Ruth Sophia Spelmeyer - Umwege zum Glück
In der Jugend stürmte sie über 200 Meter vorneweg. Mittlerweile ist Ruth Sophia Spelmeyer auf der Stadionrunde angekommen und gehört auch dort zu den Besten. In diesem Jahr konnte sich die 23-Jährige über 400 Meter um anderthalb Sekunden verbessern. Die Krönung – ein WM-Start mit der Staffel – blieb jedoch aus. Das Versäumte will die Halb-Argentinierin nun 2014 nachholen.
Sollte das Leben von Ruth Sophia Spelmeyer jemals verfilmt werden, würde die Biografie wohl den Titel „Auf Umwegen zum Glück“ tragen. Denn sowohl im Studium als auch in der Leichtathletik dauerte es eine Weile, bis die 23-Jährige entdeckte, was ihr am besten liegt. An der Hochschule quälte sie sich zunächst durch vier Semester Germanistik und Philosophie, ehe sie zur Psychologie umstieg, die sie seit nunmehr drei Semestern studiert.Auf der Laufbahn war Spelmeyer zunächst über 200 Meter aktiv und ist dort zweimal Deutsche Jugendmeisterin sowie 2009 U20-Europameisterin mit der DLV-Sprintstaffel geworden. Mittlerweile läuft sie 400 Meter. Nach einigen Jahren der Stagnation schaffte sie 2013 den Durchbruch über diese Distanz.
Angst vor der ganzen Runde
Schon ihr früherer Trainer in Oldenburg, Jürgen Wegner, hatte Spelmeyers Potenzial über die Stadionrunde erkannt. Er riet ihr bereits in der Jugend, es doch mal über die 400 Meter zu versuchen. „Aber ich hatte damals Angst davor, eine ganze Runde zu laufen“, erzählt die Sprinterin. Nach dem Abitur wechselte sie 2010 zu Edgar Eisenkolb nach Hannover, der ebenfalls von ihren Qualitäten über die längere Strecke überzeugt war.
Unter ihrem neuen Coach stellte Spelmeyer ihr Training um und arbeitete konsequent an Kondition und Stehvermögen. Bis sie sich jedoch das erste Mal im Wettkampf über 400 Meter versuchte, sollte noch fast ein Jahr vergehen. „Ich habe mir schon vor dem Rennen Ausreden überlegt, weshalb es nicht klappen könnte. Mal fühlte ich mich schlapp, ein anderes Mal hatte ich angeblich nicht gut geschlafen“, erinnert sie sich. „Irgendwann hat es Klick gemacht. Ich habe gedacht, bei dem Training, das ich mache, muss ich das doch hinkriegen.“
Körper muss sich auf Belastungen einstellen
Ihr erstes Rennen über 400 Meter absolvierte sie im Juli 2011 bei den Norddeutschen Meisterschaften in Celle in 54,91 Sekunden. Nur zwei Wochen später steigerte sie sich auf 54,19 Sekunden und schaffte es damit bei den nationalen Titelkämpfen in Kassel auf Anhieb in den Endlauf.
Diesem Höhenflug folgte die rasche Ernüchterung. 2012 stagnierte die Leistung von Ruth Sophia Spelmeyer, über 54,34 Sekunden kam die 23-Jährige nicht hinaus. „Mein Körper musste sich erst auf die neuen Belastungen einstellen“, sagt sie.
Gleichzeitig war sie aber auch nicht mehr in der Lage, über 200 Meter an die schnellen Zeiten aus der Jugend anzuknüpfen. Sie war gewissermaßen gefangen zwischen den Strecken. Mehr als einmal dachte sie ans Aufhören. „Ich habe mich gefragt, warum ich mir die Quälerei noch antue. Vielleicht war mir ja das Talent abhandengekommen?“
Ohne Norm zur DM
Spelmeyer trainierte trotzdem weiter und wurde im Winter 2013 für ihre Ausdauer belohnt. In der Halle verbesserte sie ihren Hausrekord auf 53,69 Sekunden. Bei der Hallen-DM in Dortmund war sie im Vorlauf mit 54,14 Sekunden sogar die Schnellste, doch der Sprung aufs Treppchen blieb ihr verwahrt. Denn im Finale durfte sie nicht mehr antreten, weil sie die Norm für die Titelkämpfe zu spät gelaufen war. Schon der Start im Vorlauf war nur dank einer Ausnahmegenehmigung möglich.
Spelmeyer hat daraus ihre Lehren gezogen: Zwar will sie sich in der kommenden Hallensaison erneut vor allem über die Unterdistanzen 60 und 200 Meter zeigen, „aber dieses Mal laufe ich rechtzeitig auch die 400 Meter, damit ich auf jeden Fall bei den Deutschen Meisterschaften dabei sein kann“, so die Frau vom VfL Oldenburg.
In der Heimat der Mutter
Vor dem Beginn des Wintertrainings hat sie noch einmal Kraft getankt. Einen Monat lang reiste Spelmeyer durch Argentinien, das Geburtsland ihrer Mutter, die vor 25 Jahren fürs Studium nach Deutschland gekommen war. „Es war das erste Mal seit acht Jahren, dass ich drüben war“, berichtet Spelmeyer, die fließend Spanisch spricht.
Gern hätte sie in diesem Jahr noch ein anderes Reiseziel besucht: die russische Hauptstadt Moskau. Doch der Traum von der WM-Teilnahme platzte, weil der Deutsche Leichtathletik-Verband erstmals seit 2007 keine 4x400-Meter-Staffel der Frauen zu den Weltmeisterschaften entsandte.
Zwar konnten Esther Cremer (TV Wattenscheid 01), Lena Schmidt (LG Stadtwerke Hilden) und Ruth Sophia Spelmeyer ihre Bestzeiten allesamt verbessern – Letztere auf 52,63 Sekunden, ein Sprung von mehr als einer Sekunde –, doch dahinter fehlte nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Janin Lindenberg (SC Magdeburg) eine schnelle vierte Läuferin.
2014 neuer Anlauf mit der Staffel
„Anfangs war ich schon sehr enttäuscht. Da laufe ich endlich eine Zeit, mit der ich es in die Mannschaft schaffen kann – und dann wird zum ersten Mal seit sechs Jahren gar keine Staffel nominiert“, sagt Spelmeyer. Wirklich freuen konnte sie sich über ihre neue Bestleistung deshalb zunächst nicht. „Erst mit der Zeit habe ich realisiert, was für ein toller Leistungssprung das war.“
2014 möchte die Halb-Argentinierin das Versäumte nachholen. Mit der EM in Zürich, der Team-EM in Braunschweig und eventuell der Staffel-WM auf den Bahamas stehen drei Höhepunkte an. Genug neues Material also für den Film über ihre Karriere auf Umwegen.
Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift