Siebenkampf-WG nimmt Anlauf auf Tampere
Im deutschen Siebenkampf fehlen verletzungsbedingt die Aushängeschilder der vergangenen Jahre. Gelegenheit für den Nachwuchs, sich in den Vordergrund zu schieben. Zwei Athletinnen haben dabei nicht nur sportlich dieselbe Marschroute gewählt, sondern teilen sich auch privat eine Wohnung: Tilia Udelhoven und Alina Biesenbach (beide TSV Bayer 04 Leverkusen). Für sie soll es über Ulm und Ratingen zur U23-EM nach Tampere (Finnland; 11. bis 14. Juli) gehen.
„So richtig kannten wir uns eigentlich gar nicht!“ sagt Tilia Udelhoven lachend, als sie erklären soll, wie vor rund zwei Jahren die WG-Pläne entstanden. Fest stand: Beide Athletinnen schließen sich dem TSV Bayer 04 Leverkusen an, studieren in Köln und benötigen in der Gegend eine Unterkunft. „Da habe ich Alina einfach gefragt, ob sie schon eine Wohnung hat.“ Hatte sie nicht.Seit Oktober 2011 wohnen Tilia Udelhoven, Alina Biesenbach und die Leverkusener 400-Meter-Läuferin Lena Menzel nun zusammen in einer Wohnung in Köln. Wer jedoch glaubt, dass die Siebenkämpferinnen jeden Schritt gemeinsam gehen, der irrt: Unterschiedliche Trainer, unterschiedliche Trainingszeiten, unterschiedliche Trainingsorte – von einem ähnlichen Tagesrhythmus kann da keine Rede sein.
Schwieriges Jahr 2012
Tilia Udelhoven trug schon als Jugendliche regelmäßig das deutsche Nationaltrikot: Platz fünf bei der U20-WM 2010, Platz vier bei der U20-EM 2011 und eine starke Bestleistung von genau 6.000 Punkten sprechen für sich. Ihre Stärken hat sie unter anderem im Weitsprung, wo sie 2010 Deutsche U20-Meisterin und 2011 Deutsche U20-Hallenmeisterin wurde. Ihre Bestleistung: 6,42 Meter.
Im Jahr 2012 lief es dann gar nicht nach Plan für Tilia Udelhoven. Das Medizinstudium forderte viel von ihr – zu viel. Hinzu kam eine längst angerissene Sehne im Oberschenkel-Beuger. Die Folge: das Siebenkampf-Jahr fand weitestgehend ohne sie statt. Nur beim Thorpe Cup in Marburg absolvierte sie alle sieben Disziplinen, mit einem für sie mageren Endresultat von 5.385 Punkten.
Aus den Erfahrungen hat die 20-Jährige ihre Konsequenzen gezogen. Betreut wird sie nun wieder von ihrem Vater Peter Udelhoven, im Medizinstudium hat sie ihren Stundenplan abgespeckt, das Training nach Köln verlegt: „Ich habe alle Faktoren gekillt, die mich unnötig Zeit gekostet haben“, erklärt sie.
Alina Biesenbach holt auf
Alina Biesenbach gehört wie ihre Mitbewohnerin dem Jahrgang 1992 an und steht damit vor ihrem zweiten Jahr in der Aktivenklasse. Im Trikot der LG Rhein-Wied zählte sie als Jugendliche zu Deutschlands besten Hochspringerinnen, überquerte schon als 18-Jährige 1,80 Meter. Der Siebenkampf steht erst seit dem Wechsel nach Leverkusen ganz im Mittelpunkt.
Anders als Tilia Udelhoven kann Alina Biesenbach auf ein erfolgreiches Jahr 2012 zurückblicken. Ihre Bestleistung aus der Jugend, die bei 5.339 Punkten stand, verbesserte sie im Juli beim Thorpe Cup um mehr als 300 auf 5.667 Punkte.
Motivation zieht sie auch aus einer starken Trainingsgruppe, zu der neben der WM-Dritten Jennifer Oeser auch die Deutsche Siebenkampf-Meisterin Kira Biesenbach zählt. Mit Kira Biesenbach und Anna Maiwald wurde Alina Biesenbach im vergangenen September Deutsche Mannschaftsmeisterin.
Norm für Tampere in Reichweite
Die beiden Wahl-Kölnerinnen haben für die Sommersaison schon zwei Termine fest in ihrem Terminkalender notiert: Am Mittwoch und Donnerstag (22./23. Mai) wollen sie in Ulm ihren ersten Siebenkampf der Saison absolvieren. Mitte Juni geht’s dann weiter beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen (15./16. Juni). Das Fernziel: die U23-EM in Tampere (Finnland; 11. bis 14. Juli).
5.750 Punkte sind als Norm gefordert. Alina Biesenbach müsste dafür ihre Bestleistung noch einmal um fast 100 Punkte steigern. Ausgeschlossen ist das nicht, aber sie weiß, dass die nationale Konkurrenz stark ist und dass nur drei deutsche Startplätze vergeben werden. Entsprechend zurückhaltend formuliert sie ihre Ziele: „Es wäre schön, wenn ich dabei wäre“, sagt sie. „Aber wenn’s nicht klappt, ist das auch nicht schlimm.“
Tilia Udelhoven ist da offensiver. „Mir ist eine internationale Teilnahme sehr wichtig“, sagt sie mit funkelnden Augen. "International zu starten motiviert mich immer enorm. Leistungen auf internationaler Bühne zu bringen kann sportlich und persönlich so viel freischalten für die darauffolgenden Monate und Jahre!"
Daher hat sie sich auch für die Universiade in Kazan (Russland) angemeldet. Die Energie für den Sport ist zurück, der Ehrgeiz sowieso. Sie sei nun wieder „sehr fokussiert“, gleichzeitig könne sie aber entspannter mit ihrer Situation als Studentin und Spitzensportlerin umgehen.
In Ratingen wird’s ernst
In Ulm steht nun also der erste Formtest auf dem Programm. „Ich freue mich riesig. Seit tausend Monaten arbeite ich dafür!“ sagt Tilia Udelhoven lachend. Noch wird nicht alles rund laufen, da muss sie die eigenen Erwartungen bremsen, zumal sie in der Saisonvorbereitung zweimal umgeknickt ist und erst seit einer Woche wieder mit Spikes trainiert. Auch die Wettervorhersagen sind nicht die Besten. „Ich darf nicht auf zu viel hoffen“, sagt sie.
Bleibt die Hoffnung auf Top-Bedingungen in Ratingen – denn da werden am 15. und 16. Juni endgültig die Tickets zu den internationalen Höhepunkten vergeben. Beide Siebenkämpferinnen kehren gerne dorthin zurück.
„Dass die Zuschauer so nah dran sind, kannte ich vorher gar nicht“, sagt Alina Biesenbach, „das gefällt mir gut!“ Tilia Udelhoven erklärt: „Ratingen war für mich schon immer mit großer Spannung verbunden, weil es kurz vor den internationalen Meisterschaften stattfindet.“ Und nach dem ersten Aufgalopp in Ulm soll Mitte Juni nicht nur das Wetter, sondern auch die Form für Topleistungen stimmen.
Erdgas Mehrkampf-Meeting in Ratingen (15./16. Juni): Tickets für das Mehrkampf-Fest in Ratingen gibt es unter www.ticketmaster.de oder über die Hotline: 01805 - 969 0000 (€ 0,14/Min. aus dem dt. Festnetz / max. € 0,42/Min. aus dem dt. Mobilfunknetz). |
Erdgas Mehrkampf-Meeting Ratingen
In der Kölner Sportler-WG herrscht gute Laune (Foto: Gantenberg)