Robert Harting: "Ich bin erlöst"
Bei der Team-EM in Gateshead reichten Diskus-Olympiasieger Robert Harting (SCC Berlin) 64,25 Meter, um seine Rivalen auszustechen. Auch Piotr Malachowski, der vor zwei Wochen in Hengelo Hartings Serie von 35 Wettkämpfen ohne Niederlage beendet hatte, war mit 59,68 Metern chancenlos. Im Interview erklärt Robert Harting, warum das Ende der Siegesserie für ihn eine Erlösung ist und wie er bei der WM in Moskau wieder weiter als 70 Meter werfen will.

Robert Harting:
Die eigene Leistung ist bei der Team-EM nicht so wichtig. So gesehen habe ich das Mögliche getan. Bei der Team-EM laufen ganz andere Gedankenprozesse ab als bei anderen Wettkämpfen. Du musst einfach für das Team vorne sein. Es ist sehr wichtig, was wir hier tun. Um die deutsche Leichtathletik in der Öffentlichkeit zu positionieren, müssen wir einfach vorne dabei sein. Für mich persönlich war die Team-EM ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zur WM, wo ich meinen Titel verteidigen will. Und für das Team ist sie eine gute Möglichkeit, Zusammenhalt zu zeigen und sich den Kick für die Weltmeisterschaften zu holen.
Die nächste Team-EM wird in Braunschweig ein Heimspiel für Sie …
Robert Harting:
… ja, das ist ein gutes Stadion und ich freue mich darauf, dort ein Fest mit den Fans zu feiern.
Ist es eine Bürde für Sie, als Weltmeister und Olympiasieger der Favorit zu sein, wo immer Sie antreten?
Robert Harting:
Bürde? Nein, wie kommen Sie denn darauf? Ich trage keinen Rucksack mit der Last des Favoriten auf dem Rücken, sondern Raketen, die mir Schub geben. Es ist doch fantastisch, wenn es bei der Vorstellung der Athleten im Stadion bei dir am längsten dauert, bis der Sprecher alle Titel aufgezählt hat.
Vor zwei Wochen ist Ihre Siegesserie nach 35 Triumphen gerissen, als Sie in Hengelo dem Polen Piotr Malachowski unterlagen. Schlimm?
Robert Harting:
Nein, ich bin erlöst.
Weil der Druck weg ist, immer gewinnen zu müssen?
Robert Harting:
Weil ich endlich wieder an meiner Technik arbeiten kann. Solange ich immer gewonnen habe, bestand ja keine Notwendigkeit, Veränderungen vor zu nehmen. Never change a winning team. Das war mein Motto. Damit habe ich gewonnen, aber die 70 Meter waren so nicht mehr zu schaffen. Deshalb arbeite ich jetzt daran, mit einem etwas anderen Rhythmus zu werfen. In Moskau will ich wieder 70 Meter schaffen. Der WM-Rekord, den Virgilijus Alekna vor acht Jahren in Helsinki mit 70,17 Metern aufgestellt hat, könnte wackeln.
In Gateshead waren Sie zum ersten Mal der Kapitän der deutschen Mannschaft. Obwohl Sie in der Vergangenheit oft genug den Verband kritisiert haben …
Robert Harting:
Ich bin ja nicht von den Leuten zum Kapitän berufen worden, die ich damals kritisiert habe. Dass ich das Amt übernommen habe, bedeutet ja auch nicht, dass ich künftig keine Kritik mehr üben werde. Aber ich muss ja nicht in die Bäume beißen, wenn kein Fleisch dran ist. Als Kapitän habe ich die Aufgabe, zwischen Teamleitung und Athleten zu vermitteln, wenn Probleme auftauchen sollten.