Sebastian Keiner ist angekommen
Sebastian Keiner meisterte in dieser Saison nach langem Zaudern den Wechsel von den 800 Metern auf die 1.500-Meter-Strecke. 3:37,75 Minuten stehen für den Mann vom Erfurter LAC zu Buche. Nächstes Ziel sind die Europameisterschaften 2014 in Zürich. Der Weg ins Schweizer Leichtathletik-Mekka führt Sebastian Keiner durch Wasser und Schnee.
Es wäre eine Premiere für das wiedervereinte Deutschland: Zum ersten Mal seit den Titelkämpfen im Sommer 1990 in Split (Kroatien) könnten bei den Europameisterschaften im kommenden Jahr in Zürich wieder drei deutsche 1.500-Meter-Läufer starten.Denn neben dem WM-Fünften Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt) und dem Deutschen Meister und Vize-Europameister von 2010, Carsten Schlangen (LG Nord Berlin), die beide keine Probleme haben sollten, die Qualifikation zu schaffen, schickt sich ein weiterer DLV-Athlet an, die Norm über die dreidreiviertel Runden zu unterbieten: Sebastian Keiner.
Umstellung von 800 auf 1.500 Meter
Der Mann vom Erfurter LAC meisterte in dieser Saison den Umstieg von den 800 Metern auf die längere Mittelstrecke. Gleich dreimal steigerte er im Verlauf des Sommers seine alte Bestzeit von 3:39,96 Minuten – zunächst in Rehlingen auf 3:39,35, dann in Dessau auf 3:38,35 und schließlich beim Meeting im belgischen Heusden auf 3:37,75 Minuten.
Bei den Deutschen Meisterschaften im Ulmer Donaustadion wurde er Zweiter knapp hinter Carsten Schlangen, wobei sich die beiden auf der Schlussrunde ein packendes Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten. Es war Keiners zweites DM-Edelmetall im Jahr 2013 nach der Bronzemedaille bei den Hallentitelkämpfen in Dortmund (3:43,25 min) – und es sollte nicht die letzte Plakette bleiben.
„Ich war selbst überrascht“
Ende Juli vervollständigte er seinen Medaillensatz mit dem deutschen Meistertitel über 3x1.000 Meter (7:07,03 min). „Ich war selbst ein wenig überrascht, wie leicht mir der Umstieg auf die 1.500 Meter gefallen ist“, sagt der Schützling von Trainer Enrico Aßmus. Zwar hatten seine Ausdauerwerte und die Qualitäten im Endspurt schon länger darauf hingedeutet, dass er ein guter 1.500-Meter-Läufer sein könnte, doch er war vom Kopf her lange Zeit nicht bereit gewesen für einen Wechsel.
Erst in dieser Saison wagte er den Schritt und freundete sich schnell mit der neuen Strecke an. „Ich mag die taktische Komponente“, sagt Keiner. „Über 800 Meter muss man die Zwischenzeiten exakt treffen, sonst springt am Ende keine vernünftige Zeit mehr heraus. Bei den 1.500 Metern dagegen lässt sich mit der richtigen Taktik selbst nach einem eher verhaltenen Beginn noch ein ordentliches Ergebnis erzielen.“
Als 18-Jähriger beim ISTAF in Berlin
Allerdings wäre der 24-Jährige gern noch ein bisschen schneller gelaufen, auch um sich für internationale Meetings und damit auch für potenzielle Sponsoren interessanter zu machen. Mehr als andere Athleten ist Keiner darauf angewiesen: Im Gegensatz zu vielen anderen DLV-Läufern gehört er keiner Sportfördergruppe der Bundeswehr oder Polizei an, sondern studiert in Ilmenau im dritten Semester Ingenieursinformatik. Finanzielle Unterstützung gibt es nur in begrenztem Maß vom Verein, von der Deutschen Sporthilfe und über ein Stipendium. „Es kleckert sich irgendwie zusammen, aber es ist nicht einfach momentan“, sagt Sebastian Keiner.
Als 18-Jähriger hatte der Thüringer 2008 beim Berliner ISTAF die 800 Meter in 1:45,98 Minuten absolviert. Ein dreiviertel Jahr später holte er seinen ersten Deutschen Hallenmeistertitel bei den Erwachsenen. Keiner schien vor einer goldenen Zukunft zu stehen, doch Verletzungen machten ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung.
Bestimmte Belastungen zu hoch
Erst 2012 gelang ihm mit der Qualifikation für die EM in Helsinki (Finnland) wieder der Anschluss an die Spitze. „Ich konnte in all den Jahren eigentlich nie voll durchziehen“, sagt er. Bestimmte Trainingsbelastungen wie etwa Sprünge habe sein Körper einfach nicht vertragen. Zudem hätten sich Schmerzen an einem Körperteil oft auch an anderer Stelle ausgewirkt, wie Sebastian Keiner an einem Beispiel verdeutlicht: „Wenn man Knieprobleme hat, wählt man unbewusst einen anderen Schritt, wodurch dann recht bald auch die Achillessehne schmerzt.“
Die Beschwerden der Vergangenheit sind auch ein Grund dafür, dass der Läufer im Training verstärkt auf alternative Trainingsmethoden setzt. „Auf diese Weise kann ich die Umfänge erhöhen, ohne dass meine Gelenke und Sehnen allzu sehr belastet werden“, erklärt er. Der 24-Jährige fährt viel Fahrrad, auch Aquajogging steht regelmäßig auf dem Programm.
Tipps vom ehemaligen Sportdirektor
Viel gelernt hat er dabei von Steffen Große, dem früheren Sportdirektor des Thüringischen Leichtathletikverbandes (TLV). „Er hat viel Methodisches aus dem Triathlon mitgebracht“, erzählt der Erfurter. Zwar ist Steffen Große nach seiner Beurlaubung durch den TLV im Dezember 2012 mittlerweile in die Schweiz gewechselt, doch Sebastian Keiner tauscht sich weiter regelmäßig mit ihm aus.
Im Dezember wird er wie schon im Vorjahr ins Skitrainingslager nach Balderschwang in Österreich reisen. „Ich fahre gern Ski, das ist eine gute Abwechslung vom Trainingsalltag“, sagt der Läufer, der einst übrigens auch von einer Skilangläuferin entdeckt worden war: von Veronika Hesse, der Staffel-Olympiasiegerin von 1980. Sie arbeitete nach der Wende in Suhl als Grundschullehrerin und Leichtathletik-Trainerin. Auf zwei Brettern will Sebastian Keiner die Grundlagen schaffen, damit bei der EM der Traum vom deutschen Trio über die 1.500 Meter Wirklichkeit werden kann.
Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift