Sergey Litvinov: "WM war enorm wichtig"
Bei den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin trat Sergey Litvinov noch für Deutschland im Hammerwurf an und belegte Platz fünf. Danach wechselte der Sohn des gleichnamigen Olympiasiegers von 1988 nach Russland. Beim Heimspiel in Moskau wurde er Elfter. Im Gespräch mit Martin Neumann vergleicht der 27-Jährige die beiden Titelkämpfe und die gesamte Sportart in Russland und Deutschland.
Sergey Litvinov, wie haben Sie die WM erlebt? Oft war das Stadion ja nur zur Hälfte gefüllt ...Sergey Litvinov:
Das war bei der WM 2009 in Berlin ja auch nicht anders. So schlecht, wie es jetzt gemacht wird, ist es nicht gewesen. Schließlich ist das Luzhniki-Stadion auch riesig, und an den letzten Tagen wurde es besser.
Welchen Stellenwert hatte die WM für das Sportland Russland?
Sergey Litvinov:
Einen ganz großen. Wir hatten ja zuvor schon die Universiade, kommendes Jahr stehen in Sotschi die Olympischen Winterspiele an. Die Menschen in Russland mögen die Leichtathletik. Aber sie haben noch nicht so oft die Möglichkeit bekommen, ins Stadion zu gehen.
Auch die Russischen Meisterschaften wurden im Luzhniki-Stadion ausgetragen. Wie viele Zuschauer waren dort?
Sergey Litvinov:
Es war alles leer, niemand wusste davon. Die russische Leichtathletik hat zwar viele Olympiasieger. Die kennt aber kaum jemand. Das ist in Deutschland anders. Zu Deutschen Meisterschaften kommen ja regelmäßig zwischen 10.000 und 15.000 Zuschauer. Die kennen die nationalen Stars. In Russland ist das ganz anders. Auch bei den großen Meetings gibt es kaum Zuschauer. Im Fernsehen wird Leichtathletik gern gesehen. Nur ins Stadion kommt niemand. Deshalb war die WM für unsere Sportart enorm wichtig.
Die deutsche Leichtathletik hat von der WM 2009 in Berlin profitiert. Wird es auch für die russische nach der WM in Moskau einen Schub geben?
Sergey Litvinov:
Darauf hoffe ich. Man muss die Leichtathletik den Leuten näherbringen. Vielleicht auch besser erklären.
Wie sind Ihre Trainingsbedingungen in Russland?
Sergey Litvinov:
Gut. Wir sind häufig in Trainingslagern unterwegs, beispielsweise in Adler am Schwarzen Meer. In der Nähe von Moskau gibt es ein weiteres Trainingszentrum. Meinen eigentlichen Wohnort Saransk sehe ich nur sehr selten.
Immer wieder überschatten Dopingfälle die Leichtathletik. Zuletzt gab es 31 Fälle in der Türkei und die positiven Proben der Sprinter Asafa Powell und Tyson Gay. Aber auch mehr als 30 Russen sind momentan gesperrt. Ist das in Russland überhaupt ein Thema?
Sergey Litvinov:
Natürlich, das wird wahrgenommen, weil viel darüber berichtet wird. Das ist gut für die Leichtathletik.
Wie meinen Sie das?
Sergey Litvinov:
Es gibt im Sport viel Scheinheiligkeit. Das mag ich nicht. Man denkt, dass nur ein paar Leute dopen. Das ist aber nicht so, wie dieses Jahr zeigt. Es ist positiv, wenn die Betrüger rausgezogen werden.
Wie oft wurden Sie denn in diesem Jahr kontrolliert?
Sergey Litvinov:
Von der IAAF wurde ich in diesem Jahr sechs- oder siebenmal getestet. Dazu kommen die russischen Kontrollen mindestens einmal im Monat und bei Wettkämpfen.
Zu Ihrem Abschneiden. Sie sind mit 75,90 Metern WM-Elfter geworden, waren aber mit mehr als 80 Metern nach Moskau gereist. Wie bewerten Sie das Ergebnis?
Sergey Litvinov:
Die Saison 2013 war schwierig. Ich war immerhin den ganzen Winter über am Rücken verletzt. Ganz ehrlich: Ich hatte die Saison eigentlich im März schon abgehakt. Dann lief es aber besser, und Mitte Juli in Moskau ist der Hammer auf 80,89 Meter geflogen. Aber die nötige Konstanz in den Wettkämpfen hat gefehlt. Ein Ausreißer und nichts dahinter.
Wie sehen Sie Ihre sportliche Perspektive Richtung Olympische Spiele 2016? Schließlich war Ihr Vater Sergey Senior 1988 Olympiasieger ...
Sergey Litvinov:
Er ist auch mein Trainer. Aber ich muss nicht seinen Erfolgen hinterherrennen. Klar will ich vorn dranbleiben und konstant über 80 Meter werfen. Das geht momentan noch nicht. Aber ich bin nicht verkrampft auf Medaillen fixiert.
Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift