Sebastian Bayer - Der Meisterschaftsspringer
Es gibt sie einfach, diese Siegertypen. Sie haben den „Killerinstinkt“. Wenn es ganz besonders gilt, sind sie da. Der Leverkusener Weitspringer Sebastian Bayer ist so einer. In diesem Jahr sprang er als Deutscher Meister zu den Olympischen Spielen, vor zwei Jahren gelang ihm der selbe Coup als Wegbrecher zur EM. Bei den Jugendlichen hatte er zuvor auch schon vier nationale Titel abgeräumt.
Und der 22-Jährige gibt zu: „Man muss nur in meine Vita gucken: Es ist momentan eine sehr weiße Weste. Ich kann es immer ganz gut abrufen.“ Nur einmal musste er sich bei Deutschen Meisterschaften geschlagen geben, es war 2007 in der Leipziger Halle, dort war der damalige Vereinskollege Nils Winter besser, aber auch nur um drei Zentimeter.Es gibt auch so etwas wie einen Schlüssel für den Erfolg. Obwohl sich Sebastian Bayer nicht als Springer mit Showtalent sieht, so treibt ihn eine größere Kulisse doch ungemein an. „Ich versuche immer, die Zuschauer zu animieren. Wenn das Publikum klatscht und alles auf einen fokussiert ist, dann ist das schon sehr, sehr schön. Das beflügelt einen.“ Und wehe Sebastian Bayer wachsen solche Flügel, dann ist der erste Platz zum Greifen nah und auch die begehrte Acht-Meter-Marke.
In diesem Jahr konnte Sebastian Bayer zum ersten Mal diese Schallmauer durchbrechen. Angefangen hatte es am 7. Juni in Bad Langensalza mit 8,12 Metern („Da ist der Knoten geplatzt“), es folgte zwei Wochen später in Rheinau-Freistett ein Satz auf 8,04 Meter. 8,15 Meter, eben gesprungen bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg, stehen für ihn inzwischen als weitere Steigerung und neue Bestleistung zu Buche.
Acht Meter waren nichts wert
Doch daran, in diesem Sommer zum ersten Mal über acht Meter hinauszufliegen, hatte Sebastian Bayer nicht primär gedacht. Er wollte immer schon mehr. „Auch wenn es blöd klingt, aber diese Acht-Meter-Marke hat mir gar nicht soviel bedeutet. Acht Meter waren in diesem Jahr nichts, es ging nur um die Olympianorm von zweimal 8,05 oder 8,20 Meter.“
So nahm er auch die alles entscheidenden Titelkämpfe an der Noris in Angriff. „Von den Trainingsleistungen und den Wettkämpfen davor war ich überzeugt, dass ich 8,20 Meter springen kann. Aber es gehört doch einiges dazu, es muss einfach alles passen.“ Es passte eben nur fast und so konnte mangels der A-Norm von 8,20 Metern nur ein deutscher Weitspringer jetzt nach Peking zu den Olympischen Spielen aufbrechen, es war Sebastian Bayer.
Der wesentlich erfahrenere Nils Winter, der vorher auch seine Olympia-Tauglichkeit nachweisen konnte, hatte das Nachsehen. Es war eine harte und bittere Entscheidung gegen den 31-Jährigen, aber zumindest des Mitgefühls von Sebastian Bayer konnte er sich sicher sein: „Es tut mir für Nils tierisch leid. Es war schade, dass wir nicht beide über 8,20 Meter springen konnten. Wir haben uns immer schon gut verstanden, waren schon gemeinsam im Trainingslager und haben auch schon in Leverkusen zusammen unter Bernd Knut trainiert.“
Intermezzo in Neubrandenburg
Beim TSV Bayer 04 Leverkusen ist Sebastian Bayer seit dem Herbst 2004. Davor war er für ein einjähriges sportliches Intermezzo beim SC Neubrandenburg beheimatet, brach aber seine Zelte am Sportgymnasium wieder ab, weil sein Coach nicht wie ursprünglich geplant auch dorthin wechseln konnte. Trainiert wird der 1,89 Meter große Athlet, der dann beim Bayer-Werk eine Lehre zum Bürokaufmann in Angriff nahm und inzwischen der Sportfördergruppe der Bundeswehr angehört, von Joachim Schulz.
