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Sarah Schmidt - Über Washington nach Amsterdam?

Die deutschen 800-Meter-Läuferinnen sorgen diese Saison für Wirbelwind. Fabienne Kohlmann und Christina Hering sind zum ersten Mal unter der magischen Zwei-Minuten-Marke geblieben. Und: Dahinter nähert sich U20-Athletin Sarah Schmidt mit 2:01,44 Minuten langsam der Schallmauer. Eine EM-Teilnahme in Amsterdam im ersten Aktivenjahr – nicht unrealistisch.
Pamela Ruprecht

Realismus und Zielstrebigkeit zählt Sarah Schmidt (LAZ Mönchengladbach) zu ihren Stärken, die sie so erfolgreich über die zwei Runden tragen. In Jena lief die 18-Jährige nach der abgefallenen Anspannung der U20-EM in Eskilstuna (Schweden) im Finale der Jugend-DM von der Spitze weg zu einer sehr starken Zeit von 2:01,44 Minuten. Der Abstand zu Verfolgerin Mareen Kalis (LC Paderborn; 2:09,14 min) wurde immer größer, am Ende des Rennens waren es mehr als 50 Meter.

„Zwischendrin habe ich mich schon gefreut, als ich gesehen habe, wie schnell die Zwischenzeiten sind“, sagte die U20-Vize-Europameisterin. Sie wollte das Tempo von Anfang an hochhalten und spürte während des Laufs, dass sie auf Bestzeit-Kurs lag. Bis 600 Meter fühlte sie sich gut. „Die letzten 200 Meter waren alleine schwierig.“ Aber als sie auf der Zielgeraden 1:57 Minuten auf der Uhr leuchten sah, dachte Sarah Schmidt: „Jetzt nochmal alles geben.“

Schnelle Vorbilder

Seit der Jahrtausend-Wende hat keine deutsche U20-Athletin eine ähnlich schnelle Zeit angeboten. Sarah Schmidt kann das kaum glauben. Schon ihre Trainingszeiten vor und nach der U20-EM hätten angedeutet, dass sie noch schneller sein kann als in Osterode, erklärt sie. Dort war ihr Mitte Juni eine Steigerung auf 2:02,19 Minuten gelungen. Ende August ging dann noch mehr. „Nachdem ich in Nürnberg die 400 Meter so gut gelaufen bin, wusste ich schon, dass ich noch fit bin.“ Auf flotte 53,19 Sekunden hatte sich Sarah Schmidt bei der DM der Aktiven im Grundig-Stadion gesteigert.

Es war auch ein Schauplatz für die DLV-Mittelstrecklerinnen: Christina Hering (LG Stadtwerke München; 1:59,54 min) und Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt/Gambach/Lohr; PB 1:58,37 min) blieben im 800-Meter-Finale der Deutschen Meisterschaften unter zwei Minuten, was Sarah Schmidt nicht entging: „Das zeigt mir, dass ich davon nicht mehr so weit weg bin. Eineinhalb Sekunden sind zwar schon noch ein Stück, aber es ist nicht unmöglich. Das motiviert, die nächsten Jahre dort mitlaufen zu können.“ Nach ihrem Leistungssprung sieht auch sie die Zwei-Minuten-Marke näherkommen.

Trainingspensum erhöht

Mit ihrer Zeit aus Jena hat sich die U20-WM-Halbfinalistin von 2014 auf Position fünf der Welt vorgeschoben, in Europa war nur Islands Lauftalent Aníta Hinriksdóttir (2:01,15 min), die in Eskilstuna hinter Sarah Schmidt Bronze holte, knapp schneller unterwegs, ebenfalls am vergangenen Wochenende.

2015 hat die Nachwuchsathletin ihr Trainingspensum im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Statt fünf bis sechsmal schnürt sie nun sechs bis siebenmal die Laufschuhe. Die Mischung aus Langsprint und Ausdauer macht Sarah Schmidt Spaß. „Wenn man das harte Training geschafft hat, freut man sich, dass man es durchgezogen hat.“

Sie trainiert abwechselnd in Mönchengladbach bei Johannes Gathen oder macht Tempowechsel- und Dauerläufe meist alleine an ihrem Wohnort, um sich die halbstündige Fahrtzeit zu sparen. „Deswegen kann ich vielleicht auch gut alleine laufen“, sieht sie den Vorteil für eine unabhängige Renngestaltung wie in Jena.

Letztes Jugendjahr

Ein schöner Abschluss für Sarah Schmidt im Ernst-Abbe-Stadion: „Das war eine super Saison.“ Sie hat ihre erste internationale Medaille gewonne. Und sie ist in jedem 800-Meter-Lauf 2015 unter ihrer alten Bestzeit aus 2014 geblieben (2:05,00 min). Nach ihrem letzten Jugendjahr ist die Abiturientin bestens gerüstet für das erste Jahr bei den Frauen. Neuer Kader, neue Wettkämpfe und „alles ein bisschen größer“ - sie ist gespannt auf den nächsten Abschnitt.

Veränderungen sind geplant. Sarah Schmidt geht ein Jahr zum Studium in die USA an die Universität in Washington DC. Eine Trainingsgruppe hat sie sich schon ausgeschaut. Mit ihrem Trainer Johannes Gathen und Bundestrainer Thomas Dreißigacker bleibt sie über die Entfernung in Kontakt. Der Trainingsplan soll passen, schließlich will sie in der kommenden Sommersaison alle Wettkämpfe in Deutschland mitmachen.

Fernziel Amsterdam

Dann will sie ihre 2:01er Zeit mindestens bestätigen „Wenn ich nochmal schneller werde, kann ich vorne gut mit den beiden mitlaufen“, blickt sie auf die Frauen-Rennen voraus. Gemeint sind die WM-Teilnehmerinnen Fabienne Kohlmann und Christina Hering. Und noch ein weiteres Ziel lockt: die Europameisterschaften in Amsterdam (Niederlande). „Die Norm ist auch nicht mehr so weit weg“, weiß Sarah Schmidt. 2014 lag der DLV-Richtwert für Zürich (Schweiz) bei 2:00,50 Minuten.

Über ihre internationalen Erfahrungen im Wettkampf-Zirkus der Jugend wird die Deutsche U20-Meisterin beim Athletentalk in Köln berichten. Dort ist sie am Wochenende (8./9. August) als Gesprächsgast  zu den zweiten U16-Meisterschaften eingeladen. Ein Thema könnte der Callroom sein, wo die Sportler schon eine halbe Stunde vor den Läufen sitzen. „Da werden die Athleten wahrscheinlich auch ganz schön nervös sein“, weiß Sarah Schmidt aus eigener Erfahrung.

Seit 2012 ist sie, wenn es auf die Stadionrunde geht, in pinken Kniestrümpfen unterwegs. Als sie damals eine Bestzeit lief, behielt sie das Outfit bei. Nur im Vorlauf von Jena dachte sie, es müsse auch mal ohne Socken gehen. Anders zum Endlauf: „Da ich eh schon Muskelkater hatte, wollte ich zum Finale nichts riskieren.“ Sprich: lieber mit den farbigen Socken antreten. „Das hat gut geklappt.“ Die nächste Bestzeit war perfekt.

Mehr:

<link video:13005>Video: Sarah Schmidt läuft 2:01,44 Minuten
<link video:13062>Video-Interview: "Werde ein Jahr nach Amerika gehen"

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