Silvio Schirrmeister - „Wollte schon aufhören“
Silvio Schirrmeister hat sich mit einem furiosen Rennen in den Vordergrund gelaufen. Am vergangenen Samstag blieb der Chemnitzer Hürdenläufer in Regensburg mit seiner neuen Bestzeit von 49,21 Sekunden unter der Olympia-Norm. Für den früheren U20-Europameister ist das eine ungemeine Befreiung, nachdem er im letzten Jahr schon an Rücktritt dachte.
Silvio Schirrmeister, herzlichen Glückwunsch zur Olympia-Norm. Nach dem Rennen in Regensburg war Ihr Jubel im Ziel sehr ausgelassen...Silvio Schirrmeister:
Es war einfach geil. Ich hatte im letzten Jahr eine enorme Durststrecke. Ich hatte teilweise schon überlegt, die Spikes an den Nagel zu hängen und wollte schon aufhören. Wenn man dann im zweiten Rennen die Olympia-Norm läuft, dann ist das mehr als nur befreiend. Ich könnte jetzt einfach nur vor Freude heulen. So schön war das Gefühl auf die Uhr zu kucken und zu sehen: 49,21.
Sie haben gerade Ihre Durststrecke angesprochen. Was war in dieser Zeit alles passiert?
Silvio Schirrmeister:
Ich hatte zum einen den Verein gewechselt. Ich habe im letzten Jahr in Dresden auch eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert. Damit waren viele Filial- und Stellenwechsel verbunden. Nebenbei noch eine WM vorzubereiten, das war einfach alles zuviel. Bei den Deutschen Meisterschaften kam dann auch der Knackpunkt, wo ich nach einem Kreislaufzusammenbruch aufgeben musste. Danach habe ich mir gesagt, ich mache jetzt zwei Monate Pause und dann setze ich alles ins Olympiajahr.
Wann war genau der Zeitpunkt, an dem Sie sogar an einen Rücktritt gedacht hatten?
Silvio Schirrmeister:
Das war letztes Jahr beim Meeting in Biberach. Dort habe ich vor dem Startblock gestanden und mich gefragt, was ich hier eigentlich will. Was es noch soll, sich diese Strapazen anzutun. Die physische und psychische Belastung - und dann noch nebenbei Geld verdienen - das war schon hart. Das Rennen in Regensburg hat mir jetzt aber gezeigt, dass die Entscheidung weiterzumachen die richtige war.
War das „Nebenbei-Geldverdienen“ einfach aus finanzieller Sicht nötig oder hatte es mehr den Hintergrund, eine berufliche Ausbildung zu haben?
Silvio Schirrmeister:
Zum einen ging es mir darum, eine Ausbildung zu haben. Zum anderen kann man natürlich nur durch den Sport nicht leben. Es ist für mich aber auch sehr schön. Ich fühle mich ausgelastet. Auf der einen Seite steht der Sport, auf der anderen habe ich mit etwas anderem zu tun. Ich berate Kunden, wie sie am besten ihr Geld anlegen und gehe dann danach wieder zum Training. Das sind zwei unterschiedliche Welten, in denen ich abschalten und mich verausgaben kann.
Sind Sie auch jetzt im Olympiasommer im Bankgeschäft aktiv?
Silvio Schirrmeister:
Ich habe eine 30-Stunden-Stelle mit flexiblen Arbeitszeiten. Das heißt, ich kann mir die Stunden so legen, wie ich es brauche. Im Moment habe ich immer Donnerstag und Freitag frei, so dass ich den Fokus wirklich auf den Wettkampf legen kann. Man sieht, dass das Früchte trägt. Ich habe auch einen Chef, der sehr sportbegeistert ist und der auch mal ein Auge zudrückt, wenn etwas nicht so läuft. Wenn es jetzt Richtung Olympia gehen könnte, muss ich sehen, ob ich nicht einmal ein, zwei Monate zur Seite trete.
Gab es denn bislang überhaupt einen Plan in Richtung Olympia?
Silvio Schirrmeister:
Es gab den Plan schon. Der Plan war auch nicht in weiter Ferne. Der war schon greifbar. Aber ich kann nicht einen Plan umsetzen, wenn ich noch nicht die Voraussetzungen dafür habe.
Wann kam denn nach den Rücktrittsgedanken die Kehrtwende, an der dieser Plan wieder Gestalt angenommen hat?
Silvio Schirrmeister:
Die Kehrtwende kam, als ich mich auf der Arbeit mit meinem Chef darüber unterhalten habe, wie er die Möglichkeiten sieht, dieses Jahr anzugehen. Dann kam die Aussage, dass Olympia ein Ereignis ist, das ich vielleicht nur einmal im Leben sehe. Dann habe ich gesagt, dass ich dieses eine Jahr noch definitiv dranhänge - und wenn das optimal läuft, dann mache ich natürlich auch weiter. So kam die Entscheidung im Oktober, als ich auch mit meinen Trainer und dem Bundestrainer Volker Beck zusammen gesagt habe: Wir lassen die Hallensaison weg und legen alles auf den Sommer und denn rennen wir, was das Zeug hält.
Sie sind bereits an Pfingsten in Zeven in einem einsamen Rennen eine neue Bestzeit von 49,64 Sekunden gelaufen. War danach schon klar, dass in Regensburg eine solche Steigerung noch einmal möglich ist?
Silvio Schirrmeister:
In Zeven war definitiv klar, dass so eine Zeit möglich ist. Das Rennen dort war nur bis zur sechsten Hürde gut. Es war danach rhythmisch unsauber, technisch unsauber. Trotzdem ist so eine Zeit rausgekommen und das obwohl kein Gegner da war. Aber es zu wissen ist das eine, es umzusetzen ist das andere. Durch die Entscheidung mit dem Sport weiterzumachen, habe ich mich auch mental wieder gefangen, bin anders eingestellt und mental befreit. Ich bin wieder im Sport drin.
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