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Sophia Volkmer: Mittelstrecklerin mit unbändigem Siegeswillen

Keine europäische U18-Athletin war über 800 Meter in diesem Sommer schneller: Sophia Volkmer thront mit 2:04,26 Minuten an Europas Spitze. Ihre Bestzeit blieb zwar bei der Junioren-Gala in Mannheim unberührt. Dennoch sicherte sich die 17-Jährige dort das EYOF-Ticket und reist nun gemeinsam mit 23 weiteren jungen DLV-Athleten nach Baku.
Sandra Arm

Von ihrem Trainer Mark Schwesig bekam Sophia Volkmer (TV Wetzlar) zu ihrem Geburtstag am 14. Mai einen Reiseführer über Baku geschenkt. Gewissermaßen als kleiner Anreiz für den internationalen Höhepunkt in dieser Freiluftsaison. Sie legte den Reiseführer erst einmal beiseite. "Ich habe ihn mir nicht wirklich angeschaut", gesteht sie lächelnd.

Für das junge Lauftalent schien das Europäische Olympische Jugend-Festival, das vom 21. bis 27. Juli in der Hauptstadt von Aserbaidschan stattfindet, noch zu weit weg. Gleichwohl war das sportliche Ziel immer und überall präsent. "Ich wollte es unbedingt schaffen." Ihr Ehrgeiz war geweckt.

Wichtiger Baustein: Verletzungsfrei durch die Vorbereitung

Das vergangene halbe Jahr verlief für Sophia Volkmer fast wie im Traum. Nur eine Erkältung brachte sie kurz vor ihrem Start bei der Hallen-DM in Sindelfingen etwas aus dem Rhythmus. "Ich war überrascht, dass es dann dort so gut lief." Sie holte sich den Hallen-Meistertitel (U20). Das Glück blieb ihr treu, verletzungsfrei verlief die weitere Vorbereitung auf den Sommer. Nicht wie noch vor einem Jahr, wo sie sehr lange ausfiel. Ihre lange Beschwerdeliste: Eisenmangel, Probleme mit der Hüfte, ein entzündetes ISG (Iliosakralgelenk) sowie eine entzündete Patellasehne und Nasennebenhöhlen. Die Jetzt-Zeit fühlt sich da um einiges besser an. Und diese Tage weiß sie nun umso mehr zu schätzen.

Den Grundstein für eine bisher sensationelle Freiluftsaison legte sie mit einer Topzeit in Karlsruhe: Bei der Langen Laufnacht standen 2:04,33 Minuten auf der Uhr. Ihre Bestzeit aus dem Vorjahr von 2:06,92 Minuten war Geschichte. Ebenso wie der älteste U18-Hessenrekord über 800 Meter, der zuvor 42 Jahre unberührt blieb. Drei Wochen später war die alte Bestmarke auch schon wieder Geschichte. Sophia Volkmer war nicht zu bremsen und begeisterte bei der Pfungstädter Laufgala mit einem erneuten Rekordlauf. Seither steht der Hausrekord bei 2:04,26 Minuten!

Pfungstadt: Sophia Volkmer mit bestem Finish

Dieses Rennen weckt bei ihr viele schöne wie lehrreiche Erinnerungen: Da war dieses Duell mit der zweifachen Hindernis-Europameisterin Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier), die in Pfungstadt in die Saison einstieg. "Das war schon ein tolles Gefühl mit ihr zu laufen. Ich kannte sie nur aus dem Fernsehen", erzählt Sophia Volkmer über ihre erste Begegnung mit der 26-Jährigen. Zugleich war es ein gemischter Lauf – Männer und Frauen starteten gemeinsam über die beiden Stadionrunden. "Es war ein sehr holpriges und unrundes Rennen. Ich wurde angerempelt und bin gestolpert." Gegen ihren Schlussspurt aber hatte dann selbst Gesa Felicitas Krause keine Chance.

So recht kann sie sich ihr starkes Finish, das fast schon zu einem Markenzeichen geworden ist, nicht erklären. "Ich bin ehrgeizig, ich will einfach gewinnen und und möchte am Ende nochmal alles rausholen." Die Zeit war überraschend gut. Doch sie haderte etwas. "Ich hatte das Gefühl, dass in diesem Lauf mehr drin gewesen wäre. Für mich war es kein perfektes Rennen. Aber wiederum sehr lehrreich für die nächsten Wettkämpfe." Als Erinnerung blieb nicht nur die Bestzeit, sondern auch ein gemeinsames Foto mit Gesa Felicitas Krause. "Sie ist nach dem Lauf zu mir gekommen und wollte ein Foto mit mir machen. Wir haben uns danach geschrieben und Fotos ausgetauscht. Sie ist eine nette, sympathische Frau. Diesen Tag werde ich nie vergessen", blickt Sophia Volkmer zurück.

