Sizilianisches Talent mit ukrainischem Paten
Nationale Rekorde stellte er in der Freiluftsaison 2003 stets im Doppelpack auf und doch hatte ihn in Paris keiner auf der Rechnung: Überraschungsweltmeister Giuseppe Gibilisco wurde zum Instant-Sporthelden im sonst fußballverrückten Italien. 4,5 Millionen Fernsehzuschauer verfolgten das Stabhochsprungfinale und feierten ihren "Beppe" – ohne ihn wäre die Ausbeute mit zwei Bronzemedaillen sehr mager ausgefallen. Konkurrent Okkert Brits lobt ihn als "phänomenal, brilliant und technisch perfekt" und auch Stabhochsprung-Ikone Sergey Bubka erkannte seine Technik bei Gibilisco wieder.

Giuseppe Gibilisco feierte in Paris ausgiebig seinen WM-Sieg. (Foto: Kiefner)
Kein Wunder – auch wenn 2003 zum ersten Mal in der Geschichte der Weltmeisterschaften das Stabhochsprung-Gold nicht an einen Russisch sprechenden Athleten ging, so ist doch die russische Sprache beim Sieg Gibiliscos involviert. Sein Trainer ist kein geringerer als Vitaly Petrov, der lange Jahre für die Erfolge Sergey Bubkas verantwortlich zeichnete. Der Ukrainer entdeckte das Talent des damals 17-Jährigen bei den italienischen Jugendmeisterschaften und holte ihn nach Formia. Dort nahm der heute 58-jährige Stabhochsprung-Nationaltrainer ihn unter seine Fittiche. Der aus Syrakus stammende Gibilisco erinnert sich an die ersten Jahre weit weg von seiner Familie: "Nach dem Training wusste ich nicht wohin und was ich tun sollte. Ich war alleine und vollkommen verloren in einer unbekannten Stadt."Zwei mal zwei macht vier
Sieben Jahre später kann der 1,81 Meter große und 70 Kilogramm schwere Champion stolz auf die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit Petrov blicken. Dieses Jahr verbesserte er Fabio Pizzolatos italienischen Rekord beim Golden League-Meeting in Rom von 5,75 Meter auf 5,77 und weiter auf 5,82 Meter. Bei den Weltmeisterschaften pokerte der 24-Jährige, als er bei 5,75 Meter nach zwei ungültigen Versuchen an elfter Stelle lag: Auf den Rat Petrovs hin wechselte er auf härtere Stäbe und sparte sich seinen letzten Versuch für die 5,80 Meter auf – als der gelang, katapultierte er sich damit auf den ersten Rang. Seine Konkurrenten schockte der Sizilianer, als er auch die nächsten Höhen – 5,85 und 5,90 Meter – im ersten Versuch schaffte und seinen eigenen Landesrekord zum dritten und vierten Mal nach oben schraubte.
Wild auf zwei Rädern und in der Luft
Eine Ehrenrunde durch das Stade de France auf einem Motorrad blieb ihm bei seinem Titelgewinn versagt. Vor heimischem Publikum in Rom dagegen hatte er seinen frischgebackenen Rekord mit einer Tour auf der Honda von Motorradweltmeister Valentino Rossi feiern dürfen. Seine Leidenschaft für Motorräder ging sogar so weit, dass er bereits im zarten Alter von zehn Jahren das Auto seines Vaters heimlich stibitzte oder mit seinen Syrakuser Freunden Motorradrennen fuhr – ohne Führerschein aber dafür mit Polizeikontrolle! Im Petrov-Camp lernte er einen anderen Kitzel kennen – Motorradfan ist er jedoch geblieben.
Eigeninitiative beim Staatsempfang
Von seinem WM-Coup erwartet Gibilisco einen Schub für die italienische Leichtathletik. "Ich hoffe, dass meine Goldmedaille eine neue Athletengeneration inspiriert und mein Sport populärer wird." Sein Sieg verschaffte ihm die Aufnahme in den gut dotierten italienischen Olympiakader und eine Begegnung mit Staatspräsident Carlo Ciampi, den er sehr verehrt. Obwohl nicht im Protokoll vorgesehen, schüttelte er dem erstaunten Ciampi die Hand und holte sich Glückwünsche zu seinem Welterfolg ab!