Simon Schütz - Sprintende Wundertüte
Simon Schütz hat bei den Deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften in Sindelfingen für eine der großen Überraschungen gesorgt. Der 15-jährige Hesse im Trikot des SV Hohenstein stürmte mit zwei Bestzeiten zum Titel über 200 Meter. Selbst für die meisten Insider ist er bis jetzt ein Unbekannter.
Zweimal Bestzeit, ein Sturz und einmal Gold: Die Saison von Simon Schütz lässt sich am Verlauf des Wochenendes im Sindelfinger Glaspalast ablesen. Niemand hatte den am 3. Mai 1996 geborenen Hessen vor den Meisterschaften auf der Rechnung für den Meistertitel – inklusive ihm selbst.„Das war völlig unerwartet und ich konnte das alles erst einmal gar nicht fassen“, sagt er rückblickend. In 21,64 Sekunden gewann Simon Schütz in Abwesenheit des verletzten Favoriten Patrick Domogala (Mannheim) Gold und ließ die Zuschauer staunen.
Unterstützung vom Kadertrainer
Wie hätte er das auch erwarten können. Bislang war der SV Hohenstein mit seinen 160 Mitgliedern vor allem durch die Diskuswerfer Julia und Joachim Bremser sowie Iris Schneider bekannt, aber ein Hohensteiner Sprinter an der deutschen Spitze? Das gab es noch nie.
Im Herbst vergangenen Jahres wurde Simon Schütz in den Nachwuchskader des Hessischen Leichtathletik-Verbandes aufgenommen. Ein Glücksfall für ihn, dass der verantwortliche Landestrainer für den Sprint, Georg Schmidt, aus Wiesbaden kam.
Diethard Patzelt und Herbert Thiel, die Heimtrainer des 15-Jährigen, erkannten schnell, dass in dem hoch aufgeschossenen Youngster ein Talent schlummert. Sie suchten die Zusammenarbeit mit Georg Schmidt, der die Trainingsplanung übernahm und als dritter Mann im Boot die Betreuung von Simon Schütz organisierte. Seither trainiert der junge Sprinter maximal viermal die Woche und pendelt bisweilen zwischen Hohenstein, Wiesbaden und Frankfurt.
Verletzungsanfälliger Rohdiamant
Von Anfang war klar: Dieser Rohdiamant muss mit Samthandschuhen angefasst werden. „Simon kommt vom Fußball und hat vom blauen Schienbein angefangen alles mitgebracht. Er ist sehr verletzungsanfällig“, weiß Diethard Patzelt um die körperlichen Grenzen seines Schützlings.
Georg Schmidt schaffte es trotzdem, an Simon Schütz‘ Form so zu feilen, dass der 1,88 Meter große Schlacks zu Saisonbeginn über 200 Meter in Düsseldorf mit 22,35 Sekunden ein erstes Ausrufezeichen setzte.
Doppelsieg bei Süddeutschen
Über einen Wettkampf in Frankfurt (22,25 sec) nahm Simon Schütz Fahrt für seine ersten überregionalen Meisterschaften auf. Bei den Süddeutschen Hallen-Titelkämpfen in Sindelfingen holte er über 60 Meter in 7,07 Sekunden und über 200 Meter in 22,29 Sekunden (Vorlauf: 22,22 sec) das Sprintdouble und fuhr mit zwei Goldmedaillen im Gepäck nach Hause.
„Eigentlich haben wir mit einer Saison im Kurzsprint geplant, aber nach dem Verlauf war es absehbar, dass er über 200 Meter gute Chancen haben würde“, erklärt Georg Schmidt rückblickend.
Sturz im Siegesrausch
Eine Woche vor dem Saisonhöhepunkt und eigentlich auch Abschluss des Winters verblüffte das Leichtgewicht (72 kg) mit 22,09 Sekunden. Immer mehr kristallisierte sich heraus, dass es in Sindelfingen nicht nur um die bloße Teilnahme ging. „Ich habe mit dem Endlauf spekuliert, dass es so gut laufen würde, hätte ich auf keinen Fall gedacht“, beschreibt die sprintende Wundertüte mit zeitlichem Abstand seine Erwartungen im Vorfeld der Meisterschaftspremiere.
Bei seinem ersten nationalen Auftritt steigerte er sich im Vorlauf auf 21,64 Sekunden, die er im Finale noch einmal wiederholen konnte. So schnell war Simon Schütz noch nie, und es hielt ihn nach dem Goldlauf auch nicht lange auf den Beinen. Nach fünf Metern segelte er im Siegesrausch über die Bahn. „Ich dachte, ich bin im Traum“, beschreibt der überglückliche Sieger seine Gefühlslage.
Trainer bremst Erwartungen
Danach folgte die Nominierung für den Hallen-Länderkampf im französischen Val-de-Reuil, bei dem er in 21,66 Sekunden die drittschnellste Zeit anbot. Auch seine bis zu drei Jahre älteren Nationalmannschafts-Kollegen verblüffte er. „Manche haben mich gefragt, wie man so jung so schnell sein kann.“ Simon Schütz wusste keine Antwort.
Im Sommer will er wieder Taten sprechen lassen. Da möchte er sich für einen Staffelplatz bei den U20-Weltmeisterschaften in Barcelona (Spanien; 10. bis 15. Juli) qualifizieren. Aber Trainer Georg Schmidt bremst den U18-Athleten. „Wir möchten bei den Deutschen Jugendmeisterschaften den Titel über 200 Meter und eine Medaille über 100 Meter gewinnen“, sagt der Coach und fügt noch schnell an: „In seiner Altersklasse.“