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Sebastian Hendel, 22 – Leistungssportler, Familienvater, Meister der Langstrecken

Viele neue, junge Gesichter haben bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg ihren ersten nationalen Titel bei den Erwachsenen geholt. Aber auch schon bekanntere Namen werden in der Serie auf leichtathletik.de diesmal vorgestellt, sogar ein Diamond League-Sieger. Heute Langstreckler Sebastian Hendel (LG Vogtland).
Jan-Henner Reitze

Sebastian Hendel
LG Vogtland

*1. Dezember 1995
1,84 Meter

Langstrecke

5.000 m: 13:49:40 min (2018)
10.000 m: 28:44,68 min (2018)

Erfolge:

8. U23-EM 2017 (5.000 Meter)
Deutscher Meister 2018 (5.000 Meter & 10.000 Meter)

Mit seinen deutschen Meistertiteln über 5.000 und 10.000 Meter sowie seiner Teilnahme an der Heim-EM in Berlin hat Sebastian Hendel im zurückliegenden Sommer den nationalen Durchbruch und den Anschluss an die erweiterte internationale Spitze geschafft. Mit seinen 22 Jahren gehört er auf den Langstrecken zu den jungen Athleten, von denen allein durch die Ansammlung weiterer Trainingsjahre und Trainingskilometer noch Leistungssteigerungen zu erwarten sind.

Wenn man sich dazu anschaut, welchen Lebensweg der junge Mann aus Reichenbach in Sachsen bis zu diesem Punkt seiner Karriere nicht nur sportlich schon hinter sich hat, stärkt das den Eindruck, dass er sein Maximum noch nicht erreicht hat. Wer schon einen Wohnortswechsel in die USA und zurück hinter sich hat, verheirateter Familienvater ist, ein Studium absolviert und gleichzeitig so aufgeräumt, überzeugend und zielgerichtet von seinen weiteren sportlichen Plänen erzählt wie der DLV-Aufsteiger des Jahres im Laufbereich, der weiß, was er will und was er tut. Aber der Reihe nach.

Familiensport Langstreckenlauf

Als er in der ersten Klasse war, meldete sein Vater Sebastian Hendel zur Kinderleichtathletik an. Ein besonderes Talent wurde ihm dort nicht attestiert, so dass die Lust am Training schwand. „Meine ältere Schwester war besser als ich. Mein Vater ist neben dem Training einmal in der Woche mir ihr joggen gegangen“, erzählt der heutige Langstreckler von seinen Anfängen. „Als jüngerer Bruder wollte ich mit. Dann hat auch noch meine Mutter mit dem Laufen begonnen und es wurde zum Familiensport.“

Ohne Leistungsgedanken nahm der damalige Grundschüler an ersten Straßenläufen teil und wurde immer besser. Das Interesse an Konkurrenz, Bahnläufen und Zeiten wuchs mit den Erfolgen. Vom Lauffieber gepackt arbeitete sich Sebastian Hendel von der Bezirks- über die Landesebene bis hin zu seinen ersten nationalen Wettkämpfen. 2012 holte sich der damals 16-Jährige seinen ersten deutschen U18-Titel über 3.000 Meter. In der U20 folgten auf den Strecken zwischen 1.500 und 5.000 Meter weitere Siege und Medaillen auf nationaler Ebene. 2014 gelang außerdem die Qualifikation für die U20-WM in Eugene (USA), wo allerdings im 1.500-Meter-Vorlauf Endstadion war. 

„Wenn man einmal bei einer U20-WM dabei war, ist es der Wunsch von jedem, auch einmal bei den Aktiven bei einer internationalen Meisterschaft dabei zu sein“, erinnert sich der dreimalige Deutsche U20-Meister der Jahre 2013 und 2014.

Turbulente Zeit in den USA und Rückkehr in die Heimat

Als mit dem Ende der Schullaufbahn ein Umbruch anstand, machte Sebastian Hendel wieder eine ähnliche Erfahrung wie ganz zu Beginn seiner Karriere. Er fand keine ihn zufriedenstellenden Rahmenbedingungen, um seine sportliche Karriere mit einem Studium zu verbinden. Zumindest nicht in Deutschland. In den USA bekam er dagegen ein Stipendium und nahm ein Studium im Fach „Finance“ am Iona College in New York (USA) auf.

Sportlich brachte diese Entscheidung erst einmal nicht den erhofften Erfolg, ganz im Gegenteil. Verletzungen verhinderten ein geordnetes Training und die Teilnahme an Wettkämpfen. Dafür fand Sebastian Hendel sein privates Glück. In New York lernte er seine heutige Frau Kristina kennen, ebenfalls Läuferin. Sie hält den kroatischen Landesrekord über 3.000 Meter Hindernis (10:02:20 min) und ist gerade bei ihrem Halbmarathon-Debüt in Köln in 1:14:49 Stunden als Vierte durchs Ziel gelaufen. Ihre gemeinsame Geschichte erzählt das Paar ausführlich und mit eigenen Worten auf seiner <link http: hendel-running.de unsere-geschichte _blank>Homepage.

Ohne es geplant zu haben, wurde Kristina schwanger. Mit ihrem Studentenleben in den USA war ein Kind nicht zu vereinbaren. Nach der Hochzeit in Kroatien entschied sich das Paar, in Sebastians Heimat Reichenbach zu ziehen, wo im Oktober 2016 Sohn Jonathan zur Welt kam. Bei all dem Trubel verloren die beiden ihre sportliche Karriere nicht aus dem Blick und setzten sich die U23-EM in Bydgoszcz (Polen) im Sommer 2017 zum Ziel. Auch Kristina schaffte es nur acht Monate nach der Geburt in der polnischen Leichtathletik-Hochburg an der Startlinie zu stehen, Sebastian belegte Rang acht über 5.000 Meter.

