Julia Viellehner - Aufsteigerin mit Persönlichkeit
Manchmal muss man im Leben zu seinem Glück überredet werden. Julia Viellehner ging es so, denn eigentlich wollte sie im vergangenen Herbst gar nicht bei den Deutschen Cross-Meisterschaften in Bremen laufen. Doch Jörg Stäcker, Teamleiter Lauf beim Bayerischen Leichtathletik-Verband, packte seine Überredungskunst aus und meldete die 19-Jährige. Dann ging alles ganz schnell. Julia Viellehner lief als Vierte ein, gewann den Titel bei den Juniorinnen und vertrat im Dezember bei der Cross-EM die deutschen Farben.

Julia Viellehner hat sich in den Vordergrund gelaufen (Foto: Gantenberg)
Als Senkrechtstarterin wurde sie tituliert, als eine, die "aus dem Nichts" gekommen sei. Doch Julia Viellehner will sich nicht so recht in diese Schublade stecken lassen: "Dass ich aus dem Nichts gekommen bin, stimmt nicht ganz. Ich habe seit meinem 14. Lebensjahr Leistungssport betrieben und an Deutschen Meisterschaften teilgenommen." Sie war zwischenzeitlich auch bereits im D/C-Kader des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Doch dann wurde es um das bayerische Lauftalent ruhiger. Noch im letzten Frühsommer warfen sie gesundheitliche Probleme aus der Bahn. Das "Aha-Erlebnis" hatte sie dann Anfang September beim Halbmarathon in Altötting, praktisch vor der eigenen Haustür. "Ich dachte mir, da läufst du mal mit", erinnert sich Julia Viellehner, die für den TSV Winhöring startet, "mein Ziel war eine Zeit unter 1:30 Stunden." Die Uhr blieb aber bereits nach 1:23:59 Stunden stehen. Eine faustdicke Überraschung!
Von Jörg Stäcker und anderen Mitgliedern des Bayern-Kaders zur Teilnahme an der Cross-DM in Bremen überredet, überraschte sich die Gymnasiastin, die im nächsten Jahr das Abitur macht und viel Wert auf einen guten Abschluss legt, selbst. "Dass ich Deutsche Junioren-Meisterin geworden bin, kann ich immer noch nicht glauben", sagt Julia Viellehner, "ich war von dieser Situation völlig überfordert."
Einlaufen mit einem Idol
Doch mit dem Auftritt im hohen Norden hatte sie sich auch in den Notizblock von Detlef Uhlemann, dem Teamtrainer Cross des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, gelaufen. Was folgte, war die Einladung zur Cross-Europameisterschaft in Heringsdorf auf der Insel Usedom.
Plötzlich war Julia Viellehner mittendrin in der internationalen Szene. "Es war toll, dass ich im Frauenteam starten durfte, da dazuzugehören und akzeptiert zu sein. Plötzlich habe ich mich mit Sabrina Mockenhaupt eingelaufen, einem Idol, das ich nur aus dem Fernsehen kannte."
Ohne wirklichen Druck schlug sich die Winhöringerin in Heringsdorf wacker. Auf Platz 41 wurde sie gewertet, die Mannschaft sogar auf der Drei. Doch die Freude über diese Medaille währte nur einige Tage, dann korrigierte der Europäische Leichtathletik-Verband das Klassement und die DLV-Frauen verloren Bronze an Frankreich.
In Gedanken noch auf dem Treppchen
Ein bitterer Augenblick auch für Julia Viellehner, die Medaille wieder zurückgeben zu müssen. Doch geblieben sind ihr bedeutende Erinnerungen: "In Gedanken bin ich immer noch Dritte, denn die Siegerehrung lebt in mir weiter. Allein das Gefühl, da oben zu stehen, das war es wert."
Nach dieser Enttäuschung nahm sie Anlauf auf ihr nächstes Ziel, die Deutschen Straßenlauf-Meisterschaften in Ohrdruf. Doch wieder sollte es anders kommen. Beim Crosslauf in Neukirchen schlug sich Julia Viellehner im Februar in einem internationalen Feld als Zweite hinter der Saarbrückerin Susanne Ritter so prächtig, dass sie Detlef Uhlemann für eine Nominierung zur Cross-WM vorschlug. Wieder war etwas Überzeugungskraft notwendig, damit sie dafür die Halbmarathon-Meisterschaft hinten anstellte.
