Schulsportmisere und kindgerechte Antworten
Im Jahr des Schulsports standen am vergangenen Wochenende im Güstrower Sport- und Bildungszentrum die "Kinder in der Leichtathletik" im Mittelpunkt. Veranstaltungsleiter Rolf Karl, Schulsportbeauftragter in Mecklenburg-Vorpommern, gewann für die zentrale Aus- und Fortbildungsinitiative für Lehrer und Trainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) in Kooperation mit dem gastgebenden Landesverband ein handverlesenes Referententeam.
Im Dreierrhythmus attraktive Wurfgeräte beschleunigen (Foto: Fittko)
Peter Hirtz, Professor für Bewegungs- und Trainingswissenschaften und zugleich Präsident des Landesverbandes, stellte in seinem Eingangsreferat vor siebzig Zuhörern die Situation im Schulsportsektor am Beispiel seines Bundeslandes vor. Wissenschaftlich ist der Nachweis des Rückgangs der Leistungsfähigkeit im Lauf-, Sprung- und Wurfbereich für den Schulsport erbracht. Das Zahlenmaterial aus DDR-Zeiten und aktuellen Studien Mitte der Neunziger Jahre spricht Bände. Zu verzeichnen ist ein drastischer Leistungsabfall in allen motorischen Bereichen. Anhand des leichtathletischen Schlagballwurfes der zwölfjährigen Jungen wird ein massiver Leistungsrückgang offen gelegt: Während noch im Jahr 1982 die durchschnittliche Wurfweite mit 34 Meter ermittelt wurde, verringerte sich die durchschnittliche Wurfdistanz 1996 um sieben auf 27 Meter. Alarmierend ist auch der Vergleich beim 60-Meter-Lauf. Hier verschlechterten sich die Durchschnittswerte dieser Altersgruppe von 10,4 auf 11,3 Sekunden. Ähnlich zeigen sich die Veränderungen auch bei den gleichaltrigen Mädchen (10,6/11,5 Sekunden).
Motivationspotenziale nutzen
In der heutigen Gesellschaft, die geprägt ist durch eingeengte Bewegungsräume, reduzierte Bewegungsmöglichkeiten und verkürzte Bewegungszeiten, meldete sich Fred Eberle, DLV-Präsidiumsbeauftragter für Kinderleichtathletik in seinem Plädoyer zu Wort. Eberle griff die Analyse von Hirtz auf, um zugleich zu bestätigen, dass es "bereits ein umfangreiches und differenziertes Wissen um die Trainingslehre und seiner Mittel in Theorie und Praxis" gebe, welches zudem nahezu erschöpft sei. Nunmehr sei ein ausgeprägtes Maß an Motivationsfähigkeit gefragt: "Wir entwickeln und erhöhen den Motivationsgrad von Bewegungen – und damit von altersgemäßen Leistungsvoraussetzungen - vor allem durch herausfordernde, vielseitige und abwechslungsreiche Reizsetzungen", so der Pädagoge aus Schwäbisch-Gmünd.
"Die physischen Möglichkeiten zur Leistungssteigerung sind nahezu erschöpft. Leistungen zu optimieren, heißt auch, langfristig im pädagogisch-sozialen Bereich aktiv zu werden. In der Berücksichtigung der Psyche des Kindseins stecken vielfältige Reserven, die wir noch gar nicht alle kennen", ist Eberle überzeugt.
Kinder und Lehrer kamen ins Schwitzen
Kreativität und Kommunikationsfähigkeit war im ersten Praxisteil gefragt, welchen Hartmut Kolb (Landesinstitut für Schulsport Schwerin) gestaltete. Mit Zweit- bis Viertklässlern des LAV Mühl Rosin zeigte er bewährte Spiel- und Übungsformen "Vom Schnell-Laufen zum Sprint" auf.
Hautnah erlebten die Lehrgangsteilnehmer, inwiefern sorgfältig ausgewählte Gerätearrangements Reizintensität und –umfang kindgemäß erhöhen. Auf dem Weg "Vom Weit springen zum (Schritt-)Weitsprung" stellte das DLV-Referententeam David Deister und Fred Eberle die Rolle der Rhythmusfähigkeit heraus.
Zum Schwitzen kamen schließlich auch die Erwachsenen. Vermittlungsmethoden zum Geraden Wurf wurden nachvollzogen und das Ziel, einen effektiven Dreierrhythmus zu entwickeln – und zugleich motiviert das Wurfgerät zu beschleunigen - verwirklicht.
Das Problem der Notengebung in der Schule
Auch die Problematik um die Bewertung und Notengebung im Unterricht wurde beleuchtet. Kolb zeigte auf, dass etwaige Punktelisten – wie schon ehemals im DDR-Schulsport - lediglich Richtwerte darstellen. Lehrkräfte sollten sich klarmachen, dass sie gerade im Sport als Pädagoge wirken. Und dies mit abweichenden Entscheidungsspielräumen zur Notenfindung.
Eine Bilanz dieses Tages lautet: Die "Leichtathletik in Schule und Verein" wieder voran zu bringen, verwirklicht sich nicht von selbst. Es bedarf Initiativen, Anstrengungen und Beharrungsvermögen von vielen Partnern.
Die Ausbildung von Güstrow ist so zunächst eine Initialzündung von kompetenten Partnern. Nun gilt es, die aufgezeigten Möglichkeiten in den Unterricht und die Übungsstunde zu transportieren und dafür Anschluss-Ausbildungen im Landesverband zu organisieren.
Konsequent geht der DLV mit seinen Landesverbänden diese Wege: Folgen doch innerhalb der nächsten zwei Monate weitere "Ausbildungslehrgänge für die Ausbilder" gemeinsam mit den Regional-Verbänden aus Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
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