| Rückblick

Sergey Bubka durchbrach vor 30 Jahren die Sechs-Meter-Marke

13. Juli 1985, Paris, Stade Jean-Bouin: Sergey Bubka läuft an, katapultiert sich in den Himmel, schwingt sich über die Latte - ein tausendfacher Schrei hallt durch die Arena in Frankreich. Als erster Stabhochspringer meistert der Ukrainer die magischen sechs Meter. 30 Jahre später erinnert sich der Überflieger im dpa-Interview noch genau an jenen Sommertag in der Seine-Stadt.
dpa/pr

Ein 21 Jahre alter Stabhochspringer aus der Sowjetunion fliegt in Paris als erster Mensch über sechs Meter - ein Meilenstein der Leichtathletik. Um 18.44 Uhr meistert Sergey Bubka die magische Marke - im dritten Versuch. Es ist nur einer seiner 35 Weltrekorde, doch sicher der spektakulärste.

Wo ist eigentlich ihr legendärer Sechs-Meter-Stab vom 13. Juli 1985 geblieben? Im Museum? In Paris? Bei Ihnen zu Hause?

Sergey Bubka:

Ich habe meine Stäbe Anfang der 90er Jahre dem Sergey-Bubka-Sportclub geschenkt - auch den Sechs-Meter-Stab. Einige sind auch in verschiedenen Museen. Ich wollte sie immer lieber an Sportschulen geben, für Athleten der nächsten Generation.

Was war das für ein Gefühl: Nach dem ersten Sechs-Meter-Sprung zu spüren, dass die Latte liegen bleibt? Was dachten Sie da?

Sergey Bubka:

Der 13. Juli war ja der Vorabend zum größten nationalen Feiertag in Frankreich. Französische Zeitungen haben meinen Sprung mit dem Sturm auf die Bastille verglichen. Eine gute Story. Andere Journalisten verglichen mich mit Juri Gagarin - dem ersten Menschen im Weltall. Ja, ich bin wirklich stolz, der erste Sechs-Meter-Springer zu sein. Außerdem war das für mich nicht nur ein spezieller Rekord, sondern ein besonderer Tag. Vier Tage zuvor hatte meine Frau Lilja unseren ersten Sohn, Witali, zur Welt gebracht. Als glücklicher Vater habe ich ihr und Witali dann die sechs Meter zum Geschenk gemacht.

In Paris haben Sie ihren Weltrekord gleich um sechs Zentimeter gesteigert - danach immer um einen Zentimeter. Ging es bei der "Salami-Taktik" nur um die Prämien?

Sergey Bubka:

Zuallererst: Ich bin nicht des Geldes wegen Sportler geworden. Seit meiner Kindheit war Sport meine Liebe und meine Leidenschaft. Als Zehnjähriger kam ich in der Sowjetunion auf die Stabhochspringer-Schule. Geld spielte damals für mich keine Rolle. Später wurde Geld dann wichtig für mich, ein Mann muss seinen Lebensunterhalt verdienen, um seine Familie zu ernähren; Geld eröffnet mehr Möglichkeiten. Aber ich kontrolliere lieber mein Geld als dass ich mich vom Geld kontrollieren lasse.

Wie hoch würden Sie heute mit einem modernen Stab springen?

Sergey Bubka:

Das ist ziemlich hypothetisch, aber: Bei der WM 1991 in Tokyo habe ich 5,95 Meter geschafft, IT-Experten haben den Sprung analysiert und gesagt, ich hätte die Latte bei 6,37 Meter überqueren können. Doch das war nicht mein höchster Sprung. 1997, bei der WM in Athen, habe ich mit 6,01 Metern gewonnen - flog aber in einer Höhe von 6,40 Meter drüber. Experten haben mir damals ein Potenzial zwischen 6,35 und 6,40 Metern bescheinigt.

Durften Sie die vielen Sieg- und Weltrekordprämien damals eigentlich behalten?

Sergey Bubka:

Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion wurden alle Verträge zwischen den Organisatoren und dem staatlichen Sportkomitee der UdSSR ausgehandelt. Wir Athleten kannten die Bedingungen nicht. Für Top-Drei-Platzierungen haben wir einen kleinen Bonus abbekommen - von 100 Dollar bis maximal 400/500 Dollar.

Nach seinem Weltrekord haben Sie Renaud Lavillenie oft als einen würdigen Nachfolger gelobt. Im Freien hat er aber erst 6,05 Meter geschafft. Wann fällt Ihr Freiluft-Weltrekord von 6,14 Meter?

Sergey Bubka:

Erst 6,05 Meter? Das ist bis heute die zweitbeste jemals im Freien erzielte Leistung! Renaud Lavillenie ist ein echtes Talent und eine große Persönlichkeit. Vor anderthalb Jahren hat er mit 6,16 Metern meinen Weltrekord in Donetsk gebrochen. Und er ist bereit für neue Rekorde. Er ist nach wie vor auf diesem Niveau. Alles hängt von Renaud selbst ab. Ich glaube, dass wir von ihm vor der WM 2015 in Peking und Olympia 2016 in Rio de Janeiro noch einige tolle Freiluftsprünge sehen werden.

Was trauen Sie unserem deutschen Weltmeister Raphael Holzdeppe noch zu? Er hat gerade 5,92 Meter geschafft.

Sergey Bubka:

Die deutsche Stabhochsprungschule hat eine fantastische Tradition und erfahrene Trainer. Ich freue mich, dass Raphael diese Tradition fortsetzt. Nach harten Zeiten hat er sich spektakulär zurückgemeldet und in dieser Saison eine tolle Form bewiesen. Ich glaube, er kann in den nächsten Monaten sechs Meter und höher springen.

Und wann sind die sieben Meter fällig? Vielleicht 2085?

Sergey Bubka:

Solch eine Höhe kann ich kaum vorhersagen. 1980 hat jedenfalls keiner daran geglaubt, dass die sechs Meter noch im 20. Jahrhundert fallen. Die aktuellen Leichtathletik-Weltrekorde haben Top-Niveau, aber der Sport und die Technologien entwickeln sich ständig weiter. Sieben Meter sind möglich - in ferner Zukunft.

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024