| Leichtathlet des Jahres

Robert Harting: „Ohne Risiko prickelt es nicht“

Er hat alles gewonnen, was es in seinem Sport zu gewinnen gibt. Nicht nur deshalb ist Robert Harting für viele das Gesicht der deutschen Leichtathletik. Zum dritten Mal nach 2009 und 2012 haben ihn die deutschen Leichtathletik-Fans nun auch zum „Leichtathleten des Jahres“ gewählt. Im Interview spricht der Diskuswerfer mit dem ungebrochenen Drang für offene Worte über ein goldiges Jahr trotz Kreuzbandriss, über seinen Wunsch nach mehr Transparenz in den großen Verbänden und warum er ein gewisses Risiko im Sport braucht.
Alexandra Neuhaus

Herzlichen Glückwunsch, Robert Harting! Sie sind Deutschland „Leichtathlet des Jahres“. Anders als bei der Wahl zum „Sportler des Jahres“ gibt es hier aber keinen Grund sich zu entschuldigen, oder?

Robert Harting:

Unter den Sportlern gilt der Code, dass nichts höher zu bewerten ist, als ein Olympiasieg. Damit meine ich vorallem den psychischen Unterschied der Titelkämpfe. Dem wollte ich mit meiner Äußerung beiwohnen.

Wie viel wiegt Ihre dritte Auszeichnung zum „Leichtathlet des Jahres“ im Berg der ganzen anderen Auszeichnungen und Medaillen, die Sie bereits erhalten haben?

Robert Harting:

Ich find‘s cool. Es gibt ja Leute, die sich für mich entschieden haben, dafür danke ich ihnen. In meinem Schrank stehen somit Unterstützer-Stimmen und keine Trophäen.

Sie sind ein Mann, der auch, oder vielleicht gar vor allem abseits des Diskusrings polarisiert. Um nur einige Stichworte zu nennen: Sportlotterie, Anti-Doping-Kampf und nun gar eine Haartransplantation. Als was kennt die Öffentlichkeit Sie? Als Diskuswerfer? Als Anpacker und Mahner? Oder einfach als den Harting, die Symbiose beider Elemente?  

Robert Harting:

Ich denke als Harting in Symbiose. Menschen haben das Lügen satt, ich auch. Deswegen erzähle ich, was ich denke und versuche, während meiner Karriere Sachen zu verändern.

Gibt es Phasen, in denen es auch einem Harting zu viel wird? Zu viel Arbeit? Zu viel Öffentlichkeit?

Robert Harting:

Ja, ich habe aus meiner Vergangenheit gelernt. Ich kann nicht alles tun. So müssen viele tolle Sachen auf der Strecke bleiben. Ich habe außerdem die ehrenvolle Aufgabe, meine Partner zufrieden zu stellen, das kann ich nicht aus der Psychiatrie. Meine Umwelt, meine Freundin und mein Bauchgefühl halten mich in Balance.

Aktuell haben Sie nach Ihrer Stellungnahme zur Doping-Situation in der Leichtathletik, die in der FAZ erschienen ist, den Status-Quo angeprangert und Reformen gefordert. Welche Reaktionen hätten Sie sich nach Ihrem Schritt in die Öffentlichkeit gewünscht?

Robert Harting:

Ich rechne prinzipiell mit gar nichts, wo ist denn sonst die Spannung? Meine Haltung zur Wahl des Welt-Leichtathleten hat Spuren hinterlassen und die Kriterien wurden geändert, so sagt man. Wir sollten keine Doping vorbelasteten Sportler mehr als Kandidaten dort sehen können. Was sich allerdings aus den jüngsten Vorschlägen ableiten und ändern wird, weiß ich nicht. Tatsächlich ist das ein schwerer Diskurs, sehr technisch und für viele Menschen nicht zu durchschauen.  Die großen Verbände sind weit entfernt davon, das zu liefern, was die Menschen, die Sport schauen und leben, verdienen: Transparenz.

Bei aller lobenswerter Offenheit: Gibt es Äußerungen, die Sie im Nachhinein lieber nicht getätigt hätten? Etwa aus Angst vor möglichen Konsequenzen, die Sie sich durch kritische Bemerkungen einhandeln könnten?

Robert Harting:

Sieht man mich aus der strategischen Markenperspektive, gibt es ein Pro und ein Kontra. Pro, ich weiche von Normalität ab, ich bin nicht neutral. Kontra: Abweichungen entsprechen nicht der Normalität, somit ist es schwer einen wirtschaftlichen Mehrwert oder eine Existenz draus zu gestalten. Insofern sind meine Aussagen vorrangig wirtschaftlich schädigend. Dank der Unterstützung vieler Menschen jedoch gelang es, dass man auf die Inhalte schaute und somit eine zweite Ebene der Positionierung erreichte. Diese inhaltdominierende Eigenschaft sozialisiert mich wiederum. Dadurch ist es mir möglich, Partner zu mobilisieren – denen ich nicht nur meinen sozialen Status, sondern auch meine Karriere verdanke.

Lassen Sie uns zum Sportlichen kommen. In diesem Jahr haben Sie Ihren EM-Titel im Diskuswurf verteidigt, haben als Kapitän die deutsche Mannschaft zum Sieg bei der Team-EM geführt, wurden „Sportler des Jahres“ und nun auch „Leichtathlet des Jahres“. Ein goldiges Jahr, könnte man meinen. Wenn da nicht dieser bittere Kreuzbandriss wäre. Inwieweit verhagelt Ihnen diese Verletzung die Saisonbilanz?

Robert Harting:

Zu Allererst ist das unser aller Berufsrisiko und natürlich ist das eine schwere Verletzung. Als ich auf dem Boden lag, hat sich plötzlich ein motivierender Schalter umgelegt. Ich reagiere auf Bedrohung mit Herausforderung. Daher freue ich mich auf das Comeback. Die sportlichen Erfolge dieses Jahr sind am Ende optimal. Neuer Coach, Uni-Abschluss, etc. Das war schon kraftraubend. Am Ende haben wir aber eine super Performance um 69 Meter aufbauen können.

Im Oktober wurden Sie am Kreuzband operiert. Operationen und Prognosen – das passt meist nicht zusammen. Können Sie dennoch bereits Pläne schmieden für das sportliche Jahr 2015?

Robert Harting:

Sie sagen es, ich hatte bereits vorher zwei Knie OPs. Hier eine Zeitangabe zu machen, wäre unprofessionell. Ich werde mich schon zeigen. Vielleicht gibt es ja ein Comeback zu den Deutschen Meisterschaften. Bislang läuft der Heilungsprozess ganz normal.

Im allerschlimmsten Fall wäre es ja das erste Mal seit 2006, dass Sie bei einem internationalen Höhepunkt zusehen müssten und damit Ihre Serie von drei WM-Titeln nicht ausbauen könnten. Wie viel Risiko sind Sie unter diesen Umständen bereit zu gehen?

Robert Harting:

Ohne Risiko prickelt es im Sport nicht. Aber viel wichtiger ist es, in Rio Gold zu holen. Einen zweiten Kreuzbandriss kann ich mir nicht leisten, man muss aufpassen.

Welche Pläne haben Sie für Projekte abseits des Sports in diesem Jahr?

Robert Harting:

Meine Aufgaben in der Sportlotterie ändern sich bald. Das Kommunikations-Konzept steht und wir warten alle gespannt auf den Start am 30. Januar. Ich habe bereits ein weiteres Projekt, was mir sehr wichtig ist. Aber Vorrang haben meine sportlichen Aufgaben.

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