Die leichtathletik.de-Analyse – Mittelstrecken
Der Leichtathletik-Sommer 2005 ist Geschichte. Die deutsche Szene war in den letzten Monaten nach dem Tief bei den Olympischen Spielen in Athen wieder von einem Aufwind ergriffen. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2005, blickt auf 2006 voraus und stellt die neuen Hoffnungsträger vor.

René Herms lief bei der WM ins Halbfinale (Foto: Kiefner)
Mittelstrecke MännerSo stehen die DLV-Asse international:
René Herms (LG Asics Pirna) ist in Deutschland das Maß aller Dinge über 800 Meter und auch international kann er mit seiner Jahresbestzeit von 1:44,71 Minuten, die er am 9. Juli in Cuxhaven aufstellte, mit den Top 20 weltweit mithalten, auch wenn ihm der Sprung ins WM-Finale dieses Jahr noch verwehrt blieb.
Über 1.500 Meter sieht es bei den Männern eher mager aus. Weder ist ein deutscher Name in der IAAF-Weltjahresbestenliste oder Europabestenliste zu finden, noch konnte der DLV einen zweiten deutschen Mittelstreckler neben René Herms zur WM schicken. Als einziger Lichtblick ist Wolfram Müllers (LAV Asics Tübingen) siebter Platz bei der Hallen-EM in Madrid zu erwähnen. Der talentierte Mittelstreckler war in diesem Jahr aber vornehmlich mit Verletzungs- und Trainerproblemen beschäftigt, was eine vernünftige Sommersaison unmöglich machte.
Die Bilanz 2005:
Die Analyse der Erfolge 2005 fällt in den Mittelstreckendisziplinen im Hinblick auf die Weltmeisterschaft eher nüchtern aus. Kein deutscher Athlet erreichte das Finale in Helsinki.
"Es wäre schön gewesen, wenn René ins Finale gekommen wäre, aber er wird aus den Fehlern dieser Saison für das kommende Jahr lernen", ist sich DLV-Disziplintrainer Henning von Papen sicher. Insgesamt stellt er den aktiven Mittelstrecklern kein gutes Zeugnis aus. "Mit dieser Saison können wir nicht zufrieden sein. Es wird Zeit, dass die jungen Athleten den Anschluss schaffen." Pech war zudem, dass man Verletzungen bei Wolfram Müller und Toni Mohr (LC Cottbus) zu beklagen hatte und auch Franke Haschke (LG Nord Berlin) noch nicht wieder an sein eigentliches Leistungsniveau anknüpfen konnte. "Franek ist aber auf einem guten Weg zurück", glaubt Henning von Papen.
Die Chancen 2006:
René Herms kann sich, wenn er von Verletzungen weiterhin verschont bleibt, weiter nach vorne arbeiten. Das kommende Jahr könnte in Anbetracht seines vierten Platzes in Europas Bestenliste der große Durchbruch für ihn sein und wir können uns jetzt schon auf die Europameisterschaft in Göteborg (Schweden) freuen. Ähnlich schätzt auch sein Bundestrainer die Situation ein und macht deutlich: "Die Zielstellung bei der EM ist für René eine Medaille."
"Über 1.500 Meter würde ich mich freuen, wenn wir alle drei Startplätze besetzen könnten", sagt Henning von Papen und liefert auch gleich die Kandidaten bzw. die Bedingungen unter denen diese Plätze belegt werden können. "Die Fragen lauten: Stabilisiert sich Wolfram Müller wieder? Kommt Franke Haschke bis dahin an alte Zeiten heran? Kann Stefan Eberhardt (LC ThüringenGas Erfurt) sich nach dieser tollen Saison nochmals um zweieinhalb Sekunden steigern?" Jedoch lässt Henning von Papen auch einen Newcomer wie Carsten Schlangen (SV Union Meppen), der sich dieses Jahr auf 3:40,79 Minuten steigerte, nicht außer Acht.
Über 800 Meter hat Henning von Papen, neben René Herms, noch drei weitere Namen auf seiner Liste stehen, die Kandidaten für die EM sind und bescheinigt René Bauschinger (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg) und Andreas Freimann (LC ThüringenGas Erfurt) durchaus Chancen zur Qualifikation. "René Bauschingers Bestzeit ist in diesem Jahr hinter dem Erfolg zurück geblieben. Bronze bei der U23-EM war toll, aber an der Zeit müssen wir noch arbeiten. Andreas Freimann ist schon mal eine 1:46 Minuten gelaufen. Dort muss er im nächsten Jahr wieder ansetzten. Dann sehe ich auch für die EM Chancen."
