Ronald Weigel - "WM-Verzicht sinnvoll"
Bislang kannte man Ronald Weigel nur als Fachmann für das Gehen. In Zukunft wird sich der Weltmeister des Jahres 1983 auch um die deutschen Marathonläufer und -läuferinnen kümmern und hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt. Im Interview mit leichtathletik.de spricht er über die Wichtigkeit eines langfristigen Aufbaus, das aktuelle Leistungsniveau der deutschen Marathonis und erklärt, warum er einen WM-Verzicht als sinnvoll erachtet.
Ronald Weigel, bislang kannte man Sie nur als ehemaligen Geher, Geh-Experte und -trainer. Wie kam es dazu, dass Sie sich ab jetzt auch um die deutschen Marathonläufer kümmern?Ronald Weigel:
Das war eine verbandsinterne Entscheidung. Man ist dem Antrag von Detlef Uhlemann gefolgt, der darum gebeten hat, ihn von dieser Aufgabe zu befreien, weil er einfach gemerkt hat, dass Bahn, Cross und Straße zu viel ist. Daraufhin ist man auf mich zugegangen. Aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten zwischen Gehen und Marathon hat man mich gefragt, ob ich diesen Bereich übernehmen würde und ich habe "Ja" gesagt.
Sie kümmern sich jetzt um die deutschen Geher und um die Marathonläufer. Das ist viel Arbeit. Gemeinsamkeiten?
Ronald Weigel:
Ich möchte erst mal festhalten, dass ich mich natürlich weiterhin mit gleichem Einsatz für die Geher engagieren werde wie bislang. Es gibt durchaus große Gemeinsamkeiten zwischen dem Marathontraining und dem Gehtraining. Vor allem in Sachen Trainingsmethodik, Jahresplanung, Trainingsinhalten, unmittelbarer Wettkampfvorbereitung und Höhentrainingslagern sind doch viele Inhalte gleich. Man kann dort auch sicherlich zusammenarbeiten, zum Beispiel in Form von gemeinsamen Trainingslagern, um alle Kräfte zu bündeln.
Gibt es Ansätze aus dem Gehtraining, dass Sie auch für Marathonläufer als sinnvoll erachten?
Ronald Weigel:
Geher absolvieren sehr hohe Umfänge. Das ist ja bei den Marathonläufern nicht anders. Selbst wenn man vielleicht nicht gemeinsam trainiert, so kann man sich zumindest an den anderen emotional motivieren.
In der letzten Ausgabe der Zeitschrift "leichtathletik" sagten Sie, dass es vielleicht sinnvoll wäre den WM-Marathon im nächsten Jahr auszulassen. Warum?
Ronald Weigel:
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Als erstes muss man den aktuellen Leistungsstand vor allem im männlichen Bereich sehen und da sieht es derzeit aus verschiedenen Gründen nicht so gut aus. Für mich ist nicht nächstes Jahr entscheidend, sondern 2012. Ich denke immer in olympischen Zyklen. Man sollte jetzt lieber die Zeit nutzen, um konsequent daran zu arbeiten einer Zeit von 2:10 Stunden näher zu kommen. Hierfür erachte ich es als sinnvoll einen Aufbau zu wählen, der auf Langfristigkeit ausgelegt ist, so dass erst mal Grundlagen gelegt werden können, die einfach notwendig sind, um am Ende auf hohem Niveau zu laufen. Hinzu kommt noch, dass die klimatischen Bedingungen bei der WM in Daegu alles andere als läuferfreundlich sein werden, was die Regeneration im Anschluss verlangsamen wird.
Kein WM-Marathon heißt aber nicht, dass im nächsten Jahr generell kein Marathon gelaufen werden soll, oder?
Ronald Weigel:
Nein, gar nicht. Langfristig heißt auch nicht, dass man jetzt die Beine hochlegen kann. Natürlich werden auch für das nächste Jahr Ziele gesetzt, die eine Verbesserung des eigenen Leistungspotenzials beinhalten. Im Sinne eines langfristigen Aufbaus würde ich aber auch Athleten, die sich für die Weltmeisterschaften qualifizieren, nahe legen auf einen Start zu verzichten, was nicht heißt, dass im nächsten Jahr niemand Marathon laufen soll. Ganz im Gegenteil. Ich werde es sogar anregen, die Qualifikation für die Olympischen Spiele bereits im Herbst nächsten Jahres durchzuführen, um sich im Anschluss voll und ganz auf dieses Großereignis vorbereiten zu können. Diese Marathons sind dann Teilziele auf dem Weg zu den Olympischen Spielen.
Wie genau stellen Sie sich denn den Ablauf bis zu den Olympischen Spielen 2012 vor?
Ronald Weigel:
Das kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Erst mal muss der Ist-Stand und die vergangenen Jahre analysiert werden. Auf Grundlage der Standortbestimmung wird dann ein genauer Fahrplan festgelegt werden, der eine optimale Leistungsentwicklung hin zu einer Zeit von 2:10 Stunden bei den Männern ermöglicht. Dazu kann ich aber in einigen Wochen sicherlich mehr sagen.
Wo sehen Sie die deutschen Marathonläufer und -läuferinnen derzeit im internationalen Vergleich?
Ronald Weigel:
Das beste Maß ist hierfür ja immer die Weltbestenliste. Im Moment brauche ich hier bei den Männern nicht viele Worte verlieren. Das kann ja jeder selber nachlesen, wo sie stehen. Bei den Frauen sieht das anders aus. Mit Irina Mikitenko und Sabrina Mockenhaupt haben wir zwei Läuferinnen, die zur Weltspitze gehören.
Was ist bis zu den Olympischen Spielen 2012 an Leistungssteigerungen möglich?
Ronald Weigel:
Wir müssen bedenken, dass es ja nur noch zwei Jahre bis zu den Olympischen Spielen sind. Wenn wir im Männerbereich in Richtung einer Zeit von 2:10 Stunden kommen, dann ist dies auf jeden Fall schon eine Verbesserung. Hier müssen wir sicherlich erst mal kleinere Brötchen backen, aber wir wollen uns auch nicht verstecken. Ziel eines jeden Sportlers ist die Teilnahme an Olympischen Spielen. Hierfür werden wir auch die Normen höher setzen. Ich kann mir hier durchaus eine Zeit von 2:11 bis 2:12 Stunden vorstellen. Ich weiß ja auch, dass die Athleten fleißig sind und auch in diesen Bereich kommen wollen. Deshalb müssen wir uns klare Ziele setzen. Bei den Frauen denke ich, dass Irina Mikitenko, wenn sie gesund bleibt, auch 2012 ganz vorne mitlaufen kann und Sabrina Mockenhaupt hat, um es sachte auszudrücken, das Potenzial, um sich weiter einige Minuten zu steigern und dann haben wir ja auch noch einige andere Marathonläuferinnen mit Potenzial. Es ist ja nicht so, dass es nur Sabrina und Irina gibt.
Wie sieht die Zielsetzung über die nächsten Olympischen Spiele hinaus aus?
Ronald Weigel:
Mir ist eine langfristige Konzeption in Richtung Perspektivkader, wo junge Athleten jetzt schon auf den Marathon vorbereitet werden, sehr wichtig, so dass schon früh die nötigen Grundlagen gelegt werden können. Das heißt aber nicht, dass nicht weiter an einer Verbesserung der Bahnzeiten gearbeitet wird. Der Perspektivkader, sollte er zustande kommen, soll nur dabei helfen Nachwuchstalente frühzeitig in Richtung Marathon aufzubauen.