Schirrmeister so schnell und gelassen wie nie
Es ist die beste Saison seines bisherigen Lebens. Silvio Schirrmeister (LAC Erdgas Chemnitz) läuft in diesem Jahr mit einer bislang von ihm noch nicht gezeigten Beständigkeit unter 50 Sekunden über die 400 Meter Hürden und steigerte seine Bestzeit auf 49,15 Sekunden. Entsprechend selbstbewusst steigt er am Mittwoch in den Flieger, der ihn zu den Weltmeisterschaften nach Moskau (Russland) bringt. Er weiß: „Eine Zeit unter 49 Sekunden steckt in mir.“
Acht Wettkämpfe hat Silvio Schirrmeister in diesem Jahr über die 400 Meter Hürden abgeliefert. Fünf davon waren unter 50 Sekunden, so auch die WM-Generalprobe am vergangenen Freitag in Weinheim. 49,56 Sekunden lief er da, die viertschnellste Zeit seiner Karriere. „Darauf kann ich in Moskau aufbauen“, sagt der 24-Jährige.Er ist stabiler geworden in diesem Jahr, macht sich weniger Sorgen. Vorbei die Zeiten, wo sein Körper dem Druck nicht gewachsen war und wie bei den Deutschen Meisterschaften 2011 der Kreislauf komplett streikte. „Ich habe daraus viel gelernt“, sagt Schirrmeister heute. Der Schlüssel: sich im Kopf locker machen.
Job und Sport in Balance
„Ich will immer noch erfolgreich sein, aber nicht mehr mit aller Macht“, sagt Schirrmeister. Die neue Gelassenheit zieht er auch aus seinem Beruf. 30 Stunden in der Woche arbeitet der Deutsche Meister als Kundenberater in der Sparkasse in Dresden. „Das ist mein Ausgleich, wenn es im Training mal nicht so gut läuft.“ Die vermeintliche Doppelbelastung, mit Sport und Sparkasse kommt er auf eine 60-Stunden-Woche, wertet Silvio Schirrmeister nicht als solche. „Für meinen Kopf ist das eher eine gesunde Balance.“
Eine Balance, nach der sich der Kopf gesehnt hat, denn hinter Schirrmeister liegen keine einfachen Jahre. 2010 bremste ihn eine Adduktorenzerrung aus, 2011 brach sein Kreislauf bei der DM zusammen („Ich hab‘ mir zu viel Druck gemacht“), 2012 erwischte ihn vor der DM eine fiese Erkältung, so dass er für seine Olympia-Nominierung einen Leistungsnachweis bringen musste. Dabei stürzte er aber an der achten Hürde so schwer, dass er sich das Knie stark aufschürfte und in London mit 50,21 Sekunden im Vorlauf nicht seine eigentliche Leistungsfähigkeit abrufen konnte. „Da war der Frust extrem groß.“
Warten auf den positiven Ausrutscher
Die Narbe an seinem Knie, sie wird ihn immer an diese schwere Zeit erinnern. „Immer wenn ich sie ansehe, weiß ich, so gut es gerade läuft, es kann ganz schnell wieder in die andere Richtung gehen.“ Im Moment zeigt die Entwicklung nach oben. In diesem Jahr wurde er das erste Mal in seinem Leben Deutscher Meister, kam verletzungsfrei durch die Saison und schlug in Gateshead (Großbritannien) bei seinem Sieg bei der Team-EM den amtierenden Weltmeister Dai Greene (Großbritannien).
Er sei in der bisher besten Form seines Lebens, aber das Ende sei noch nicht erreicht. „Ich bin stabil im tiefen 49er Bereich“, sagt Schirrmeister. „Der Ausrutscher nach unten, auf den warte ich.“ In Moskau wünscht er sich diesen Ausrutscher.
Denn neben dem mentalen Bereich hat er in diesem Jahr auch sportlich einen Schritt nach vorne gemacht. „Ich kann meinen Rhythmus über den Hürden inzwischen gut halten. Wenn ich bei der WM ruhig bleibe und meine Technik wie gewohnt abrufe, dann glaube ich, dass eine neue Bestzeit möglich ist.“ Eine 48er Zeit soll es in Moskau werden. „Und damit gehöre ich ins Halbfinale.“