Dann werden wir sehen, wie es anläuft. Erst wenn wir Geld verdient haben, können wir über Förderung reden und Geld verteilen. Die Förderung finanziert sich über die Teilnahme. Alle die gern möchten, dass sich etwas ändert, dürfen gerne mitmachen. Ich werde eher im Hintergrund weiter mitarbeiten. Anderseits habe ich auch schon Ideen für neue Projekte. Die sind eher privater Natur.

Im Moment bringen sich Berlin und Hamburg für eine Olympiabewerbung in Position. Wird das Ziel, Olympia wieder nach Deutschland zu holen, mit zwei möglichen Kandidaten optimal verfolgt?

Robert Harting:

Dass sich zwei Städte bewerben, finde ich grundsätzlich nicht schlecht. Ich halte eine Entscheidung für Berlin für logisch. Die Dimension von Olympischen Spielen gehört zu einer Hauptstadt. Ich bin gespannt, wie der DOSB entscheidet. Es ist noch Zeit. Die Bürger müssen überzeugt werden. Da müssen beide Städte noch nachlegen.

Mit welchen Argumenten könnte das gelingen?

Robert Harting:

Die ausrichtenden Städte haben durch Olympia Milliarden-Gewinn. Das ganze Land profitiert im Tourismus. Die Bürger können sich überlegen, ob neue Straßen und Infrastruktur durch Steuern bezahlt werden sollen, oder ob man sich das von Gästen finanzieren lässt.

Die Premiere des ISTAF Indoor haben Sie als Zugpferd mit zu einem Erfolg gemacht. Mit welchen Ideen außerhalb des Rings wollen Sie dazu beitragen, dass die zweite Ausgabe wieder so gut ankommt?

Robert Harting:

Ich bin als "Experte" bei der Moderation begleitend dabei. Ich werde den ein oder anderen Grund nennen können, warum ein Gerät nicht fliegt. Ideen, um dem Publikum die Leistung der Athleten näher zu bringen, habe ich einige. Es scheitert aber an den Möglichkeiten der Umsetzung. Ich wollte berechnen lassen, wie viel PS ein Athlet aufbringt. Dafür gibt es aber noch kein Gerät. Die Messung ist zu kompliziert, um sie live durchzuführen. Das wird das Event insgesamt aber nicht schlechter machen. Ich finde es schade, dass ich nicht dabei sein kann. Im vergangenen Jahr habe ich noch bis zur letzten Minute bei der Organisation mitgeholfen, deshalb war ich platt - natürlich auch wegen meiner Kraftspitze im Training zu diesem Zeitpunkt des Jahres. Ich hätte meine Platzierung in diesem Jahr gerne korrigiert. Aber das geht nicht - zumindest nicht bei der kommenden Ausgabe des ISTAF Indoor.

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