Neuorganisation auf der ganzen Linie

Das Leben bekam eine neue Ordnung: Sein Studium setzt Sebastian Hendel in Deutschland mit dem Berufsziel Wirtschaftsingenieur fort. Die Trainingsplanung übernahm, wie schon vor dem Wechsel in die USA, wieder sein Vater, der mittlerweile auch das Training von Frau Kristina steuert. „So wie ich mich über die Jahre als Athlet gesteigert habe, hat es parallel mein Vater als Trainer getan“, erzählt Sohn Sebastian. Praktisch ist auch, dass sein Vater auf dem Trainingsplatz gleich noch die Rolle des Opas übernehmen kann und auf Jonathan achtet, während dessen Eltern Kristina und Sebastian ihre Runden drehen.

Nur die Unterstützung der Familie macht es möglich, die „logistischen Herausforderung“ Kind, Studium und Leistungssportkarriere von beiden Elternteilen zu meistern. „Wenn wir am Wochenende bei Wettkämpfen sind, übernehmen meine Eltern Jonathan“, erzählt Sebastian Hendel. Seine Leistungssteigerung in diesem Sommer zeigt, dass er dem vollgepackten Alltag gewachsen ist.

Steigerung war überfällig

Neben den deutlichen Bestzeiten über 5.000 (13:49,40 min) und 10.000 Meter (28:44,68 min) sowie dem ersten deutschen Meistertitel bei den Erwachsenen über 10.000 Meter zu Beginn des Sommers in Pliezhausen war der Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg über 5.000 Meter das i-Tüpfelchen.

„Das ist für mich die allerschönste Erinnerung des Sommers. Es war nochmal auf einem anderen Level“, erzählt der zweimalige Deutsche Meister, der in Abwesenheit von Titelverteidiger Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen) im Schlussspurt die Konkurrenz niederringen konnte. Belohnt wurde er dafür mit dem ersten internationalen Start im Nationaltrikot bei den Erwachsenen, wo in Berlin bei der Heim-EM über 10.000 Meter (29:53,45 min) Rang 24 herauskam.

„Ganz optimal war das Jahr nicht. Ich hatte krankheitsbedingt ein paar Ausfälle. Dass es nach vorne ging, liegt daran, dass ich seit 2016 ordentlich durchtrainieren konnte. Die Steigerung war überfällig“, lautet das Saisonfazit von Sebastian Hendel, der schon wieder an die nächsten Ziele denkt und sich im angelaufenen Wintertraining auf ganzer Linie verbessern möchte. „Ich bin Perfektionist. Von der Lauftechnik über Körperstabilität bis hin zu Ausdauer und Tempohärte. Alles kann noch besser werden. Erst einmal bin ich dabei, meine Belastungsverträglichkeit zu steigern.“

Hallensaison anvisiert

Sohn Jonathan ist gerade in den Kindergarten gekommen. Eine Zeit, in der gerne Krankheiten mit nach Hause gebracht werden. Wenn Sebastian Hendel davon einigermaßen verschont bleibt, möchte er in der Hallensaison an den Start gehen und die 3.000 Meter möglichst erstmals unter acht Minuten absolvieren. Auch die Hallen-EM in Glasgow (Großbritannien; 1. bis 3. März) könnte eine Station Richtung Sommer sein.

Was seine Bestzeit angeht, sieht der junge Familienvater vor allem über die 5.000 Meter noch Verbesserungspotenzial. „Da war in diesem Jahr schon mehr drin, wenn ich einen besseren Tag erwischt hätte.“

Außerdem wird das Jahr 2019, sowohl für die Athleten als auch für den Weltverband IAAF, eine erste Bewährungsprobe des neuen Qualifikationssystems über die Weltrangliste sein. Sebastian Hendel möchte weitere Erfahrungen sammeln und hat dabei schon das Jahr 2020 im Hinterkopf, mit dem großen Ziel Olympia in Tokio (Japan).

Video: <link video:18733>Sebastian Hendel mit bestem Finish, Florian Orth mit Last-Minute-Qualifikation für Berlin
Video-Historie: <link video:10556>Sebastian Hendel mit starkem Endspurt

Das sagt Bundestrainer André Höhne:

Sebastian Hendel ist nicht nur Leistungssportler sondern auch Vollzeit-Student und Papa. Ich bin als Athlet auch Vater gewesen, das ist nicht immer einfach. Allerdings hat Sebastian auch Ziele, die langfristig ausgerichtet sind. Das ist ganz wichtig, um Träume zu entwickeln. Er ist ehrgeizig und begierig, das Maximum herauszuholen und sich die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir wollen ihn dabei so gut wir können unterstützen und zum Beispiel ermöglichen, auch mit seiner Familie an Trainingslagern teilzunehmen.

In diesem Jahr hat er schon ein Höhentrainingslager absolviert. Das war ein erstes Kennenlernen. Eine Verkettung von Höhentrainingslagern kann die nächste Steigerung bringen. Außerdem gilt es, den Trainingsumfang zu erhöhen. Die abgelaufene Saison war nicht optimal, da Krankheiten dazwischen gekommen sind. Es ist noch mehr möglich. Langfristig soll es in Richtung einer 10.000-Meter-Zeit unter 28 Minuten gehen. Für das nächste Jahr sind 28:15 Minuten eine Marke. Das wäre eine gute Richtung, um dann im Olympiajahr so schlagkräftig zu sein, um dort einen Start anzuvisieren.

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