Scharfe Worte von Jürgen Mallow
Deutschlands Leichtathleten waren „zahnlose Tiger“ mangels ausreichender Unterstützung: Nach der Minusbilanz des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) bei den Sommerspielen in Peking (China) haben Cheftrainer Jürgen Mallow und Vizepräsident Prof. Dr. Eike Emrich klare Worte an die Adressen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), des Bundesinnenministerium (BMI) sowie des DLV-Ehrenpräsidenten Prof. Dr. Helmut Digel gerichtet.
Jürgen Mallow nannte Verhaltensweisen von BMI und DOSB „arrogant, entwürdigend, hochnäsig und verantwortungslos“. Prof. Dr. Helmut Digel bezeichnete er wegen falscher Kritik als „Dummschwätzer“.Jürgen Mallow nannte es ein „entwürdigendes Spiel“, dass der DLV an das BMI Anträge schreiben müsse und dann ewig keine Antwort erhalte. Selbst jetzt sei noch keine Zusage über den Etat für das laufende Jahr da. Entwürdigend sei auch, dass es da einen ganzen Tag lang Gespräche über Haushaltsmittel gebe, und am Ende erfahre man dann, dass alles schon festgelegt gewesen sei. „Der DOSB geht arrogant und hochnäsig mit uns um. Die wollen Medaillen und tun dafür nichts.“
Die Mittelfrage
Obwohl die Mittel für den DLV im Jahr 2009 auf fünf Millionen Euro steigen sollen (Jürgen Mallow: „Zuvor war es deutlich drunter“), sei dies zu wenig. Mindestens das Doppelte wäre notwendig, um international konkurrenzfähig zu sein, erklärte Jürgen Mallow: „Wir brauchen vernünftige Bedingungen. Wenn BMI und DOSB uns weiter im Regen stehen lassen, wird die Diskussion um die Anerkennung der Leistung ewig weitergeführt.“ Dann gewinne man künftig mit viel Energie und Glück mal eine Medaille.
Bei Olympia 2004 waren es zwei Silbermedaillen. Die Förderung wurde 2005 um etwa 600.000 Euro reduziert. „Schwach abschneiden und deshalb schlechter gefördert werden, das war die innere Logik dieses Systems“, so Jürgen Mallow, der glaubt, Ideen zu haben, wie man zurück in die Erfolgsspur kommen könne - nur zu wenig Geld. Was möglich sei mit entsprechenden Mitteln zeigten die Briten oder die Russen mit ihren vielen hauptamtlichen Trainern.
Kritik
Der DLV habe deshalb zu wenig Erfolg gehabt, weil im Vorfeld Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch (SC Neubrandenburg) und andere Leistungsträger ausgefallen seien, und in Peking vor allem die Frankfurter Hammerwurf-Weltmeisterin Betty Heidler („Zu wenig wettkampfstabil“) versagt habe. Die Athen-Zweite Nadine Kleinert (SC Magdeburg) habe im Kugelstoßen den schlechtesten Wettkampf der Saison geliefert.
Die Kritik von Prof. Dr. Helmut Digel an zu wenig Leistungsdiagnostik und seinen Vorwurf, der DLV habe keine guten Trainer, wies Jürgen Mallow zurück: „Michael Deyhle hat Betty Heidler schließlich zur Weltmeisterin gemacht. Er (Digel, d.Red.) hat keine Ahnung, wie viel Diagnostik wir da machen.“
In Abhängigkeiten
Hinsichtlich der neu abzuschließenden Trainerverträge - alle alten laufen aus - kritisierte Prof. Dr. Eike Emrich: „Irgendwie werden wir zwischen dem 15. November und 15. Dezember erfahren, welche Mittel wir zum 1. Januar 2009 haben werden.“ Aber die künftigen Mitarbeiter müsse man Monate vorher verpflichten: „Das bringt uns in Abhängigkeiten. Es ist verantwortungslos, und wir müssen die Konsequenzen tragen.“
Prof. Dr. Eike Emrich, der von Zumutungen der Ministerialbürokratie sprach und die Position von Jürgen Mallow auch „als die meine“ bezeichnete, verglich das Verhältnis zwischen Bundesverwaltungsamt, Bundesinnenministerium und dem Bereich Leistungsssport im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) deshalb mit einem „Bermudadreieck“, in dem vieles auf der Strecke bleibe.
DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop bestätigte, er habe am Samstag in Peking Gespräche mit BMI-Vertretern über das Abschneiden des DLV bei Olympia, die Probleme der Leichtathletik und eine optimale Vorbereitung auf die WM 2009 in Berlin geführt. Aber über Inhalte könne er nichts sagen.
Quelle: Sport-Informations-Dienst
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