Sophie Krauel - „Oft ans Aufhören gedacht“
Arztpraxen, OP-Säle, Reha-Maßnahmen: Nach drei komplizierten Operationen, bei denen ein Geschwulst am linken Schienbein entfernt wurde, und dreieinhalb Jahren Pause ist Sophie Krauel zurück auf der großen Leichtathletik-Bühne. Die zweifache Junioren-Europameisterin 2003 (Weitsprung und 100 Meter Hürden) feierte ein beeindruckendes Comeback. Mit 6,49 Metern hat die 22 Jahre alte Athletin vom TuS Jena in diesem Winter schon mehr erreicht, als sie selbst erwartet hatte.

Frau Krauel, erinnern Sie sich noch an den 17. Juli 2004?
Sophie Krauel:
Ja. Das war der Tag des Weitsprungfinals der Junioren-WM in Grosseto. Mit 6,47 Metern bin ich Zweite geworden.
Und es war Ihr letzter Wettkampf für 1.267 Tage. Was haben Sie gefühlt, an was haben Sie gedacht, als Sie am 5. Januar 2008 erstmals wieder starten konnten?
Sophie Krauel:
Es ist schwer, das in Worte zu fassen. Meine Gefühle waren bunt gemischt. Ich war sehr aufgeregt, habe mich natürlich gleichzeitig riesig gefreut. Die lange „Abstinenz“ hat diese Situation aber auch irgendwie unwirklich erscheinen lassen. Natürlich hatte ich auch ein wenig Angst, dass ich mich blamieren und völlig unter Wert verkaufen würde… besonders, da es in den Trainingseinheiten zuvor nicht so gut lief. Aber das war ja nicht der Fall. So war es ein toller Wettkampf.
Haben Sie in den vergangenen dreieinhalb Jahren nie ans Aufhören gedacht, schließlich haben Sie mit Ihrem Pharmazie-Studium genug zu tun?
Sophie Krauel:
Das stimmt allerdings. Das Studium ist unglaublich zeitintensiv, und so kam es mir fast „gelegen“, dass ich zu Beginn des Studiums etwas mehr Zeit hatte, um mich „warmzulaufen“. Aber nur fast: Denn die dreieinhalb Jahre waren auch sehr schwierig. Ich habe nicht nur einmal daran gedacht, alles an den Nagel zu hängen. Es gab viele Momente, in denen die Hoffnung einfach versiegt war, und ich nicht mehr an eine Rückkehr geglaubt habe.
Woher nahmen Sie diese Kraft und diesen unbändigen Willen, um zurückzukehren?
Sophie Krauel:
Zum einen aus der Freude am Leistungssport. Es war ein großartiges Gefühl, als ich das erste Mal wieder gesprintet bin, Hürden überquert habe oder in eine Grube springen konnte. Ich habe auch versucht, bei vielen Wettkämpfen zuzuschauen, denn das hat mir immer einen „Kick“ gegeben und mir gezeigt, wo ich wieder hin will. Zum anderen haben so viele Menschen an mich geglaubt. Der DLV hat mich immer wieder in einen Kader berufen, mein Sponsor und mein Ausrüster haben die ganzen schweren Jahre zu mir gehalten, mein Trainer Stefan Poser hat mir immer wieder versichert, dass ich es wieder schaffen kann. Und nicht zuletzt meine Familie, meine Freunde und mein Freund standen die ganze Zeit über hinter mir. Das machte Mut!
Die Hallen-DM wird Ihr erster Auftritt auf der großen Leichtathletik-Bühne seit langer Zeit. Wie sieht Ihre Zielsetzung für Sindelfingen aus?
Sophie Krauel:
Ich möchte gern an meine 6,49 Meter aus Chemnitz anknüpfen und wieder in den Bereich 6,40 bis 6,50 Meter springen. Und hoffentlich erwische ich mal mehr als einen gültigen Sprung.
Mit 6,49 Meter rangieren Sie auf Platz drei der aktuellen DLV-Bestenliste. Nur die Berlinerin Melanie Bauschke (6,56 m) und die Rehlingerin Bianca Kappler (6,50 m) sprangen 2008 weiter. Ist da nicht sogar eine Medaille drin?
Sophie Krauel:
Eine Medaille wäre natürlich großartig, aber man muss erst einmal wieder an seine Leistung herankommen und es gibt noch andere Athletinnen wie die Siebenkämpferin Claudia Tonn, die in diesen Bereich springen können. Es ist ein sehr starkes Feld. Das macht den Wettkampf spannend.
Einschließlich Sindelfingen werden Sie nur vier Wettkämpfe in diesem Winter bestreiten. Nehmen Sie und Ihr Trainer Stefan Poser damit Rücksicht auf Ihre lange Verletzung?
Sophie Krauel:
Aufgrund der Verletzung und auch der Studienbelastung sind wir sehr vorsichtig in die Vorbereitungsphase gegangen. Ich habe auf Sparflamme trainiert und noch nicht die Kraft und die Ausdauer, sechs oder acht Wettkämpfe durchzustehen. Außerdem merke ich auch, dass im Maximalbereich immer mal wieder kleine Belastungsbeschwerden auftreten. Es ist wichtig, dass ich nach jedem Wettkampf eine ausreichende Erholungszeit einhalte. Deswegen sind die vier Wettkämpfe völlig ausreichend. Ich hatte nach den ersten richtigen Sprüngen einen brutalen Muskelkater. Da springt man freiwillig nicht am nächsten Tag wieder.
Sind denn im Sommer mehr Starts geplant, vielleicht auch im Hürdensprint?
Sophie Krauel:
Auch den Sommer wollen wir ruhig angehen. Über die Hürden werde ich aber nicht starten, obwohl es mich schon sehr reizt. Die 100 Meter Hürden sind - so komisch es sich anhören mag - einfach noch zu lang. Aber ich hoffe, dass ich in der nächsten Hallensaison wieder über die Hürden starte.
Die magischen Weitsprung-Ziffern für 2008 lauten 6 - 7 - 2. Für die Teilnahme an den Olympischen Spielen verlangt der DLV 6,72 Meter. Spukt Peking in Ihrem Kopf herum. Oder ist das nach der langen Pause noch zu früh?
Sophie Krauel:
Natürlich, besonders da ich ja oft danach gefragt werde. Aber ich denke, dass ich realistisch bleiben muss. 1.267 Tage Verletzung kann man nicht von heute auf morgen kompensieren. Ich möchte eine gute Saison bestreiten und konstante Leistungen bringen. Wenn sich natürlich andeutet, dass ich zwischen 6,60 und 6,70 Meter springen kann, werde ich auch alles versuchen, die Norm zu schaffen. Die Olympischen Spiele sind halt der Traum jedes Sportlers.
Mehr: Microsite der Hallen-DM