| Neue Meister

Sara Gambetta: Von der Siebenkämpferin zur Kugelstoßerin

Bei der DM in Erfurt haben sieben Athleten erstmals national ganz oben gestanden. Einige von ihnen gehören zu den „neuen Gesichtern“ der Szene, andere belohnten sich dafür, dass sie trotz Rückschlägen weiter an sich glaubten. Einer der neuen Meister ist gleich bis an die Spitze der Welt durchmarschiert. Aus dieser bunten Mischung stellen wir heute die Kugelstoßerin Sara Gambetta (SC DHfK Leipzig) vor.
Jan-Henner Reitze

<link nationalmannschaft athletenportraet athlet detail sara-gambetta>Sara Gambetta
SC DHfK Leipzig

*18. Februar 1993
Größe: 1,84 m
Gewicht: 90 Kilo

Kugelstoßen

Bestleistung: 18,46 m (2017)

Erfolge:

Fünfte Universiade 2017
EM-Siebte 2016
Bronze U23-EM 2015
Achte U23-EM 2013
Silber U20-EM 2011 (Siebenkampf)
Silber U20-WM 2010 (Siebenkampf)
Deutsche Meisterin 2017

Sie gehörte zu den enttäuschten Athleten, die bei der WM in London (Großbritannien) durch die Mixed-Zone kamen. „Ich konnte meine Leistung nicht abrufen und dann hatte ich auch noch Pech“, erinnert sich Sara Gambetta an diesen Moment. Als drittletzte Athletin der Qualifikation hatte die Brasilianerin Geisa Arcanjo gerade 17,79 Meter erzielt und die DLV-Athletin (17,71 m) damit auf Rang 13 und aus dem Finale der besten Zwölf verdrängt. „Vom Gefühl hatte ich die nötige Weite fürs Finale locker drin.“

Dieses Gefühl hatte die DLV-Athletin von den beiden Wettkämpfen unmittelbar vor der WM mitgebracht. In Gotha und Böhmenkirch waren ihr die bisher besten Wettkämpfe ihrer Karriere gelungen – mit insgesamt acht Versuchen jenseits der 18-Meter-Marke inklusive der Bestleistung von 18,46 Metern. „Ich habe in diesem Sommer den technischen Fehler gemacht, die Schulter nicht lange genug stehen zu lassen. Der Punch nach vorne kam zu früh“, erklärte die Deutsche Meisterin von Erfurt. „In diesen beiden Wettkämpfen hat es dagegen funktioniert. Gerade in Gotha war ich im Flow.“

Unterschiede zwischen Spezialmeeting und internationalem Wettkampf

Dass dies bei der WM nicht wieder gelungen ist, erklärt die 24-Jährige mit etwas Abstand mit fehlender Konstanz und Sicherheit in der Technik. „Bei einem Spezial-Wettkampf in Deutschland ist alles auf uns Kugelstoßerinnen abgestimmt. Wir werden gefragt, wie oft wir uns einstoßen wollen. Bei einem internationalen Wettkampf ist das anders.“

Ihr Ziel ist es, ihre Topleistungen in Zukunft auch bei Rahmenbedingungen außerhalb der Komfortzone abzurufen. Insgesamt war die Saison wieder ein großer Schritt nach vorne – insbesondere da wegen Ellenbogenproblemen erst ein später Einstieg ins Techniktraining möglich war. Auf der Habenseite stehen ein Plus von einem halben Meter bei der Bestleistung, die erste WM-Teilnahme und der erste deutsche Meistertitel bei den Erwachsenen.

Die Leistungsentwicklung der Sportsoldatin muss dabei etwas anders betrachtet werden als die von vielen ihrer Disziplinkolleginnen. Denn Sara Gambetta hat erst ihr viertes Jahr als Kugelstoßerin absolviert und damit weniger Trainingsjahre als die meisten Konkurrentinnen. In ihrer Jugend erlebte sie zuerst einen steilen Aufstieg als Siebenkämpferin, musste dann aber auch verletzungsbedingt harte Zeiten überstehen.

