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Shelly-Ann Fraser-Pryce – Bunt, schnell, mit neuen Zielen

Nicht nur schnell, sondern auch optisch ein Hingucker. Die Outfits von Shelly-Ann Fraser-Pryce sind in den vergangenen Jahren immer ausgefallener geworden. Was wird sich die Jamaikanerin bei Olympia einfallen lassen? Sportlich will die 28-Jährige 2016 auch auf den 200 Metern wieder angreifen.
Pamela Ruprecht

So manch einer wird sich während der WM in Peking (China) gefragt haben, wie man mit einem solchen Haar-Styling sprinten kann, ohne an Aero-Dynamik zu verlieren: Grün gefärbte lange Rasta-Zöpfe und über der Stirn vier große gelbe Blumen hatte Shelly-Ann Fraser-Pryce auf dem Kopf, als sie an der Startlinie des 100-Meter-Finales stand, um ihren Titel zu verteidigen. Das Outfit schien zu beflügen: „Wenn die Haare bunt und hübsch sind, fühle ich mich gut“, sagt die Jamaikanerin.

Der Kopfschmuck gehört wie die Spikes zum Equipment. Sobald die Höhepunkte anstehen und „Championship-Time“ ist, beginnt Shell-Ann Fraser-Pryce über ihre Tönung nachzudenken. Mit farbigen Haaren in den Startblock zu steigen, wenn der ganz große Showdown ansteht und sie weitere Goldmedaillen einsammeln kann, scheint Teil ihres Erfolgsrezepts. „Ich trainiere wirklich sehr hart und konzentriere mich auf das Wichtigste, die großen Meisterschaften“, erklärte die siebenmalige Weltmeisterin.

Neues Rennen, neue Frisur

Nach der WM stand die Entscheidung im Diamond Race in Zürich an. Kaum aus dem Flugzeug gestiegen, suchte Shelly-Ann Fraser-Pryce als erstes einen senegalesischen Friseur-Salon auf. Schließlich sind in der hoch dotierten Meeting-Serie nicht die Farben der Landesflagge angesagt, sondern die Athleten starten in den Trikots ihrer Ausrüster. So tauchte Fraser-Pryce mit geflochtenen, schwarzen Haaren und lila Stirnband auf der Pressekonferenz im Mövenpick-Hotel auf.

Es war eine Zwischenstation auf dem Weg zu ihrem ersten Wettkampf nach dem Saison-Highlight im „Vogelnest“. Ihre Hoffnungen, das Wetter werde „hot like Jamaica“, erfüllten sich am Donnerstagabend im Letzigrund allerdings ebenso wenig wie der Traum von einer neuen Bestzeit. Bei kühlen, regnerischen Bedingungen sicherte sich die mehrfache Olympiasiegerin mit einer Siegerzeit unter elf Sekunden (10,93 sec) fünf Hundertstel vor Blessing Okagbare (Nigeria) die Diamond Trophy.

Dafne Schippers im Anflug

Genauso groß war der Vorsprung von Shelly-Ann Fraser-Pryce (10,76 sec) auch im 100-Meter-WM-Finale gewesen. Auf den letzten Metern kam die Niederländerin Dafne Schippers (10,81 sec) immer näher. Wäre die Strecke länger gewesen, wäre die zweifache Europameisterin womöglich noch an ihr vorbeigezogen.

Ihren Kick konnte die ehemalige Siebenkämpferin in Peking dann auf den 200 Metern ausspielen, wo sie in 21,63 Sekunden - der drittbesten je gelaufene Zeit - den Titel holte. Nicht am Start, um ihren Titel zu verteidigen, war Shelly-Ann Fraser-Pryce, die eine Bestmarke von 22,09 Sekunden hat und der die Zeit von Dafne Schippers nicht entgangen ist. Ihre erste Reaktion: „Das kann nicht wahr sein.“

Doppelte Distanz im Visier

Die starke Leistung der Senkrechtstarterin ist ein Anlass für die Athletin aus der Karibik, im Olympiajahr auch wieder auf den 200 Metern mitzumischen. Nachdem ihr Coach Stephen Francis die Strecke seit 2013 vom Plan gestrichen hat, absolvierte sie dafür kein spezielles Training mehr und diesen Sommer nur zwei Rennen in der Heimat Kingston. Sie will sehen, wohin es für sie gehen kann, und erwartet 2016 aufregende Events der Frauen über die halbe Stadionrunde.