Der große Unbekannte ist der Sydney-Olympiasieger Nils Schumann (LG Eintracht Frankfurt). Er schnürt mittlerweile wieder die Laufschuhe und will in der kommenden Hallensaison wieder Wettkampfpraxis sammeln, um dann voller Elan in den EM-Sommer zu starten. Wie das konkret aussehen wird, bleibt abzuwarten. "Im Training sieht es jedoch danach aus, dass er den Anschluss schaffen kann", ist der Bundestrainer optimistisch.
Die Hallen-Weltmeisterschaft in Moskau (Russland) sieht Henning van Papen primär als Chance für die jungen Athleten, um Erfahrung im internationalen Wettkampfgeschäft zu sammeln. "Hier denke ich vor allem an René Bauschinger, Stefan Eberhardt und Andreas Freimann."
Das sind die Hoffnungsträger:
Insgesamt hat sich der Nachwuchs in dieser Saison, sei es bei der U23-EM in Erfurt, bei der U20-EM in Kaunas (Litauen) oder der U18-WM in Marrakesch (Marokko), in einem guten Licht präsentiert. Zehn Endkampf-Platzierungen lassen auf die kommenden Jahre hoffen.
"Es sind einige junge Leute auf dem Weg, die es bis 2008/2009 nach vorne schaffen können", prognostiziert Henning von Papen. Generell bescheinigt er dem gesamten Kaderkreis, der auch schon im kommenden Jahr bei der EM angreifen könnte, das Potential als Hoffnungsträger für die kommenden Jahre zu fungieren. Zu den ganz heißen Kandidaten zählt, neben René Herms und René Bauschinger, auch Stefan Eberhardt, der bei der Europameisterschaft U23 schon zu Silber über 1.500 Meter lief und gemeinsam mit Andreas Freimann, dem Achten der U23-EM über 800 Meter, der starken Trainingsgruppe von Dieter Herrmann angehört.
Über 1.500 Meter ist auch an den Cottbuser Toni Mohr zu denken. Auch wenn der talentierte Mittelstreckler in diesem Jahr aufgrund von Achillessehnenbeschwerden nicht in Erscheinung treten konnte, so zählt er doch zu den Hoffnungsträgern des DLV, wie auch an seiner Zugehörigkeit zum Top-Team-Kader Peking 2008 abzulesen ist.
Aus dem Bereich der U20- und U18-Athleten rücken mit Merlin Rose (LG Nord Berlin), Martin Conrad (SC Potsdam), Volker Peter (LG Asics Pirna), Rico Loy (LG Badenova) und Robin Schembera (TSV Bayer 04 Leverkusen) weitere Talente auf den Mittelstrecken nach.
Mittelstrecke Frauen
So stehen die DLV-Asse international:
Bei den Frauen stellt sich die Lage etwas besser dar. Über 800 Meter sind mit Monika Gradzki (TV Wattenscheid, Platz 48) und Kathleen Friedrich (SC Potsdam, Platz 60), die in diesem Jahr neben den 1.500 Metern auch mit den 800 Metern flirtete, immerhin zwei deutsche Athletinnen in der Weltjahresbestenliste des Weltverbandes IAAF über 800 Meter zu finden. Jedoch machte Monika Gradzkis Auftritt bei der WM, wo sie im Halbfinale scheiterte, deutlich, dass sie mit 2:01,00 Minuten noch ein ganzes Stück von der Weltspitze um die Jahreschnellste Tatyana Andrianova (Russland, 1:56,07 min) entfernt ist.
Ähnlich sieht es über 1.500 Meter aus. Die beiden Potsdamerinnen Antje Möldner und Kathleen Friedrich rangieren mit 4:08,81 Minuten bzw. 4:08,88 Minuten auf Platz 60 bzw. 61 der Weltbestenliste und sind nicht unter Europas Top 30 geführt. Doch Antje Möldners 22. Platz in der IAAF World-Ranking-Tabelle, sowie ihr überraschender sechster Platz bei der Hallen-EM, können sich für die 21-jährige Athletin durchaus sehen lassen.
