Sprinten die Briten aus dem Abseits?
In der britischen Sprintszene kriselt es wieder gewaltig. Der frühere 200-Meter-Europameister John Regis hat in dieser Woche in einem Gespräch mit BBC Sport zum Rundumschlag ausgeholt und gesagt: "Großbritannien ist in der Leichtathletik ein Dritte-Welt-Land".
Der Druck lastet wieder auf Dwain Chambers
Die Zeiten eines Linford Christie oder John Regis sind längst vorbei. Der Name Dwain Chambers wurde von einem Dopingfall und der Aberkennung seines 2002 in München errungenen EM-Titels behaftet. Trotzdem ist der um Rehabilitation bemühte 28-Jährige nach seiner Rückkehr auf die Sprintbahn nun wieder der Hoffnungsträger für die Europameisterschaft in Göteborg (Schweden; 7. bis 13. August). Trotz Verletzungssorgen wurde er für diese Titelkämpfe nominiert. Auch mangels aussichtsreicher Alternativen, denn er war der einzige, der in diesem Sommer die 100 Meter schon schneller als 10,15 Sekunden gelaufen und damit ein Titelanwärter ist. Verletzungen von Jason Gardener und Christian Malcolm trübten das Bild zusätzlich.
Feiern, trinken…
John Regis macht aber noch andere Ursachen für die Sprintkrise auf der Insel aus: "Das sind nur Profis, wenn sie trainieren. Ein paar der Jungs feiern, trinken und machen Dinge, die ihnen nicht dabei helfen, Leistung zu bringen." Angesprochen könnte sich dabei das "ewige Talent" Mark Lewis-Francis fühlen, dem nach seinem zweiten Platz bei der Hallen-EM im letzten Jahr in Madrid (Spanien) Cannabis nachgewiesen wurde.
John Regis macht wohl auch fehlende Motivation aus. Er sagt: "Ich war hungrig und wollte gewinnen, genauso wie Linford Christie, Colin Jackson und Sally Gunnell." Dass jetzt für ihn wieder die Hoffnungen auf Dwain Chambers, dem er "gute Chancen" einräumt, ruhen, macht für ihn das Problem offenkundig: "Wenn das nicht zeigt, dass wir in großen Schwierigkeiten sind, dann weiß ich nicht, was sonst."
Enttäuschung schon in Melbourne
Enttäuscht hatten die einst so glorreichen britischen Sprinter, 2004 in Athen noch überraschend Staffel-Olympiasieger, bereits im März bei den Commonwealth Games in Melbourne (Australien). Schon damals hatte der Experte und frühere Mittelstreckler Steve Cram prognostiziert, dass das Problem nicht schnell zu lösen sei. Er monierte eine fragwürdige Nominierung und einfach schlechte Leistungen. Am liebsten schon in Göteborg soll das anders werden.
Tim Abeyie, Darren Campbell, Dwain Chambers, Marlon Devonish, Tyrone Edgar, Rikki Fifton und Mark Lewis-Francis, zum Großteil altbekannte Namen, sollen es nun in Schweden richten. Wenn sich diese sieben Sprinter nicht aus dem Abseits und der Kritik laufen können, wird die Last auf einen anderen noch größer werden.
Den erst 17-Jährigen Harry Aikines-Aryeetey nämlich, der im letzten Jahr in Marrakesch (Marokko) U18-Doppel-Weltmeister wurde und in zwei Wochen bei der Junioren-WM in Peking (China) startet. Aber auch für diesen Youngster ist der Weg in die Weltspitze noch denkbar weit.