Simon Kirch - Vom OP-Tisch zum Meistertitel
"Das ist ein geiles Gefühl", freute sich Simon Kirch am vergangenen Sonntag nach dem Gewinn der Deutschen Hallen-Meisterschaft über 400 Meter. "Am Samstag war ich noch ganz schön aufgeregt, aber am Sonntag lief es mit den Glückshormonen im Blut einfach prima", erzählt der sympathische Titelträger weiter. Mit Siebenmeilenstiefeln ging der kahlgeschorene Langsprinter die erste Hallenrunde an und sicherte sich dort bereits den Vorsprung für die zweite Runde. Bei 46,30 Sekunden blieb die Uhr stehen, neue persönliche Hallenbestzeit und ein Platz unter den aktuellen Top 10 der (Indoor-)Welt.
Simon Kirch hat es in Dortmund allen gezeigt (Foto: Kiefner)
Und beinahe wäre er auch der schnellste Europäer dieser Saison auf den 400 Metern geworden. Nur eine Hundertstel fehlte zum Russen Dmitriy Forshev. "Hätte man mir das auf den letzten Metern zugerufen, hätte ich mich ins Ziel geworfen", grinste Simon Kirch tollkühn. Und dann: "Ich freue mich nicht nur über den Titel, sondern auch darüber, dass sich die lange und harte Arbeit endlich einmal ausgezahlt hat."Und die war und ist ziemlich hart bei dem Sprinter vom SV Saar 05 Saarbrücken. Denn bei jedem Schritt steht seine Gesundheit auf dem Spiel. Aber das ist ein Thema, über das er nicht gerne redet. Seine Verletzungsgeschichte schien schier unendlich und endete nun doch erst einmal mit einem Happy-End in Dortmund.
1999 bekam er Schmerzen in beiden Knien. Die Menisken rieben sich an den Wadenbeinköpfchen. Die Saison war zu Ende. Das Jahr 2000 lief dann wieder normal, 2001 riss im März der Meniskus im linken Knie ein. Einen Monat später wurde er operiert, wenige Monate später lief er wieder – 46,31 Sekunden. Das bedeutete gleichzeitig die Nominierung für die 4x400 Meter-Staffel in Edmonton, doch eine erneute Verletzung warf ihn abermals zurück.
Operationen, Narben und Torturen
Er wurde abermals operiert, diesmal im November, doch eine Besserung blieb aus. Die Schmerzen am Knie waren weiter präsent. Eine weitere Operation im Februar 2002 an der angerissenen Sehne im rechten Kniegelenk misslang, die Leidenstour ging weiter. Erst als ihm Muskelgewebe aus dem rechten Oberschenkel entnommen und daraus eine Sehne für sein Knie geflickt wurde, ging es nach und nach aufwärts. Eine Narbe am Knie zeugt jetzt von seinen Operationen und Torturen. Damit wären wir schon fast wieder in der Gegenwart.
In der Hallensaison 2003 lief Simon Kirch schließlich über die 400 Meter ordentliche 48,25 Sekunden. Doch ein erneuter Schock dann im Sommer. Ermüdungsbruch im rechten Wadenbein. Simon Kirch rannte trotz Anraten der Ärzte, die Saison zu beenden, weiter. Und wurde bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm in 46,52 Sekunden immerhin Fünfter. Soviel zur sportlichen Vergangenheit.
Dass es für ihn jetzt in dieser Hallensaison richtig gut läuft, zeigen nicht zuletzt auch die Ergebnisse in den Kurzsprints. 6,87 Sekunden über 60 und 21,22 Sekunden über 200 Meter stehen 2004 für ihn zu Buche.
"Freue mich auf Ingo Schultz"
Trotzdem wird er in den Wochen nach der Hallen-WM in Budapest vermehrt für das Schnelligkeitsprofil über 100 und 200 Meter arbeiten. Ohne dabei natürlich die Schnelligkeitsausdauer für die 400 Meter zu vernachlässigen. Denn auf seiner Paradestrecke will er weiter Gas geben. "Ich freue mich schon darauf, gegen Ingo Schultz zu laufen", sagt der 24jährige mit Blick auf die warme Jahreszeit. "Das ist immer ein gutes Gefühl."
In Budapest verzichtet er jetzt aber zunächst zu Gunsten der Staffel auf einen Einzelstart. "Knapp fünf Rennen in vier Tagen sind auch ganz schön viel. Außerdem legt der DLV großen Wert auf eine 4x400 Meter-Staffel, besonders hinsichtlich des Sommers."
Und eines kann man dem Saarbrücker im Gesicht ablesen: Olympia 2004 in Athen ist kein Traum, sondern ein ernsthaft anvisiertes Ziel.