Robert Harting fordert mehr Typen im Ring
Das Jahr 2010 hat Diskus-Weltmeister Robert Harting (SCC Berlin) abgehakt. Auch wenn er immer noch ein wenig mit seiner Silbermedaille bei den Europameisterschaften in Barcelona (Spanien) hadert, war es insgesamt ein sehr gutes Jahr für ihn.
Die Erfolge sprechen dabei eine deutliche Sprache: Bestleistung mit 69,69 Metern beim Sportfest in Neubrandenburg aufgestellt, Sieg bei der Team-EM in Bergen (Norwegen) mit 66,80 Metern gegen seinen polnischen Dauer-Kontrahenten Piotr Malachowski, Titel bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig und bei der EM auf Platz zwei gelandet.Hinzu kamen 30.000 US-Dollar für den Triumph beim Continental Cup in Split (Kroatien). Im Anschluss daran hat er sich im September wegen seinen Krampfadern erfolgreich in Berlin operieren lassen.
"Gemütlichkeit ist bei Werfern fehl am Platz"
"Eigentlich bin ich zufrieden. Wir haben 2010 alles erreicht, was wir in Bezug auf Stabilität und Sicherheit erreichen wollten. Für die EM hatten wir eine so gute Form aufgebaut, dass kaum Zweifel vorhanden waren, dass ich weit werfen würde. Aber genau diese Zweifel haben die innere Unruhe in mir gebracht, den Killerinstinkt aufgehoben und mich gemütlich gemacht. Ich brauche aber nicht zu erklären, dass Gemütlichkeit bei uns Werfern fehl am Platz ist", lautet das Fazit von Robert Harting.
Ausgerechnet bei seinen sechs Würfen in Barcelona musste er seine Technik umstellen. Auch wenn alle die gleiche Situation hatten, seien für ihn die Bedingungen im Ring leistungsminimierend gewesen. "Ich habe meinen Drehbeginn leicht abgeändert und somit vielleicht zehn Zentimeter in der Beschleunigung verloren. Es ist schon ein wenig ärgerlich, dass solche Feinheiten einen riesigen Unterschied von eineinhalb Metern hervorrufen", trauerte er der verpassten Goldchance auch fünf Monate nach der EM noch nach.
Mission Titelverteidigung steht auf dem Plan
Doch bei Robert Harting weiß man: Es sind die ungeraden Jahre, die ihn jubeln lassen. So wurde er bei der WM 2007 in Osaka (Japan) Vize-Weltmeister und bei der Heim-WM in Berlin 2009 holte er sich den begehrten Titel. Für 2011 lautet daher sein Ziel: Mission Titelverteidigung bei der WM in Daegu (Südkorea).
Die Planungen für die WM-Saison übernimmt wie seit Jahren sein Trainer Werner Goldmann. "Er hat ausgezeichnete Erfahrungen und immer eine logische Lösung im Aufbau. Auch wenn ich als einziger Weltmeister im deutschen Team nach Daegu fahre, freue mich jedenfalls auf 2011 und bin motiviert", sagte Robert Harting. "Ich hoffe nur nicht, dass die Unruhen zwischen Nord- und Südkorea noch eskalieren und es Konsequenzen für die Athleten und die WM gibt, denn ich möchte meinen Titel unbedingt verteidigen."
Gegen "Lohn-Dumping"
So richtig beginnen dürfte die Saison für den Diskus-Weltmeister, der sich in Berlin aufgrund der Trainingsbedingungen pudelwohl fühlt, im Mai mit einem Start in Wiesbaden und eine Woche später bei den Werfertagen in Halle. Dabei weiß der Berliner aber auch um seinen Marktwert. „Lohn-Dumping“, wie er es nennt, will er im Zuge der traditionellen Saisonplanung nicht unterstützen: „Die Wettkampfveranstalter wissen um die Gunst, die sie von den Trainern erhalten. Bei mir gibt es keine Solidarität zu diesen Machenschaften.“
Geplant sind ferner zwei Klimatrainingslager in Zypern und in Portugal. Auch dazu merkt Robert Harting kritisch an: "In Albufeira gab es immer zahlreiche Buchungen deutscher Athleten. Wir hatten einen guten Stand bei der Hotelleitung. Diese Buchungen sind jedoch deutlich zurückgegangen, sodass es immer schwerer wird. Dort wird uns eindeutig von Russland und Teams aus anderen Ländern der Rang abgelaufen." Doch vor der Konkurrenz hat er keine Angst, denn für ihn gilt: "Egal wer und vor allem egal woher: ich will sie alle besiegen."
"Wir müssen uns nicht verstecken"
Was die Nachwuchssituation im Diskusbereich betrifft, ist Robert Harting optimistisch. "Wir brauchen uns nicht verstecken, schon gar nicht die Familie Harting." Mit dem Potsdamer Gordon Wolf, Hartings fünf Jahre jüngerem Bruder Christoph, der 2011 sein Abitur absolviert, und dem Nürtinger Michael Salzer stehen hoffnungsvolle Talente in den Startlöchern. Und Robert Harting wäre nicht Robert Harting, wenn er neben dem unbedingten Leistungswillen nicht dazu beitragen wollte, dass sich wieder richtige Typen entwickeln. "Die Diskusszene braucht Typen, die mal etwas sagen und keine Weichspüler."
Dankbar ist "Shaggy", wie ihn seine Freunde nennen, seinem Arbeitgeber, der Bundeswehr, denn er kann trotz Leistungssport sein Teilzeitstudium der Wirtschaftskommunikation absolvieren. "Letztes Jahr hatte ich soviel für das Studium gelernt, dass ich jetzt weniger zu tun habe. Das Problem dabei: Mir fehlt nun der Flow und da ist es mühsam sich immer wieder reinzuarbeiten ohne wirklich drinzubleiben."
Spätestens wenn die Saison beginnt, rückt das Studium wieder mehr in den Hintergrund und auf dem Weg zur Mission Titelverteidigung dominiert auch 2011 der Diskus sein Leben.