Sergej Lebed - Europas König des Cross
Sergej Lebed wurde am vergangenen Sonntag bei der Cross-EM in Heringsdorf (Insel Usedom) seiner Favoritenrolle vollauf gerecht. Nach 27:31 Minuten für die 9.640 Meter lief der Ukrainer ungefährdet als Sieger ins Ziel und hatte damit den europäischen Crosstitel zum nunmehr fünften Mal gewonnen. Damit überholte er den Portugiesen Paulo Guerra in der Statistik, der bisher viermal diesen Titel errang. Man kann ohne Übertreibung sagen: Seine Welt ist der Crosslauf.
Sergej Lebed feierte auf Usedom einen historischen Sieg (Foto: Kiefner)
"Die Cross-EM ist jeweils mein Saisonhöhepunkt. Darauf bereite ich mich speziell vor." Und wie sieht eine solche Vorbereitung gewöhnlich aus? "Im Oktober werden insgesamt 900 Kilometer gelaufen, sechsmal pro Woche wird trainiert und an jedem Tag dreimal." Interessant ist, wie sich der 29-Jährige den Tag bei einem solchen intensiven Training gestaltet. "6.30 Uhr wird aufgestanden, dann ist eine halbe Stunde lockerer Lauf angesagt. Anschließend wird gefrühstückt und erholt. Am Vormittag folgt dann die Haupttrainingseinheit von 15 bis 20 Kilometer. 12 Uhr ist erstmal Schluss mit der Bewegung, denn das Mittagessen und wieder Ruhe sind angesagt. Nach 18 Uhr hänge ich dann noch einen Crosslauf an."
Ein beeindruckendes Pensum, und Sergej räumt auch ein: "In der ersten Woche fällt mir dieses Programm sehr schwer, aber dann wird es von Woche zu Woche leichter." Und solch eine gezielte Vorbereitung betreibt der Ukrainer seit 1994. Seitdem hatte er auch alle Cross-Europameisterschaften bestritten, mit den Siegen in den Jahren 1998, 2001, 2002 sowie 2003 und nun auch 2004.
Auf Sand am Schwarzen Meer
Im Oktober wird der Cross-Europameister geschaffen, könnte man in Abwandlung des Mottos, dass im Winter die Leichtathleten gemacht werden, meinen. In diesem Jahr hatte sich Sergej Lebed vor allem durch ruhige Läufe am Ufer des Schwarzen Meeres fit gemacht. "Solche Läufe auf Sand bringen mir viel Kraft, die ich dann gerade auf einem schwierigen Kurs wie in Heringsdorf einsetzen kann."
Es folgte dann im November noch ein Höhentraining im russischen Kislowodsk, in einer Höhe von 1.500 bis 2000 Meter. Dieser Ort liegt nur 80 Kilometer vom 5.642 Meter hohen Elbrus im Kaukasus entfernt. Doch das wäre selbst einem hartem Cross-Spezialisten wie Sergej Lebed zu hoch.
Spielplatz gefunden
Seine Vorbereitung hebt ihn aus der Masse seiner Cross-Konkurrenten heraus. Auf mehrmalige Nachfrage, was ihn denn ansonsten von der Konkurrenz unterscheide, konnte er außer dieser gezielten Vorbereitung keine anderen persönlichen Vorzüge nennen.
Sergej Lebed hat seinen "Spielplatz" im Gelände gesucht und gefunden, nachdem er begriffen hatte, dass für ihn auf der Bahn nur wenig zu holen ist. Dafür sind seine Bestzeiten von 28:12,62 Minuten über 10.000 Meter und 13:10,78 Minuten über 5.000 Meter nicht ausreichend für Medaillen im Weltmaßstab. Zwar wurde er bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 immerhin Siebter über 5.000 Meter, damals einen Rang vor dem Potsdamer Jirka Arndt und in München bei der EM 2002 gelang ihm sogar über 5.000 Meter der Sprung auf den Bronze-Rang. Aber ansonsten hat Sergej Lebed bisher keine Bäume in den Stadien ausgerissen.
Italien ist seine zweite Heimat
Sergej Lebed lebt in der Ukraine in der Zwei-Millionen-Stadt Dnepropetrowsk, 500 Kilometer von der Hauptstadt Kiew und 300 Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt. Im April vorigen Jahres heiratete er die 1.500-Meter-Läuferin Yelena Gorodnychova.
Doch einen Teil des Jahres verbringt er in Italien: "Dort ist meine zweite Heimat." Im perfekten Italienisch antwortete er aber auf eine Anfrage eines Journalisten, ob er nicht die italienische Staatsbürgerschaft annehmen und dann im italienischen Nationaltrikot starten wolle, mit Nein. "Ich bin Ukrainer und will auch weiter für die Ukraine starten."
So lässt ihn naturgemäß das politische Geschehen in der Ukraine auch nicht unberührt. "Vor den Wahlen war ich dort, aber da war alles noch ruhig. Die eigentlichen Geschehnisse habe ich dann von Italien aus am Fernseher verfolgt. Als ich jetzt wieder in der Ukraine weilte, war alles wieder ruhig. Vielleicht ist das Ganze mehr eine Angelegenheit der beiden Parteien", äußerte er kurz seine Meinung.
Lieber aber kommt er auf seine sportliche Profession zu sprechen. Kein Wunder, denn das ist sein Leben.
Besser als Platz 10 bei der WM
Das nächste Ziel für Sergej Lebed ist die Cross-WM am 19. und 20. März 2005 in Frankreich. "Bis dahin werde ich noch einige Crossläufe absolvieren, den letzten im Februar. Aber fünf Wochen vor der WM ist damit Schluss. Vielleicht schiebe ich noch einige 3.000- oder 5.000-Meter-Läufe in der Halle ein, aber keine großen Wettkämpfe. Das brauche ich vor allem, um meine Grundschnelligkeit zu erhöhen."
Übrigens ist es bei ihm meistens so, dass auch die Cross-WM ein Erfolg wird, wenn die EM gut gelaufen ist. "Für 2005 nehme ich mir einen WM-Platz unter den ersten Zehn vor. " Wer Sergej Lebed in seiner Dominanz auf dem schwierigen Kurs von Heringsdorf gesehen hat, traut ihm das ohne weiteres zu.