Gala-Sieg bringt EYOF-Ticket

Genauso wenig wie die Junioren-Gala in Mannheim. Nur die Erstplatzierte sollte das Ticket für Baku lösen. Die Hitze mit Temperaturen nah an der 40-Grad-Marke schien für sie nicht so sehr das Problem zu sein. "Das blendet man aus, man macht sich warm und ist auf seinen Lauf fokussiert." Eigentlich hatte Sophia Volkmer vor, ihre Bestzeit anzugreifen. Vieles sprach dafür: eine schnelle Bahn in Mannheim, starke nationale Konkurrenz und ihr eigener Anspruch. Sie fühlte sich gut. Und doch war sie "nicht in der Verfassung für eine Bestzeit". Sie war etwas verwirrt. "Ich bekam keine Zwischenzeiten angezeigt. Ich weiß bis heute nicht meine Zwischenzeit bei 400 Meter." Sie siegte dennoch (2:07,11 min) und darf sich nun erneut das Nationalmannschaftsdress überstreifen.

Mit ihren 17 Jahren verfügt Sophia Volkmer schon über internationale Erfahrung. Im Vorjahr stand sie dreimal im DLV-Aufgebot. Beginnend mit dem U20-Länderkampf in Nantes (Frankreich) sowie ihren Starts bei der U18-EM in Györ (Ungarn; 5. Platz) und den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires (Argentinien; 4. Platz). "Ich habe in der Zeit viel gesehen und gelernt, was mir bei den kommenden Starts sicherlich helfen wird. Ich weiß jetzt, wie ich mich in der jeweiligen Situation verhalten muss." In den Rückspiegel schaut sie nur ungern. Der Fokus liegt auf der Gegenwart, die Baku heißt.

Trainer und Athletin: ein super Team

Für die Vorbereitung wählte Trainer Mark Schwesig ein Trainingslager im österreichischen Altaussee. "Wir sind zu seinem Bruder Holger gefahren und haben neun Tage dort verbracht. Für mich war es einfach mal schön, aus dem gewohnten Umfeld rauszukommen. Ein paar Tage zu entspannen und den Kopf frei bekommen", erzählt Sophia Volkmer, die mit den Zwillingssöhnen des Trainers, Niklas und Frederik, gute Trainingspartner an ihrer Seite weiß. Trainiert wurde alles – von Ausdauer über Kraft bis zum Sprint.

Ein Team, das sind Mark Schwesig und Sophia Volkmer seit vier Jahren. "Ich bin unheimlich froh, dass er mein Trainer ist. Wir haben eine sehr enge Verbindung." Was sich auch darin zeigt, dass er seinen Schützling nach Baku begleiten wird. Auch Schwesigs Bruder und die Familie von Sophia Volker werden vor Ort sein. Ihr Vater war einst selbst Leichtathlet, seine Tochter begann mit vier Jahren mit diesem Sport. Andere Sportarten wie Reiten, Schwimmen, Ballett und Tanzen habe sie parallel ausprobiert. "Die Leichtathletik hat mich gefesselt und nicht mehr losgelassen. Ich war beeindruckt, die eigenen Grenzen zu erfahren und wie viel man durch den Sport erreichen kann."

Mehrere Glücksbringer für den Erfolg

Groß denken liegt Sophia Volkmer fern. Schließlich kann auf den 800 Metern alles passieren. "Jedes Rennen verläuft anders. Erstmal gilt es den Vorlauf zu überstehen. Sollte ich im Finale stehen, dann werde ich dort alles geben und reinhauen, was geht." Auf den beiden Stadionrunden wird sie von zwei Glücksbringern – einer Glücksnadel und ihren Spikes – begleitet. "Zu meinem Wettkampfritual gehört, dass ich meine Glücksnadel links oben an die Startnummer hefte und meine Spikes mehrfach überprüfe und gut zubinde." Ihr Trainer hat einen weiteren Glücksbringer dabei: ein Glücks-T-Shirt.

Los geht's am Freitag. Erst nach München, einen Tag später weiter über Doha nach Baku. Den geschenkten Reiseführer über Baku hat Sophia Volkmer mittlerweile etwas intensiver studiert. "Nach allem, was ich bisher gelesen und gehört habe, ist Baku wirklich eine tolle Stadt. Ich hoffe, es bleibt nach den Wettkämpfen noch ein bisschen Zeit, um sie zu erkunden." Dann aber nicht im Eiltempo wie über 800 Meter, sondern eher im Bummelschritt – ganz gemütlich und in Ruhe.

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