Sebastian Bürklein gab seiner Frau einen Korb
Wie, bitte schön, sollte Sebastian Bürklein seiner besseren Hälfte klar machen, dass er das Doppelzimmer lieber mit seinem Klubkollegen Alexander Lubina teilen würde? Gar nicht so einfach zu lösen, dieses Problem, das ihn seit einigen Tagen beschäftigte. "Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Herzallerliebste mich begleitet hätte", meinte der Marathonspezialist aus Wattenscheid, der am Sonntag in Frankfurt die deutsche Jahresbestzeit (2:14:56 h) von Carsten Schütz attackieren will, "doch ich habe leider nur ein Zwei-Bett-Zimmer."
Ehefrau Anna muss an diesem Wochenende auf ihren Sebastian verzichten. (Foto: Schröder)
Er musste wählen: zwischen Anna, seiner Frau, die er am 21. August auf der griechischen Kykladen-Insel Santorini geheiratet hat, oder Alex, seinem Freund und Trainingspartner. Sebastian Bürklein, frisch vermählt, gab seiner Gattin einen Korb und entschied sich für Alexander Lubina, der ihn in "Mainhattan" auf der ersten Hälfte als Tempomacher begleiten soll.Wer nun glauben mag, dass Sebastian Bürklein, der Zahnmediziner, seiner Frau den Nerv gezogen hat, irrt sich gewaltig. "Ach was", meinte der Ehemann mit keckem Grinsen, "unsere Beziehung ist so gefestigt, dass sie sich da keine großen Sorgen machen muss." Anna hat ihm die Entscheidung auch nicht übel genommen und ihm noch gestern Abend ein feines Menü auf den Tisch gezaubert.
Frankfurt ist super-wichtig
Der 24. Oktober ist alljährlich ein ganz besonderer Tag bei den Bürkleins. Dann hat er Geburtstag, und sie war wie immer seine erste Gratulantin. "Ich bin 30 geworden", erzählte der "Altersjubilar", dem aber nicht nach Feiern zumute war, "ich hab das nicht an die große Glocke gehängt und wollte so kurz vorm Marathon meine Ruhe haben." Drum hatte er das Handy ausgeschaltet und das Telefon daheim ausgestöpselt. "Der Lauf in Frankfurt ist mir nämlich super-wichtig."
Die Konkurrenz muss sich warm anziehen. Denn wie heißt es so schön: "Trau keinem über dreißig!" Sebastian Bürklein, der in Münster als Assistenzarzt an der Poliklinik für Zahnerhaltung einen Full-Time- Job ("Von acht bis 17 Uhr") ausübt, hat seine Hausaufgaben gemacht. "Na klar habe ich gut trainiert", verkündete er voller Optimismus, "der Marathon kann kommen."
Das ideale Rennen in Essen
Was ihn allerdings ein wenig stört, sind die kühlen Temperaturen. "Ein paar Grad wärmer könnte es schon sein." Väterchen Frost hat bereits Einzug gehalten im Münsterland. "Hier hat es sogar geschneit", sagte er und schüttelte sich, "dabei bin ich eigentlich ein Schön-Wetter-Läufer." Doch in Frankfurt wird es ziemlich schattig sein, was ihm, einem schmalen Handtuch von gerade mal 64 Kilo bei 1,86 Meter Länge, nicht behagt. "Dann friere ich immer sehr schnell."
Sebastian Bürklein, der nichts dem Zufall überlässt, hat sich schon schlau gefragt: "Am Sonntag wird es maximal zwölf Grad warm sein." Da herrschten in Essen weit bessere Bedingungen. Dort hat er vor zwei Wochen für Carsten Schütz, seinen Vereinskameraden vom TV Watenscheid 01, den Hasen gespielt. " Das wäre für mich ein ideales Rennen gewesen." Warum ist er nicht durchgelaufen? "Es war Ehrensache, dass ich für ihn Tempo machen würde", antwortete er, "doch im Nachhinein wäre es vielleicht besser gewesen, wenn ich nach 30 Kilometern nicht ausgestiegen wäre."
Gute Erinnerungen an die Strecke
Ein wenig Bedauern mag er nicht verleugnen. "Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich künftig in solchen Situationen flexibler reagieren werde", bemerkte Sebastian Bürklein, "denn man hat nur wenig Möglichkeiten, einen Marathon zu laufen: maximal drei pro Jahr." Mit "Schützi" hatte er in den Wochen zuvor unzählige Trainingskilometer gemeinsam zurückgelegt. "Wir hätten uns auf den letzten Kilometern gegenseitig gepusht", erzählte er weiter, um Sekunden später dieses Thema abrupt zu beenden, "das ist alles Spekulation. Schluss damit! Jetzt zählt Frankfurt, und Carstens Zeit macht mir Mut und Zuversicht, dass ich mich auch in diesem Bereich bewegen kann."
Außerdem kennt er den Kurs in Frankfurt aus dem Effeff. "Zwei Mal bin ich hier gestartet", erinnerte sich Sebastian Bürklein, "und jedes Mal hat es ganz gut geklappt." 1999 bei seinem Debüt auf der klassischen Distanz zauberte er gleich eine flotte Zeit von 2:16:16 Stunden aufs Pflaster. 2001, als Frankfurt Schauplatz der Deutschen Meisterschaften war, folgten 2:16:52 Stunden. "Damals bin ich ziemlich offensiv angegangen", schaute er zurück, "und bin dann in der Endphase noch abgefangen worden." Michael Fietz, auch einer aus der Wattenscheider Marathon-Schmiede, überholte ihn. Sebastian Bürklein blieb bloß der Vize-Titel.
Michael Wolf stärkster deutscher Konkurrent
Aller guten Dinge sind drei! Sebastian Bürklein hofft nun bei seinem dritten Start in der hessischen Metropole auf eine neue Bestzeit. Seine alte steht bei 2:15:57 Stunden, aufgestellt im Oktober 2002 in Köln. "Ich werde offensiv angehen", versprach er eine flotte erste Hälfte, "und Alex wird mir dabei helfen." Alexander Lubina ist sein Privat-Hase. Tono Kirschbaum, der Erfolgscoach aus Wattenscheid, ist auch live dabei. Ob im Begleitfahrzeug oder auf dem Rennrad, wie zuletzt in Essen, steht noch nicht fest.
An Konkurrenz wird es ihm gewiss nicht fehlen. "Michael Wolf ist gemeldet, er hat sich in Kenia vorbereitet. Volker Fritsch rennt mit, er hat in Essen für die schnellste Frau Tempo gemacht." Egal. Sebastian Bürklein bleibt cool. Er hat die Ruhe weg. "Ich lasse alles auf mich zukommen", gab er sich ganz lässig, "schauen wir mal, wie es am Sonntag läuft." Und wenn morgens früh um Zehn der Startschuss kracht, wird Anna, seine Frau, daheim vor der Flimmerkiste sitzen, den Sender HR 3 einschalten und ihrem Sebastian feste die Daumen drücken.