Sportjournalismus im Wandel
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache“, hatte einmal Hanns-Joachim Friedrichs, die Ikone des politischen Journalismus, gesagt, der Anfang der Siebziger Jahre auch Leiter des aktuellen sportstudios im ZDF gewesen ist.
Inzwischen hat sich das Berufsbild des Sportjournalisten dramatisch verändert. Ging früher ein Medienvertreter am Wochenende zu einer Partie der Fußball-Bundesliga, hatte er genug Zeit seine Geschichte zu recherchieren. Im Zeitalter des Internets sind die Aufgaben vielfältiger geworden: Schreiben, Video-Aufnahmen, eigenen Text für die Online-Seite verfassen oder neben Kommentieren auch Moderieren, um nur einige Zusatzaufgaben zu nennen. Die Tageszeitungen kämpfen um Auflagen, die TV-Sender um Quoten.„Es bleibt immer weniger Zeit für die Recherche. Journalismus verkommt in der heutigen Zeit mehr und mehr zum Fast-Food-Journalismus“, sagte Hans-Peter Seubert, Sportredakteur beim Darmstädter Echo, anlässlich eines Podiumsgesprächs, zu dem die Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG) in Darmstadt eingeladen hatte. Zusammen mit ihm diskutierten Dr. Susanne Lapp, Vizepräsidentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Landessportbund Hessen, und ZDF-Chefreporter Wolf-Dieter Poschmann. Moderiert wurde der Abend in den Räumlichkeiten der Stadtsparkasse Darmstadt von HR-Redakteur Markus Philipp.
Quoten bestimmen Angebot
Gab es Mitte der Achtziger Jahre noch ein sogenanntes Angebots-TV, bei dem die Programmauswahl nach journalistischen Kriterien erfolgte, so setzen die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten heute auf ein Nachfrage-TV. „Wir müssen uns bei der Auswahl der Sport-Übertragungen an den Quoten orientieren und schauen deshalb ganz bewusst auf die Quote, die uns verrät, was der Zuschauer sehen will“, sagte Wolf-Dieter Poschmann.
Dabei verwies er auf ein Rechtsgutachten, das Manfred von Richthofen 1999 in Auftrag gegeben hat. Darin wurde gefragt, was die öffentlich-rechtlichen Sender bezüglich ihrer Übertragungen garantieren müssen. Das Ergebnis: Die Vielfalt muss beleuchtet und publikumsträchtige Sendungen müssen übertragen werden.
Medienlandschaft verändert sich
„Die Medienlandschaft“, so Dr. Susanne Lapp, „verändert sich permanent. Social Media wie Facebook und Twitter explodieren und keiner weiß, wohin es führt.“ Der Landessportbund habe vor allem seinen Fokus auf den Breitensport gerichtet, aber meist schaffe es eben nur der Spitzensport in die Schlagzeilen. „Ich fände es gut, wenn die Tageszeitungen mehr Hintergrundinformationen bringen würden.“
Eine Idee, mit der sich auch Hans-Peter Seubert anfreunden könnte, doch die Realität sieht anders aus. „Wir sind nicht mehr nah genug am Geschehen und der Beruf des Journalisten wird immer mehr zum Beruf eines Schreibtischtäters.“ Zu wenig Zeit, verstärkter Personalabbau in Verlagen und TV-Sendern und immer mehr zusätzliche Aufgaben lassen oft eine ausführliche und detaillierte Recherche nicht mehr zu. Hinzu kommt: „Die kritische Distanz für Journalisten wird immer schwieriger.“
Kritische Distanz und Nähe
Für Wolf-Dieter Poschmann, der Hanns-Joachim Friedrichs noch persönlich kennengelernt hatte, ist kritische Distanz nicht unbedingt das Maß aller Dinge. „Ich brauche die Nähe und habe zu vielen Sportlern, die ich betreue, ein emotionales Verhältnis. Um mehr über die Sportler zu erfahren, sind Face to Face-Gespräche absolut notwendig. Entscheidend ist am Ende, wie verantwortungsvoll man mit dieser Nähe umgeht.“
Oftmals wird im heutigen Medienzeitalter sehr schnell und sehr viel über Dinge geschrieben, von denen der Autor wenig Ahnung hat. „In der Doping-Berichterstattung“, so Hans-Peter Seubert, „fehlt vielen der wissenschaftliche Hintergrund.“ Dem stimmte Wolf-Dieter Poschmann uneingeschränkt zu: „Es gelingt in den meisten Doping-Fällen keine ausgewogene Berichterstattung, da eine extreme Schwarz-Weiß-Sicht herrscht. Wer einen Verdacht ausspricht, muss ihn auch belegen können.“ In der Tat reicht es oft nicht mehr für einen Journalisten, nur gut zu schreiben, sondern gerade bei Dopingfällen, müsste er Jurist, Wissenschaftler und Mediziner sein.
Fazit: Der Beruf des Sportjournalisten ist weiter im Wandel, doch daran, dass es in ein paar Jahren keine Zeitung mehr geben könnte, glaubt keiner. „Als das Fernsehen kam, hat jeder gesagt: das Kino ist tot. Als das Internet kam, hat jeder gesagt: die Bücher sind tot. Beide leben noch und ich freue mich jeden Tag auf eine gute Tageszeitung“, sagte Wolf-Dieter Poschmann.