Schock vor 25 Jahren: Der Fall Birgit Dressel
Es war ein riesiger Schock für den deutschen Sport: Umgeben von hilflosen Ärzten starb am 10. April 1987 kurz vor ihrem 27. Geburtstag die Weltklasse-Leichtathletin Birgit Dressel in der Mainzer Uniklinik. Als Todesursache wurde im gerichtsmedizinischen Gutachten Multiorganversagen nach möglicherweise toxisch-allergischem Kreislaufschocks festgestellt.
Der Heidelberger Zell- und Molekular-Biologe Werner Franke sieht allerdings folgende Fakten: "Das zum Tod führende Ereignis im Körper von Birgit Dressel wurde eindeutig durch eine Folge des Anabolika-Dopings ausgelöst."Der für seine Verdienste im Anti-Doping-Kampf mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Professor glaubt, ein Fall wie der Tod der Siebenkämpferin, 1986 Vierte der Europameisterschaften, könne sich auch heute noch wiederholen.
Auch Prof. Wilfried Kindermann (Saabrücken), bis 2008 Chef-Mediziner des deutschen Olympiateams und der Fußball-Nationalmannschaft, räumte ein: "Natürlich ist der Sport vor solchen Fällen nie gefeit." Für ihn ist Frankes Version, Birgit Dressels Tod stehe in Verbindung mit Doping, nachvollziehbar, aber der kausale Zusammenhang sei aus seiner Sicht nicht zwingend.
Typische Verletzung
Für Werner Franke ist im Fall von Birgit Dressel klar: "Das Auslöse-Ereignis war ein äußerst schmerzhafter Hartspann in der Rückenmuskulatur bzw. in der Hüftregion, der bezeichnenderweise beim Kugelstoßtraining aufgetreten war." Dies sei als typische Verletzung im Zuge von Anabolika-Doping bekannt.
"Bei Birgit Dressel kam dann aber tragisch-ironisch hinzu, dass die behandelnden Ärzte offenbar zu lange keine Kenntnis von dieser sportmedizinischen Trivialität und der Einnahme sehr vieler Medikamente, darunter mindestens drei Anabolika-Präparate, hatten und so nicht angemessen behandeln konnten."
Über 100 Medikamente nachgewiesen
Schließlich sei die Nierenschädigung durch die Behandlungen so groß gewesen, dass der zuständige Mainzer Pathologe Prof. W. Thoenes, einer der weltweit führenden Nierenexperten, Werner Franke Monate später gestand, er habe noch nie eine solche Schockniere gesehen.
Die Obduktion ergab Spuren von 101 verschiedenen Medikamenten im Körper der Athletin. Den behandelnden und verabreichenden Ärzten wurde keine Schuld zugesprochen. Die Staatsanwaltschaft gab am 31. Juli 1987 bekannt: "Das Ermittlungsverfahren wird eingestellt."
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)