Julia Viellehner, ein Teenager aus Südostbayern, einer Gegend in der man eher zum Bergsteigen als Joggen geht, hat sich aber letztlich für die Cross-WM, die am Wochenende ansteht, entschieden und ist nun - unmittelbar vor diesem nächsten Highlight - auch davon überzeugt: "Ich freue mich riesig auf dieses Spektakel. Es ist ein Geschenk, das ich gerne annehme. Es erwartet keiner was von mir, aber ich will mich nicht blamieren. Ich möchte die Strecke gut durchstehen." Als Ziel hat sie sich einen Platz unter den ersten Hundert gesteckt.
Sehr bescheiden
Überhaupt steht die Blondine trotz der zuletzt rasanten Entwicklung noch mit beiden Füßen auf dem Boden. "Ich bin sehr bescheiden, ich hänge meine Erfolge auch nicht an die große Glocke."
Neben dieser sympathischen Bescheidenheit hat sie allen Grund, auf ihre Leistungen stolz zu sein. Denn dahinter stecken Talent, Ehrgeiz und harte Arbeit. "Ich bin manchmal zu streng mit mir, der Genuss kommt zu kurz", nimmt sich Julia Viellehner unter die Lupe, "vielleicht sollte ich einfach mal einen Tag wegfahren, aber ich lasse das Training nie ausfallen."
Das Training ist bei ihr oft auch eine einsame Angelegenheit. Eine Trainingsgruppe gibt es in Winhöring und Umgebung nicht, lediglich mit ihrem ebenfalls talentierten Bruder Raphael bestreitet sie die ein oder andere Einheit. "Er ist mein einziger Trainingspartner, das ist manchmal schon deprimierend. Aber die Familie unterstützt mich, wo sie kann."
Familienunternehmen
Die Viellehners sind auch ein "laufendes Familienunternehmen". Neben Julia und Raphael läuft auch Mutter Irmgard. Sie arbeitet sogar die Trainingspläne aus. "Da sitzen wir schon mal fünf Stunden am Küchentisch und diskutieren. Bei uns gibt es keinen Tag, an dem wir nicht über das Laufen reden." Bei den Lehrgängen des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes gibt es dann auch Trainingspläne anderer Läufer, wo man sich vielleicht etwas abschauen kann.
In ihrem jungen Leben will sich aber Julia Viellehner, die sich ihre Zeit, die vor allem von Sport und Schule geprägt ist, selbst gut einteilt, gar nicht soviel von anderen abschauen und denkt auch über den Tellerrand des Laufens hinaus. Es wird recht bald deutlich, dass sie einen eigenen Weg gehen möchte und sehr genau weiß, was sie nicht will.
Etwas Extravagantes
Beispiel Studium! "Ich möchte etwas Extravagantes, nicht das, was alle machen. Am besten eine kleine Uni, vielleicht in Österreich oder Lübeck. Ein Massenmensch bin ich nicht. Ich möchte auch nicht einfach nur Sport studieren, sondern lieber etwas Soziales, vielleicht in Richtung Psychologie oder Sportpsychologie."
Aber so richtig festgelegt hat sie sich noch nicht. Wichtig ist natürlich auch, dass das Umfeld dann passt, der Sport nicht darunter leidet. "So lange es Spaß macht, werde ich weiterlaufen, denn ohne Sport gehe ich unter. Aber ich möchte nicht auf Biegen und Brechen etwas erreichen", sagt sie.
Und Julia Viellehner tut gut daran. Immerhin hat sie diese Philosophie schon weit gebracht, zur Cross-Weltmeisterschaft am Wochenende in Saint Galmier. Dort gilt auch ein ganz einfaches Motto: "Ich kann nichts verlieren. Ich kennen keinen, mich kennt keiner." Aber zumindest in Deutschland weiß man inzwischen, wer Julia Viellehner ist! Weit mehr als nur eine Senkrechtstarterin. Eine junge Persönlichkeit mit Zielen, die sich nicht nur auf den Sport beschränken.