| EM 2014

Robert Harting: „Titel kommt nicht weit nach Olympiasieg“

Sechs große Titel in Folge: Auf WM-Gold 2011 folgten 2012 EM-Gold und der Olympiasieg sowie 2013 der nächste WM-Titel und Gold bei der Militär-EM. Bei den Europameisterschaften in Zürich kam nun die Titelverteidigung hinzu. Warum für Diskus-Hüne Robert Harting (SCC Berlin) dieser Sieg nahe heran reicht an Olympia-Gold und warum er diesmal sein Trikot nicht zerrissen hat, verriet der Seriensieger anschließend im Gespräch mit den Journalisten.
Silke Morrissey

Herzlichen Glückwunsch, Robert Harting! Wie schwer war die Titelverteidigung bei den Bedingungen und der großen Verzögerung?

Robert Harting:

Für den Wettkampf heute habe ich noch gar nicht die richtigen Worte. Sechs bis sieben Mal haben wir den Warm-up gestartet, schon im Hotel hieß es, der Wettkampf verzögert sich, 30 Minuten, 20 Minuten... Wir haben uns ständig warm gemacht – aber das gilt natürlich für alle, die Situation ist für alle dieselbe. Dann kam zu guter Letzt noch der Regen dazu und dann noch der Unfall bei meinen ersten beiden Imitationen…

Unfall? Was genau ist da passiert?

Robert Harting:

Ich bin hingefallen und habe mich abgefangen. Erstens habe ich mir den Knöchel ein wenig verstaucht, zweitens habe ich völlig den Rhythmus verloren. Man muss sich vorstellen, wie das ist, wenn man im Winter mit einem Schlitten der Berg runtersaust und keine Bremse am Schlitten hat. Die Bremse ist in diesem Fall mein linkes Bein, und die hat zweimal versagt. Was macht man dann?

Ja, was macht man dann?

Robert Harting:

Das war Pittiplatsch-Werfen. Ganz langsam, ganz ruhig – ganz anders als wir es trainiert haben. Deswegen: 66 Meter, ich bin super happy! Riecht ein bisschen billig… Aber man hat es ja auch bei den anderen gesehen. Die sind ja nicht schlecht!

Was hat die größten Probleme bereitet?

Robert Harting:

Scheinbar haben die Leute hier neuen Tartan auf der Bahn verlegt. Der ist nicht tief, da steht das Wasser. Der Ring ist nass und wird schmierig, und wenn man normalerweise einen Wurf daneben setzt hat man die Gewissheit: Der Tartan ist trocken, ich kann mich abfangen. Aber hier… Über die 66 Meter wäre ich bei normalen Bedingungen sicherlich ein bisschen enttäuscht gewesen. Aber so überhaupt nicht. Zumal ich vor dem ersten Wurf heute wirklich gar nichts hatte. Ich hatte nichts! Ich hatte keinen Rhythmus, kein Vertrauen, ich wusste nicht, wie ich den ersten Wurf ansetzen soll. Da war der Zweifel direkt neben mir.

Wie sicher waren Sie sich während des Wettbewerbs, dass Ihre 66,07 Meter aus Runde drei für den Sieg reichen würden?

Robert Harting:

Glück für mich war, dass es noch mal angefangen hat zu regnen. Das war exakt die gleiche Situation wie vor dem ersten Versuch. Das heißt, man ist wieder reingegangen, hat sich wieder rangetastet. Deswegen habe ich den vierten Wurf auch ausgelassen. Warum soll ich mit reduzierter Technik werfen, wenn ich schon eine Weite stehen habe? Die anderen haben’s nicht gemacht. Ich glaube, wenn die noch mal weiter geworfen hätten, hätte ich wahrscheinlich noch mal einen draufsetzen können.
 
Sie sind bekannt dafür, dass nach großen Siegen Ihr Trikot dran glauben muss. Warum haben Sie es dieses Mal nicht zerrissen, sondern sogar damit gekuschelt?

Robert Harting:

Das ist für Oma gewesen. Oma hat mich gekauft, mit thüringischen Knackerwürsten und Toffifee. Sie ist ja aus einer anderen Generation, und wenn man da ein Lump ist und T-Shirts zerreißt, kommt das nicht immer gut an. Daher: ein kleines Andenken an sie. Schönen Gruß, sie freut sich bestimmt.

In der Reihe Ihrer vielen großen Erfolge: Welchen Stellenwert hat dieses EM-Gold für Sie?

Robert Harting:

Das zu kategorisieren ist echt schwer. Aber dieser Titel kommt nicht mit weitem Abstand nach dem Olympiasieg! Das war für mich persönlich heute eine echt große Kopfleistung. Von außen ist das vielleicht nicht so spürbar gewesen. Da sieht man nur, dass ich gewonnen habe. Aber ich bin sehr zufrieden!

Wie lange soll die Titel-Serie noch andauern?

Robert Harting:

Ich hoffe sehr lange! Aber da gehört viel Glück dazu. Hätte ich vor sechs, sieben Jahren auf diesem Niveau geworfen, hätte ich gegen Alekna werfen müssen. Vor sechs, sieben Jahren haben Alekna und Kanter regelmäßig 70 Meter geworfen. Da hätte ich mir was einfallen müssen. Aber klar, die Titelverteidigung in Peking ist das nächste Ziel.

Virgilijus Alekna ist jetzt 42 Jahre alt und wirft immer noch. Ist das für Sie auch denkbar?

Robert Harting:

Mit 40? Unmöglich! Das kann man vergessen. Ich bin ja Stützwerfer. Alekna und Kanter haben eine andere Technik. Ich habe ja gerade das Bild vom Schlitten gebracht und der Bremse. Da kommen ein paar G-Kräfte zusammen. Die fangen unten an und gehen in den Körper. Das ist bei einem Springer nicht so, deswegen leben die technisch viel länger.

<link btn>Mehr zur EM

<link>Das Buch zur EM in Zürich. Die schönsten Bilder, die spannendsten Storys auf 144 Seiten. Jetzt bestellen.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024