Erste Schritte auf der Tartanbahn

Leichtathletik gehörte von Anfang an zum Leben der heutigen Kugelstoßerin, die in Schlitz in Hessen aufgewachsen ist. Mutter Cornelia und Vater Carlos waren Mehrkämpfer. „Meine Mutter war Übungsleiterin in meinem ersten Verein. Sie hat mich schon als Baby mit zum Training genommen. Ich habe auf der Tartanbahn laufen gelernt.“

Später machte die Tochter in der Trainingsgruppe ihrer Mutter bei der TSG Schlitz mit, spielte parallel aber auch neun Jahre lang Fußball. Mit Bronze bei der Mehrkampf-DM 2009 in der weiblichen Jugend B (5.076 Punkte) gelang ein erster Erfolg auf nationaler Ebene. Gedanken an einen internationalen Wettkampf kamen der damals 16-Jährigen nicht in den Sinn.

In der Jugend nur Dafne Schippers besser

Das änderte sich schlagartig mit dem Pfingstwochenende 2010, das eine Leistungsexplosion brachte. In Bernhausen gelang mit einer Punktzahl von 5.693 Punkten die Qualifikation für die U20-WM, einen Monat später in Ratingen folgte eine Steigerung auf 5.854 Punkte und in Moncton (Kanada) dann schließlich mit 5.770 Punkten die Silbermedaille. Insbesondere in den Sprungdisziplinen (Weitsprung: 6,41 m; Hochsprung: 1,82 m) standen schon Einzelleistungen, mit denen auch eine Top-Siebenkämpferin im Erwachsenenbereich glänzen kann. Das Kugelstoßen (13,71 m) gehörte ebenfalls zu ihren starken Disziplinen.

Auch ein Jahr später, nach dem Wechsel zur LG Eintracht Frankfurt und dem Umzug ins Sportinternat dort, hielt die Erfolgswelle erst einmal an. Vor allem dank großer Fortschritte in den Wurfdisziplinen (Kugelstoßen: 14,87 m; Speerwurf: 51,17 m) gelang der Sprung über die 6.000-Punkte-Marke (6.108 Punkte) und mit Silber bei der U20-EM in Tallinn (Estland) die nächste Medaille bei einer internationalen Nachwuchs-Meisterschaft.

Dass es in Moncton und Tallinn nicht jeweils Gold wurde, lag übrigens an einer damaligen Siebenkämpferin, die sich später mit dem Sprint auch auf eine Disziplin konzentrierte und dort mittlerweile zweimalige Weltmeisterin ist: Die Niederländerin Dafne Schippers lag bei der U20-WM 2010 (5.967 Punkte) und U20-EM 2011 (6.153 Punkte) jeweils vor der DLV-Athletin.

Nach zwei Top-Jahren kein erfolgreicher Siebenkampf mehr

Während Dafne Schippers noch bis 2014 im Mehrkampf aktiv war, wurde die „Karriere im Aufzug“ von Sara Gambetta noch im Jahr 2011 gestoppt. Nach der Silbermedaille und dem 6.000-Punkte-Siebenkampf von Tallinn zog sich die damals 18-Jährige beim Thorpe Cup in Chula Vista (USA) einen Außenbandriss im Fuß zu, der aber monatelang nicht diagnostiziert wurde.

Das Training wurde mehr und mehr zu einem Kampf gegen den eigenen Körper. In der Saison 2012 war kein Wettkampf möglich, stattdessen musste sich die gebürtige Hessin einer Operation am Sprunggelenk unterziehen: „Ich bin in ein Loch gefallen“, erzählt die gebürtige Hessin. „Die Medaillen im Nachwuchsbereich haben mich schon stolz gemacht, aber ich wollte es auch bei den Erwachsenen schaffen.“

Ein Comeback-Versuch im Siebenkampf von Ratingen im Jahr 2013 endete wegen eines Muskelfaserisses im Oberschenkel vorzeitig, die erhoffte Qualifikation für die U23-EM war dahin. „Ich war total aufgelöst.“ Doch dieser Tag bildete auch den Startpunkt der zweiten Karriere, die bis heute anhält. „Jenny Oeser kam zu mir“, erzählt Sara Gambetta. „Ich hatte innerhalb dieses Mehrkampfes mit 16,17 Metern Bestleistung im Kugelstoßen erzielt und Jenny meinte, ich solle es doch in dieser Einzeldisziplin probieren.“ Gesagt getan. Es folgten die Steigerung auf 16,36 Meter und Rang acht bei der U23-EM in Tampere (Finnland; 16,21 m).

