Sebastian Bayer - „Rekord nicht abgeschrieben“
Elf Punkte hat Sebastian Bayer (Hamburger SV) am Sonntag zum Sieg des deutschen Teams bei „Berlin fliegt!“ beigetragen. Damit war er der beste Weitspringer. Im Interview mit leichtathletik.de verrät der Olympia-Fünfte, wie er die Hitzeschlacht am Brandenburger Tor bewältigt hat, was hinter seinen konstanten Leistungen steckt und welche Ziele er noch hat.
Sebastian Bayer, das DLV-Team hat bei „Berlin fliegt!“ wieder gewonnen, wie haben Sie das Event erlebt?Sebastian Bayer:
Es war ein tolles Erlebnis. Ich war der einzige im deutschen Team, der zum zweiten Mal dabei war. Es hat schon im letzten Jahr viel Spaß gemacht, dieses Mal wieder. Es ist etwas völlig anderes, diesen Wettkampf zu machen als einen im Stadion. Es ist ein ganz anderer Druck: Normalerweise kommt der von einem selbst. Hier geht es ums Team. Als ich von meinem ersten ungültigen Sprung zurückgekommen bin, habe ich mich nicht gut gefühlt.
Dann wurde es immer besser...
Sebastian Bayer:
Ich habe von meiner Erfahrung profitiert. Ich war in der Lage, den Versuch abzuhaken, den Kopf freizubekommen und von Sprung zu Sprung zu denken. Allerdings steht man am Anlauf und denkt nicht: Jetzt springe ich weit. Sondern: Jetzt mache ich einen Gültigen. Das ist etwas völlig anderes als bei normalen Wettkämpfen.
Die Idee ist, mit diesem Event neue Fans für die Leichtathletik zu gewinnen. Halten Sie das für einen guten Ansatz?
Sebastian Bayer:
Absolut, dieses Jahr ist auch der richtige Zeitpunkt im Saisonverlauf. Es war nach dem Höhepunkt, im letzten Jahr war es davor. Das fand ich suboptimal. Grundsätzlich ist diese Werbung für die Leichtathletik perfekt. Gerade hier am Brandenburger Tor. Es ist das Wahrzeichen in Deutschland. Es gibt wenige Plätze, die so viel Historie haben. Für mich war es eine Ehre, dabei sein zu dürfen.
Es war ziemlich heiß...
Sebastian Bayer:
Stimmt. Die Hitze war nicht einfach zu bewältigen. Die Betreuer haben aber für Abhilfe gesorgt: Sie haben eine Eistruhe mit Handtüchern bereitgestellt. So konnten wir uns zwischen den Runden um zwei, drei Grad abkühlen.
Mitte letzter Woche sind Sie von Olympia zurückgekehrt. Dort haben Sie mit Platz fünf eine Medaille knapp verpasst, wie haben Sie den Wettkampf verarbeitet?
Sebastian Bayer:
Leichtathletik ist die Kernsportart bei Olympia, mit Abstand mit den meisten Nationen und der absolut größten Konkurrenz. Da ist ein fünfter Platz sehr viel wert. Deshalb kann ich gut damit leben. Ich werde oft auf die zwei Zentimeter angesprochen, die zu Bronze gefehlt haben. Die tun schon etwas weh, aber so ist der Sport. Beim nächsten Mal muss ich eben diese zwei Zentimeter besser sein. Das Glück hat gefehlt. Vielleicht habe ich das nächstes Jahr oder später.
Mit Europameistertiteln drinnen und draußen, Platz acht bei der WM und Platz fünf bei Olympia waren Sie in den letzten beiden Jahren sehr erfolgreich. Waren es Ihre bisher besten Jahre?
Sebastian Bayer:
Definitiv. Ich habe den Trainer gewechselt. Das hat mir gut getan. Ich kann mit Uwe Florczak sehr gut zusammenarbeiten. Wir ergänzen uns perfekt. Das ist ein Grund, warum dieses Jahr so erfolgreich war. In Europa habe ich alles gewonnen, was geht.
Sie sind früher häufig von Verletzungen zurückgeworfen worden, haben Sie das auch besser in den Griff bekommen?
Sebastian Bayer:
Es gibt so gut wie keinen Athleten, der keine Wehwehchen hat. Dass alles super ist, kann ich nicht sagen. Mein Fuß ist eben vorgeschädigt. Da läuft nicht immer alles rund, ich muss in der Vorbereitung aufpassen. Ich stelle mich in keinem Wettkampf hin und sage: Ich merke nichts. Aber damit habe ich mich abgefunden. Die Schmerzen sind so, dass ich alles zu hundert Prozent unter Kontrolle habe.
Seit 2005 haben Sie Probleme mit ihrem linken Fuß, nachdem Sie sich bei der U20-EM den Mittelfuß gebrochen hatten. Wie hat das Ihre bisherige Karriere beeinflusst?
Sebastian Bayer:
Es spielt bei mir eine Rolle: 2009 war es wieder der linke Fuß, der mich bei der WM in Berlin daran gehindert hat, weiter zu springen. Mit meinem neuen Trainer Uwe Florczak liegt das Hauptaugenmerk darauf, verletzungsfrei Sport zu machen. Wir haben auf vier, fünf Prozent im Training verzichtet, um konkurrenzfähig zu sein, haben uns aber gesagt: Lieber zehn Zentimeter in der Bestleistung liegenlassen, aber dafür immer präsent sein. Ich denke, dass ich genug Talent habe, auch so mitzuhalten.
Sind Ihre Bestleistungen von 8,71 Metern in der Halle und 8,49 Metern draußen damit außer Reichweite?
Sebastian Bayer:
In Helsinki bei der EM hat man gesehen, dass Sprünge Richtung 8,50 Meter möglich sind. So ein Sprung war nur um Millimeter ungültig. Es muss einiges zusammenkommen. Ich kann mich gut auf einen Höhepunkt vorbereiten. Ich werde nicht bei irgendeinem Wettkampf Richtung deutscher Rekord springen. Abgeschrieben habe ich ihn noch nicht. Aber: Wenn ich in meiner Karriere den deutschen Rekord nicht gesprungen sein sollte, werde ich trotzdem einer der erfolgreichsten deutschen Weitspringer gewesen sein.
Ist das nächste Ziel eine internationale Medaille auf Weltniveau?
Sebastian Bayer:
Ja, bei Olympia war es ja schon ganz knapp. Aber auch andere Medaillen sind schön, jede ist einzigartig, auch bei Deutschen Meisterschaften. Ich bin schon jetzt auf jede Medaille stolz, die ich gewonnen habe.
Welche Wettkämpfe stehen in diesem Jahr noch an?
Sebastian Bayer:
Ich werde kommenden Sonntag in Birmingham starten, in der Diamond League. Dann geht es zurück nach Berlin zum ISTAF. Brüssel steht auf dem Plan, aber ich muss schauen, wie es mir dann geht. Es war schon jetzt eine lange und anstrengende Saison.
Wie geht es Ihrer Lebensgefährtin Carolin Nytra, für die es bei Olympia nicht gut geklappt hat?
Sebastian Bayer:
Es ist sehr schade, wie es für sie gelaufen ist. Sie wäre eine Kandidatin fürs Finale gewesen, aber der Körper hat gestreikt. Ich kenne das leider. Das muss besprochen und einige Dinge umgestellt werden. Caro ist die Sportlerin, vor der ich am meisten Respekt habe. Denn ich weiß, was täglich los war. Diese Energie und diesen Kampfgeist für den Sport bringen wenige auf.
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