Die Bilanz 2005:
Immerhin stand eine DLV-Mittelstrecklerin über 800 Meter im Halbfinale. "Monika Gradzki fehlt international einfach noch die Erfahrung. Sie muss lernen mit taktischen Rennen umzugehen", analysiert Beate Conrad, DLV-Disziplintrainerin der weiblichen Mittelstrecklerinnen, den Auftritt der Wattenscheiderin in Helsinki. "Mit dem Erreichen des Halbfinals hat Monika das Soll erfüllt. Mit mehr war einfach nicht zu rechnen", schätzt sie den augenblicklichen Leistungsstand ihrer Kaderathletin ein.
"Wir sollten uns nicht schlechter machen, als wir sind", mahnt Beate Conrad vor zu viel Pessimismus. "Wir hatten mit Monika Gradzki und René Herms zwei Athleten bei der WM im Halbfinale. Das ist schon mal ein Lichtblick."
Die Chancen 2006:
"Ich hoffe, dass die Frauen im kommenden Jahr ihre Chance nutzten", schürt Beate Conrad die Erwartungen an die EM in Göteborg. "Für Monika Gradzki und Antje Möldner lautet das Ziel EM-Finale. Und wenn das erst mal erreicht ist, dann kann im Finale alles passieren." Klar müssten beide sich noch steigern. "Eine 2:01 Minuten reicht über 800 Meter nicht, aber Monika hat das Potential für schnellere Zeiten", weiß die ehemalige Mittelstrecklerin und auch Antje Möldner müsse sich über 1.500 Meter im Bereich von 4:06 Minuten stabilisieren. "Wenn sie diese Zeiten sicher abrufen kann, dann kann ihr bei dem richtigen Rennen auch eine 4:03 Minuten rausrutschen. Und damit ist man vorne dabei."
Claudia Gesell (TSV Bayer 04 Leverkusen), die momentan ihre Achillessehnen-Operation auskuriert, ist durchaus nicht zu vergessen. "Ich hoffe, dass Claudia wieder den Anschluss schafft. Zusammen mit Monika und Janina Goldfuß, die in dieser Saison aufgrund von einem Pfeiferischem Drüsenfieber ihr Können nicht ganz zeigen konnte, hätten wir dann über 800 Meter schon drei schnelle Frauen, die zusammen eine echte Front bilden könnten", spekuliert Beate Conrad.
Das sind die Hoffnungsträger:
"Die Decke im Mittelstreckenbereich der Frauen ist einfach wahnsinnig dünn", gibt Beate Conrad ehrlich zu. "Einen richtigen Hoffnungsträger kann ich momentan nicht sehen. Das bereitet mir Kopfzerbrechen. Die Jungen müssen ran. Wir brauchen wieder Sieger", fordert sie.
Momentan sind bei den Frauen nur die Wattenscheiderin Janina Goldfuß über 800 Meter und Antje Möldner, die neben dem sechsten Platz bei der Hallen-EM auch mit Bronze bei der Europameisterschaft-U23 glänzte, über 1.500 Meter im Top-Team-Kader Peking 2008. Zwei Athletinnen, die Beate Conrad bis 2008 fest auf ihrer Liste hat.
Talent bringen auch die jungen Nachwuchsläuferinnen wie Annett Horna (TSV Bayer 04 Leverkusen), Achte der U20-EM über 800 Meter, Stephanie Thieke (LG Emstal Dörpen), Neuntplazierte der U20-EM über 1.500 Meter, und Sabrina Buchrucker (ASV Köln), Achte über 800 Meter bei der U18-WM in Marrakesch, mit. "Es ist wichtig, dass man auch im Jugendbereich schon vorne war und Erfahrung in internationalen Endläufen gesammelt hat. Dann ist der Schritt in die Erwachsenenklasse einfacher", erläutert die DLV-Disziplintrainerin.
Auch der 17-jährigen Diana Dienel (LG Asics Pirna) bescheinigt Beate Conrad großes Talent und die Fähigkeit bis 2008 den Anschluss geschafft zu haben. Jedoch hatte die 800-Meter-Läuferin in diesem Jahr mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
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