Zweite Karriere als Kugelstoßerin

Mit dem Entschluss, sich auf das Kugelstoßen zu konzentrieren, kam auch die Freude am Sport zurück. "Das war ein neuer Aufschwung", so die Lehramts-Studentin, die sich im Herbst 2013 der Gruppe von René Sack in Halle anschloss. Als Mehrkämpferin brachte sie eine breite koordinative Ausbildung, viel Sprungkraft und eine hohe Auffassungsgabe mit. "Was gefehlt hat, war das Gefühl für die technischen Feinheiten. Mehrkämpfer gehen etwas grober und einfacher zu Werke. Ich musste mit meiner Technik brechen.“ Gleichzeitig wurde das Krafttraining hochgefahren, ohne dabei Schnelligkeit und Spritzigkeit zu verlieren.

Die technische Ausbildung läuft immer noch. „René hat in diesem Sommer gesagt: So langsam sieht es wie Kugelstoßen aus“, berichtet Sara Gambetta mit einem Augenzwinkern über die Ansagen ihres Trainers. Stetig ging es für das Duo in den vergangenen Jahren bergauf. Mit Bronze bei der U23-EM 2015, übrigens wieder in Tallinn (Finnland), ist wie im Siebenkampf auch eine internationale Medaille im Nachwuchsbereich im Kugelstoßen in die Sammlung eingegangen. Großes Ziel bleibt es, einmal Edelmetall bei einer großen Meisterschaft bei den Erwachsenen zu gewinnen. "Dieses Ziel habe ich mir schon als Mehrkämpferin gesetzt."

Mehr Vollgas im Training und mehr internationale Konkurrenz

Um nicht wieder eine Situation wie bei der WM in London zu erleben, sieht die EM-Siebte und Olympiateilnehmerin mehrere Ansatzpunkte. "Im Training werden wir schon im Dezember und damit früher mit dem Techniktraining beginnen, um gar nicht groß rauszukommen. Außerdem möchte ich im Training mehr mit Vollgas stoßen, damit die Technik nicht nur bei 90 Prozent stabiler wird. Und ich möchte mehr bei internationalen Meetings starten, um in dieser Wettkampfsituation sicherer zu werden."

Dazu ist auch eine Hallensaison geplant, obwohl dort möglicherweise die Hallen-WM in Birmingham (Großbritannien; 2. bis 4. März) der einzige große Wettkampf sein wird, da das Kugelstoßen der Frauen wegen der Babypause von Europameisterin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) bei den größeren Meetings in Deutschland wohl nicht auf dem Programm stehen wird. Im Sommer ist dann alles auf die Heim-EM in Berlin ausgerichtet, wo schon bei der Bestätigung der aktuellen Bestleistung eine gute Platzierung in Reichweite ist.

Video: <link video:17023>Sara Gambetta: Über Erfurt nach London
Video-Interview: <link video:17173>Sara Gambetta: "Der Titel ist auf jeden Fall mehr wert"
Video-Historie aus Ratingen 2010: <link video:2553>Sara Gambetta: "Damit habe ich nie gerrechnet"
Video-Historie aus Ratingen 2010:
<link video:2910>Sara Gambetta - Neuer Stern am Mehrkampfhimmel

Das sagt Bundestrainer Sven Lang:

Sara hat sich innerhalb eines Jahres um mehr als einen halben Meter verbessert. Das ist eine Marke. Sie hat den Anschluss an die erweiterte Spitze hergestellt. Sie hat sich in der Arbeit mit der linken Seite, also dem Block, verbessert. Dadurch kann eine andere Dynamik auf die Kugel wirken. Die Technik ist aber immer noch Ansatzpunkt Nummer eins. Vom Mehrkampf bringt sie gute Zubringerwerte mit, aber die Kraft kann noch weiterentwickelt werden. Sara ist eine umgängliche und aufgeschlossene Athletin, die auch Lockerheit mitbringt. Leider ist ihr diese bei der WM etwas abhandengekommen. Um sich an diese Konkurrenzsituation zu gewöhnen wollen wir versuchen, Sara, was Starts bei internationalen Meetings angeht, nach ihrer Rückkehr an Christina Schwanitz anzubinden. Es gilt, das Niveau von 18einhalb Metern zu stabilisieren und auszubauen. Damit kann Sara bei der EM eine gute Rolle im Endkampf spielen. In den nächsten Jahren soll dann der Schritt über die 19 Meter gemacht werden.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024