Shanice Craft - Vorliebe für zwei Wurfgeräte
Die erste größere Auszeichnung, die erste eigene Wohnung und der erste Einsatz mit der Nationalmannschaft der Erwachsenen - Schritt für Schritt geht es voran für Shanice Craft (MTG Mannheim). Eher „Kommando zurück“ heißt es dagegen bei der Entscheidung: Ist die 19-Jährige Diskuswerferin oder Kugelstoßerin? Die Kugel hat aufgeholt.

Resultat der verstärkten Arbeit mit der Kugel waren zu Beginn der Hallensaison zuerst zwei Wettkämpfe um 16,50 Meter. Was Shanice Craft dann im letzten Versuch der Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund rausließ, hat dann alle überrascht, auch sie selbst. Im letzten Versuch pulverisierte sie - wie schon in Barcelona - ihre Bestleistung. 17,66 Meter brachten nicht nur Bronze, sondern auch die Qualifikation für die Hallen-EM.
"Im Kugelstoßen brauche ich offensichtlich Druck, um weit zu stoßen", lautet die Erklärung für die unverhoffte Steigerung. Dass da etwas dran ist und die Weite kein Zufall war, zeigte der Auftritt in Göteborg (Schweden), wo mit 17,30 Metern zwar 17 Zentimeter zum Finale fehlten, die U20-Weltmeisterin aber immerhin den zweitbesten Stoß ihrer jungen Karriere anbot.
Küken im Team
Die jüngste Athletin im DLV-Team nahm aus Göteborg nicht nur die Erkenntnis mit, dass sie auch bei großen Wettkämpfen der Erwachsenen Leistung bringen kann, sondern auch eine Menge weitere positive Erfahrungen.
"Ich wurde gut aufgenommen. Auf dem Zimmer war ich mit Verena Sailer. Wir kennen uns vom Trainingsplatz und der Trainingshalle in Mannheim. Sie hat viel Erfahrung und mir geholfen, dass ich locker an die Sache rangehen konnte."
Vierkampf um WM-Tickets erwartet
Die Nachwuchshoffnung konnte damit den nächsten Schritt auf der Karriereleiter tun, im vergangenen Jahr war ihr der Sprung ins Nationalteam der Erwachsenen noch verwehrt geblieben - trotz erfüllter EM- und Olympianorm im Diskuswerfen. Das lag daran, dass erstmals in diesem Jahrtausend vier DLV-Athletinnen weiter als 62 Meter warfen.
Shanice Craft war mit ihren 62,92 Metern nach Nadine Müller (Hallesche Leichtathletik-Freunde, 68,99 m), Julia Fischer (SCC Berlin; 64,22 m) und der ebenfalls erst 19-Jährigen Anna Rüh (SC Neubrandenburg; 63,38 m) nur die viertbeste unter ihnen und musste damit zu Hause bleiben. "Klar ist es ärgerlich, trotz Norm nicht mitzufahren, gerade bei Olympia", meint die angehende Polizistin. Auf der anderen Seite spornt die starke nationale Konkurrenz an, jeden Tag im Training das Beste zu geben.
62 Meter sind auch im Sommer Voraussetzung, um bei der WM in Moskau (Russland; 10. bis 18. August) dabei zu sein. Dass diese Weite möglicherweise wieder nicht ausreichen wird, um mitzufahren, ist der Mannheimerin klar. Ihr Ziel sind 63 Meter.
Mit Kugel und Diskus zur U23-EM
Mit 60,14 Metern und dem Sieg in der U23 beim Winterwurf-Europacup in Castellon (Spanien) am Sonntag hat Shanice Craft bewiesen, dass sie nach den vielen Wettkämpfen mit der Kugel auch den Diskus noch weit fliegen lassen kann.
Die Erfolge mit der Kugel haben allerdings dazu geführt, dass im Sommer beide Wurfgeräte eine "gleichwertige" Rolle spielen sollen. 17,88 Meter - das bedeutete bei der letzten U23-EM vor zwei Jahren Bronze im Kugelstoßen, 59,60 Meter waren für den Sieg im Diskuswerfen nötig. Diese Marken sind für die achtmalige Deutsche Jugendmeisterin Grund genug, bei der Neuauflage in diesem Jahr in Tampere (Finnland; 11. bis 14. Juli) in beiden Disziplinen antreten zu wollen.
Auf dem Weg dorthin geht es in den ersten beiden Aprilwochen ins Trainingslager nach Mallorca (Spanien). Die ersten Wettkämpfe im Sommer sind dann der Werfercup in Wiesbaden (19. Mai) und die Halleschen Werfertage (25./26. Mai).
"Eigenes Reich"
Einen Vorgeschmack darauf, dass eine erfolgreiche Karriere auch eine Menge Interviews mit sich bringt, gab es im Oktober, als Shanice Craft zur "Juniorsportlerin des Jahres" der Deutschen Sporthilfe gewählt wurde. "In der Zeit der Ehrung gab es viele Anfragen, das war schön. Danach war es aber auch angenehm, als es wieder ruhiger wurde."
Ruhe findet die 19-Jährige ab sofort in ihrer ersten eigenen Wohnung in Mannheim. Ihre Ausbildung zur Bundespolizistin läuft in Blöcken, jeweils von September bis Dezember, sonst steht der Sport im Mittelpunkt. "Dadurch bin ich mehr zu Hause und wollte mein eigenes Reich haben. Meine Mutter unterstützt mich aber immer noch sehr."