Sanaa Koubaa überwindet viele Hindernisse
Im Alter von 27 Jahren hat Sanaa Koubaa (LG Stadtwerke Hilden) in Helsinki (Finnland) zum ersten Mal ein EM-Finale erreicht. Nicht nur auf der Bahn musste sie auf dem Weg dorthin viele Hindernisse überwinden. Ihre Leidenschaft fürs Laufen hielt die Sozialpädagogin auch in Jahren in der zweiten Reihe bei der Leichtathletik. Der Vormarsch soll 2013 mit einer WM-Teilnahme weitergehen.
Um satte 18 Sekunden hat sich Sanaa Koubaa in diesem Jahr über 3.000 Meter Hindernis gesteigert. Im bisher wichtigsten Rennen ihrer Karriere - dem EM-Vorlauf in Helsinki - lief sie nach 9:43,08 Minuten über den Zielstrich, trotz eines Sturzes am letzten Hindernis. Lohn war das Finale, wo Platz 14 herauskam. Bei den Deutschen Meisterschaften in Wattenscheid gab es außerdem Silber (9:51,77 min)."Die EM war ein tolles Erlebnis und bringt Motivation für die Zukunft." Ein internationaler Höhepunkt stand 2012 eigentlich gar nicht auf dem Plan. "Meine Saison war auf die Deutschen Meisterschaften ausgerichtet", erzählte die 27-Jährige, die es deshalb verschmerzen konnte, dass es mit der Olympia-Norm (9:39,00 min) nicht mehr ganz klappte. "Obwohl vom Training her eine Zeit unter 9:40 Minuten drin gewesen wäre."
Steiniger Weg in die Spitze
Dass die Leistungssteigerung zu einem recht späten Zeitpunkt gekommen ist, hat einen Grund: Sanaa Koubaa musste zuerst ihr Leben ordnen. "Meine Eltern sind leider früh verstorben." Schon mit 16 galt es auf eigenen Beinen zu stehen, mit ihren sieben Geschwistern lebte sie von da an allein in Hilden. "Plötzlich hieß es: Erwachsen sein und nach vorne blicken. Meine älteste Schwester war damals 20."
Zuerst neben dem Sport zu studieren und dann zu arbeiten, war für die Athletin, deren Wurzeln in Marokko liegen, immer normal. Die Leidenschaft für den Sport hatte aber immer Platz im Leben der studierten Sozialpädagogin. "Mein Schwerpunkt an der Uni war Abenteuer- und Erlebnissport." Das ermöglichte nach dem Abschluss einen Job als Grundschullehrerin in Sport und Förderunterreicht, wo im Moment 26 Stunden die Woche auf dem Stundenplan stehen.
Um den passenden Abschluss draufzusetzen, begann Sanaa Koubaa 2009 auf Lehramt zu studieren. Zusätzlich arbeitete sie weiterhin als Lehrerin und trainierte. Das war zuviel. "Ich stand körperlich vor dem Zusammenbruch." Die sportlichen Leistungen stagnierten, es ging sogar rückwärts. "Da habe ich die Reißleine gezogen." Das Lehramtsstudium liegt seitdem auf Eis. "Scheine habe ich schon, wenn ich will, kann ich später wieder einsteigen."
Trainer ist Vaterfigur
Großen Anteil daran, dass es ab 2011 bergauf ging, hat Trainer Wolfgang Kamps, der seine Athletin schon in der ersten Klasse kennenlernte, als Sportlehrer der Grundschule am Elbsee in Hilden, wo Sanaa Koubaa heute selbst unterrichtet. "Er ist wie ein Papa für mich." Als heutiger Direktor der Schule schafft Wolfgang Kamps die Rahmenbedingungen für zweimal Training pro Tag. "Mein Unterricht beginnt erst um 10 Uhr." So ist vorher eine Einheit möglich. "Dann gehe ich abends um 18 Uhr noch einmal auf den Platz."
Diese neue Ordnung im Alltag fruchtete. Umfang und Intensität im Training gingen nach oben. "Ich bin im letzten Winter bis zu 160 Kilometer die Woche gelaufen und dabei verletzungsfrei geblieben." Hilfreich zur Seite steht neben Wolfgang Kamps auch Tobias Kofferschläger, 400-Meter-Bundestrainer der Frauen, der in Sachen Training berät.
Ein paar Kilos gingen durch die kontinuierliche Arbeit verloren und erstmals fuhr die 27-Jährige mit in ein DLV-Trainingslager - nach Monte Gordo in Portugal, obwohl keine Schulferien waren. "Kollegen haben meinen Unterricht mitübernommen. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar."
Schon seit der Jugend Hindernisläuferin
Für ihre eigene sportliche Entwicklung reduzierte Sanaa Koubaa ihren Beitrag zur Nachwuchsarbeit in ihrem Verein der LG Stadtwerke Hilden: Sie gab einige ihrer Kinder-Gruppen ab und hat deshalb fast ein schlechtes Gewissen. "Ich möchte dem Verein etwas zurückgeben, von dem ich soviel Unterstützung bekommen habe." Zum Beispiel gab es zu Jugend-Zeiten einen Zuschuss vom Förderverein, wenn das Geld fürs Trainingslager nicht gereicht hat.
Hindernisse ist die 1,68 Meter große Athletin schon damals gelaufen. 2004 gab es Silber bei den Deutschen Jugendmeisterschaften über 2.000 Meter Hindernis (6:52,54 min). In den folgenden Jahren war Platz vier bei den Deutschen Meisterschaften 2008 in Nürnberg über 3.000 Meter Hindernis (10:17,92 min) der größte Erfolg.
Zum Durchbruch in die nationale Spitze reichte es noch nicht. "Irgendetwas kam immer dazwischen. Trotzdem blieb die Freude am Training. Ich habe es immer wieder aufs Neue versucht." Das Durchhaltevermögen hat sich ausgezahlt und die gelungene Saison 2012 soll noch lange nicht das Ende sein.
Für die WM ins Gelände
"Ich möchte mich im nächsten Jahr für die WM qualifizieren." Auf das bevorstehende Wintertraining freut sich die DM-Zweite. "Tempoläufe werde ich hauptsächlich mit Jungs machen. Aber auch Nina Kramer will nach Verletzungsproblemen und Prüfungen wieder mehr machen."
Ob zur Vorbereitung auf den Sommer eine Hallensaison oder ungeliebte Crossrennen anstehen, ist noch nicht entschieden. "Ich laufe lieber in der Halle, aber für die Hindernisse gelten Crossläufe als gutes Training. Wenn mich mein Trainer davon überzeugen kann, werde ich im Gelände starten."
Mit einem WM-Start würde Sanaa Koubaa endgültig im Spitzensport ankommen. Dafür fehlen noch zwei andere Dinge: Ein paar Sponsoren, die ihr ermöglichen sich noch etwas mehr auf den Sport zu konzentrieren und Autogrammkarten. "Ich habe schon einige Anfragen nach Autogrammkarten bekommen, wenn es noch mehr werden, muss ich mir darüber Gedanken machen, welche drucken zu lassen."