Robert Harting gibt Startschuss ins Olympiajahr
Robert Harting ist anders. Der Mainstream war noch nie das Ding des zweimaligen Diskus-Weltmeisters. So musste auch beim Start der Sixdays in "seinem" Berlin etwas Besonderes her. Mit einer selbstentworfenen, dreiläufigen Pistole eröffnete der 27 Jahre alte Sportsoldat die 101. Auflage des Bahnrad-Spektakels, und gab damit nicht nur den Startschuss für den sportlichen Wettkampf.

"Es war echt kritisch. Ich hatte Glück, dass ich ehrlich zu mir selbst war", sagte Robert Harting dem Sport-Informations-Dienst (SID). "Jetzt geht es mir wieder besser und ich habe den Weg gefunden." Vor sechs Wochen hatte Robert Harting öffentlich Einblick in sein Seelenleben gewährt. Er habe kurz vor dem Burnout gestanden, sei nicht mehr er selbst gewesen, habe nur noch funktioniert. "Mir wurde alles zu viel. Ich sah keinen Ausweg mehr", sagte er.
Ausgerechnet Robert Harting, dachten viele. Die Fans, die über die Medien nur den starken, den provozierenden und polarisierenden 2,01-Meter-Hünen kennen. Den Athleten eben, als der sich der 27-jährige über Jahre öffentlich vermarktet hat. "Man vergisst am Fernseher aber, dass da auch Menschenfleisch dahinter steckt", sagt der Berliner, der die Probleme schon lange vor seiner goldenen WM in Daegu (Südkorea) hatte.
Stellung bezogen
Mit der Trennung von seiner langjährigen Freundin Kay sei schließlich alles zusammengefallen - und im Dezember der Schritt an die Öffentlichkeit unausweichlich gewesen. "Da musste ich Stellung nehmen, um Unstimmigkeiten aus dem Weg zu räumen", sagt Robert Harting. Seine psychische Erschöpfung konnte und wollte der Kämpfer nicht mehr für sich behalten. "Klar, es war ein komisches Gefühl, das zuzugeben. Aber ich dachte, was bringt es dir, irgendein Image zu kaschieren, das eigentlich gar nicht mehr stimmt."
Der Weltmeister von 2009 und 2011 suchte psychologische Hilfe und fand darin den erhofften Erfolg. "Oft ist es nur eine kleine Richtungsänderung, die ziemlich viel bewegen kann", sagt er. Als Konsequenz daraus, so Robert Harting, habe er seine Charakterart etwas verändert. Auch den Umfang mit Alltagsdingen. Büroarbeiten erledigt er nur noch alle drei Tage. Die Zahl öffentlicher Auftritte, wie den beim Sechs-Tage-Rennen, hat er reduziert. "Ich kann in zwei Wochen nicht mehr fünf Interviews für denselben Verlag geben. Ich muss auch nicht mehr denken, dass mich ein Interview im Markt hält. Die Leute wissen inzwischen was Diskuswerfen ist, und darauf bin ich stolz."
Leistungsfördernder Genuss
Den schweren Monaten, die auch von der Operation an seiner entzündeten Patellasehne im linken Knie begleitet wurden, gewinnt Robert Harting im Nachhinein Positives ab. "Ich werde wahrscheinlich im Sommer verstehen, dass es zur richtigen Zeit kam. Ich habe gelernt, wieder Sachen zu genießen. Das ist wirklich leistungsfördernd."
Ein deutliches Signal an seine Konkurrenz, die am 7. August im Londoner Olympiastadion wieder den Kürzeren ziehen soll. Dann will Robert Harting wieder ganz der Alte sein.
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)