„Das Level der Konkurrenz und der Speed nehmen zu. Es wird fantastische Wettkämpfe auf der Distanz geben. Das gibt mir einen neuen Fokus, ein neues Ziel für die Zukunft“, sagt die 28-Jährige. Motivation schöpft sie auch aus dem Abschneiden ihrer jungen Trainingskollegin Elaine Thompson, Silbermedaillen-Gewinnerin hinter Dafne Schippers in fast genauso beeindruckenden 21,66 Sekunden. „Ich kann nicht kontrollieren, wie schnell jemand anderes läuft, aber ich kann kontrollieren, wie ich sprinte und wie viel Arbeit ich reinstecke.“

Siebenmal WM-Gold

Die Erfolgsliste von Shelly-Ann Fraser-Pryce ist lang. In Peking hat sie nach Triumphen in Berlin und Moskau (Russland), wo sie das Triple mit Siegen über 200 Meter und der Staffel abräumte, zum dritten Mal den Weltmeistertitel über 100 Meter gewonnen. Das ist vor ihr noch keiner Athletin gelungen. Mit 10,70 Sekunden, erzielt 2012, hält sie den jamaikanischen Rekord. In London (Großbritannien) holte sie nach 2008 die zweite olympische Goldmedaille über die wohl am meisten beachtete Strecke der Leichtathletik.

Einen Schönheitsfehler gibt es jedoch in ihrer Biographie. 2010 wurde sie nach einem Meeting in Shanghai (China) positiv auf das verbotene, aber nicht leistungsfördernde Schmerzmittel Oxycodon getestet. Die Einnahme begründete sie mit starken Zahnschmerzen, wurde aber nicht vorschriftsmäßig angezeigt. Der Weltverband IAAF belegte sie mit einer sechsmonatigen Sperre, der jamaikanische Verband JAAA hatte eine Reduzierung der sonst üblichen zweijährigen Sperre beantragt. Bei der WM im Folgejahr schrammte sie am Podium vorbei.

Inspiration weitergeben

Der Sprint ist die Domäne Jamaikas. Mit der 4x100-Meter-Staffel blieb Shelly-Ann Fraser-Pryce im Finale von Peking nicht weit über dem Weltrekord des US-Quartetts (40,82 sec). Enttäuscht war die gut gelaunte Welt-Leichtathletin des Jahres 2013 darüber nicht. Sie sieht aber noch Potenzial in einer besseren Vorbereitung des Teams. Das gemeinsame Staffeltraining gestaltet sich schwierig, weil Veronica Campbell-Brown in den USA lebt. So kann der Wechsel mit ihr erst ein paar Tage vorher geübt werden.

Shelly-Ann Fraser-Pryce, die junge Athleten inspirieren will, mag es, wenn es um ihre Leidenschaft für den Sprint geht - am besten in Kombination mit kreativem Styling. Ihre Frisur war auf der Pressekonferenz wider Erwarten vor allem bei männlichen Journalisten ein Thema. In wie vielen verschiedenen Ländern sie schon Salons besucht hat? Fast überall, wo sie mit dem Flugzeug gelandet ist. Im Idealfall geht es jeden Montag mit neuem Look ins Training. Doch: „Ich denke nicht an meine Haare, wenn ich sprinte.“ Bei ihrer Geschwindigkeit fliegen sie ohnehin hinterher.

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