Dass die Rahmenbedingungen stimmen müssen und dass sportlicher Erfolg kein Zufall ist, weiß er ganz genau. „Um 8,20 Meter zu springen, muss man den Sport als Profi betreiben. Wenn ich nicht den Verein und die Bundeswehr hätte, würde es schon ganz schlecht aussehen“, skizziert er die wirtschaftliche Ausgangsposition eines Weitspringers der deutschen Spitzenklasse.
Seine Wurzeln finden sich im Zehnkampf, dort tobte er sich bis zur B-Jugend aus. „Aber der Stabhochsprung lag mir gar nicht. Wenn ich an dem Stab hänge, dann passiert nichts. Es hat mich immer nur nach unten gezogen“, berichtet Sebastian Bayer von Drei-Meter-Höhen, „der Rest war eigentlich ganz gut.“ So gut, dass er dann den Weg zum Weitsprung ging, denn die Schnelligkeit und die Sprungkraft waren zweifelsfrei vorhanden.
Verletzungen überstanden
Das stellte er mit seinen Titelgewinnen und Weiten immer wieder und immer mehr unter Beweis, auch wenn ihn schwere Verletzungen 2005 und 2007 aus der Bahn zu werfen drohten. Aber auch diese konnte er meistern und hinter sich lassen. „Ich bin froh, dass es bei mir schon wieder so gut läuft“, stellt Sebastian Bayer jetzt zufrieden fest.
Gut gelaufen ist es in diesem Sommer auch für seine Freundin, die Bremer Hürdensprinterin Carolin Nytra, die sich fast kometenhaft schon früh in der Saison in den Vordergrund schieben konnte. „Anfangs hatte es mich sehr unter Druck gesetzt, dass Caro das Olympiaticket schon hatte und so in den Fokus gerutscht ist. Das war für mich nicht einfach. Vor der Saison stand für Caro immer fest, dass ich fahre und sie nicht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich so verbessert und sie genauso wenig.“
Also tat Sebastian Bayer einfach nur das, was nötig war, um auch sein Olympiaticket zu buchen. Jetzt kann er vor Ort in China seiner Liebsten die Daumen drücken und ihr zur Seite stehen. Er weiß aber: „Wenn Caro läuft, bin ich immer viel nervöser als bei meinem eigenen Wettkampf, da fiebere ich ganz anders mit.“ Das kann mitunter anstrengend sein.
Mit Freundin Carolin Nytra im Vogelnest?
Vielleicht sogar anstrengender, als seine eigenen Ziele zu realisieren. Am Samstagabend (16. August) geht es im Pekinger Nationalstadion darum, die Weitsprung-Qualifikation zu überstehen. „Ich bin kein Hellseher, aber ich denke und hoffe, dass 8,15 Meter für das Finale reichen.“ Und selbst wenn es mit der Runde der letzten Zwölf nicht klappen sollte, steht für Sebastian Bayer von vornherein schon fest: „Olympia ist der absolute Traum, ich will dort meine Erfahrungen sammeln.“
Kann er seine Hürde nehmen, seine Qualitäten auf großer Bühne einmal mehr nachweisen und Carolin Nytra ebenfalls in ihrem Hürdenwald in das Halbfinale einziehen, dann werden sich, wie sollte es anders sein, beide im „Vogelnest“ bei den Höhepunkten ihrer bisherigen Karriere nahe sein. Beide Wettkämpfe finden am Montag (18. August) fest gleichzeitig statt. Ob da noch etwas schief gehen kann? Was für ein besseres Omen sollte es noch geben? Bei den Deutschen Meisterschaften war es nämlich praktisch genauso!
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