Sören Ludolph - Kampf gegen die Zeit
Viermal in Folge ist er zuletzt Deutscher Meister über 800 Meter geworden, zweimal im Freien und zweimal in der Halle. Doch bei internationalen Titelkämpfen der Aktiven war er noch nie am Start. Das soll sich 2012 ändern: Sören Ludolph (LG Braunschweig) setzt im Olympiasommer alles auf eine Karte – und die Chancen auf Erfolg standen noch nie so gut wie jetzt.
Keine Seminare mehr, keine Vorlesungen, keine Praxiseinheiten: Seit März diesen Jahres lebt der angehende Polizeikommissar Sören Ludolph ausschließlich für den Leistungssport. Ab und zu muss er noch an den Schreibtisch, um für seine Abschlussprüfungen im Herbst zu lernen. Aber sonst macht er vor allem eins: Laufen.Es ist das erste Mal in seiner sportlichen Karriere, dass der 24-Jährige sich ausschließlich auf seine sportlichen Ziele konzentrieren kann. Und die sind hoch gesteckt: Sören Ludolph will sowohl bei den Europameisterschaften in Helsinki (Finnland; 27. Juni bis 1. Juli) als auch bei den Olympischen Spielen in London (Großbritannien; 27. Juli bis 12. August) dabei sein.
Fleißiger Titelsammler
Dass er auf den Punkt topfit ist, nerven- und vor allem spurtstark, das hat der Norddeutsche schon häufig unter Beweis gestellt. In Braunschweig, der Stadt, für die er seit 2008 startet, holte er 2005 seinen ersten deutschen Titel: Meister der B-Jugend über 800 Meter.
Nach zwei Titeln bei den Junioren wurde er 2010 zum ersten Mal Deutscher Meister – wieder in Braunschweig. 2011 folgte die Titelverteidigung, und auch bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften kam er zuletzt zweimal in Folge als Erster ins Ziel.
Seit acht Jahren bei Jörg Voigt
Dabei konnte Sören Ludolph regelmäßig seinen größten Trumpf ausspielen: seinen starken Endspurt. Auf der Zielgerade rang er oft höher gewettete Konkurrenten wie Robin Schembera (TSV Bayer 04 Leverkusen) oder Sebastian Keiner (Erfurter LAC) nieder, die mit stärkeren Vorleistungen angetreten waren.
„Die Spurtfähigkeit habe ich von Gerd“, sagt er und lacht. Gemeint ist sein erster Trainer Gerd Prüsmann, der ihn bei der LG Nordheide bis zu seinem 16. Lebensjahr betreute. Anschließend wechselte das Lauftalent zu Jörg Voigt ins Sportinternat nach Hannover. Der niedersächsische Landestrainer ist auch heute noch an seiner Seite.
Normen fest im Blick
Im Olympiajahr steht für den Deutschen Meister die Titeljagd nicht im Vordergrund. Im Olympiajahr geht es ihm um die Zeit. Genauer gesagt um die Normen für die Saisonhöhepunkte: 1:46,45 Minuten muss er für eine EM-Teilnahme laufen. 1:45,55 Minuten sind für den Start bei den Olympischen Spielen gefordert – davon träumt Sören Ludolph seit Jahren, darauf arbeitet er hin.
„Wenn bei den Deutschen Meisterschaften zwei Läufer schneller sind als ich, ich aber als Dritter die Olympia-Norm unterbiete, dann bin ich damit auch zufrieden“, erklärt er. „Zum Glück gibt es für London drei Startplätze.“
2008 in Peking (China) war keiner dieser Startplätze besetzt. Der letzte deutsche Olympiateilnehmer über 800 Meter war 2004 in Athen (Griechenland) der inzwischen verstorbene René Herms. Mit ihm startete Sören Ludolph ein Jahr lang gemeinsam für die LG Braunschweig.
Knoten geplatzt
Genau ein Mal hat der Mittelstreckler die Olympia-Norm in seiner Karriere bisher unterboten: In Königs Wusterhausen verbesserte er im vergangenen September seine Bestleistung um mehr als anderthalb Sekunden auf 1:45,04 Minuten – so schnell war seit 2005 kein Deutscher mehr.
Er selbst war wohl am wenigsten überrascht über den Leistungssprung. Die Zeit sei längst fällig gewesen, erklärt er, im Training hatte sie sich schon lange angedeutet. "In vielen Rennen hat mir der Arsch in der Hose gefehlt“, lautete kurz nach dem Lauf seine prägnante Erklärung dafür, warum er nicht schon vorher schneller war.
Locker in die Saison
Die Zeichen stehen gut, dass die Topzeiten 2012 früher fallen als erst zum Saisonausklang. Rund vier Wochen sei er seiner Leistung des Vorjahres schon voraus, erklärt Sören Ludolph. Im Winter hatte ihn eine zweiwöchige Erkältung ausgebremst, doch anschließend konnte er gut trainieren, feilte unter anderem vier Wochen in einem Trainingslager in Monte Gordo (Portugal) an seiner Form.
Am kommenden Wochenende (6. Mai) startet der Braunschweiger beim Läufermeeting in Pliezhausen über 600 Meter in die Wettkampfsaison. Es folgen Auftritte in Montgeron (Frankreich; 13.5.), Dessau (25.5.), Hengelo (Niederlande; 25.5.) und Bydgoszcz (Polen; 2.6.). Es gilt zu zeigen, dass seine neue Bestzeit keine Eintagsfliege war.
Sören Ludolph will locker in die Saison gehen. „Ich sage nicht, dass ich gleich im ersten Wettkampf die Normen schaffen muss“, erklärt er. Er weiß: Wenn er unverkrampft bleibt, kann er vieles erreichen. So wie im September, als er einfach den Kopf ausschaltete und mit einer Topzeit in den Kreis der Olympia-Anwärter stürmte.