Lars Riedel - Fit, wenn es darauf ankommt
Es zwickt der Rücken, deshalb muss Lars Riedel gerade eine Trainingspause einlegen. Schließlich will der fünffache Weltmeister wenige Monate vor der Europameisterschaft in München nichts mehr riskieren. Denn eins steht jetzt schon fest: wer sich in München den Titel holen will, muss erst mal an dem Mann aus Chemnitz vorbei. Auch wenn er sich bei einem Wettkampf an Pfingsten im tschechischen Turnov verletzt hatte.
Wenn es zählt, ist mit Lars Riedel immer zu rechnen (Foto: Chai)
Doch Lars Riedel ist ein zäher Bursche, der schon einiges durchgestanden hat und dann doch fit war, wenn es darauf ankam. Der Olympiasieger von 1996, der für die EM als einer von elf Botschaftern fungiert, gehört zu den erfolgreichsten Leichtathleten der Welt. Und der Hüne beeindruckt vor allen Dingen mit seiner Beständigkeit. Und der 1,99 Meter große Athlet hat noch einiges vor. Bis zu den Olympischen Spielen 2004 will er in jedem Fall weitermachen. Und am liebsten den WM-Titel 2003 in Paris auch noch mitnehmen. "Athen ist die Wiege des Diskuswerfens, das wäre ein schöner Abschluss für mich". Wehwehchen bringen ihn nicht vom Weg ab
Und davon läßt er sich auch durch häufige Wehwehchen größerer und kleinerer Art nicht abbringen. Lars Riedel ist immer noch süchtig nach Siegen. Sein Sport ist ihm äußerst wichtig, dennoch geht für ihn im Zweifelsfall die Familie vor. Nach seinem fünften WM-Titel im vergangenen Jahr in Edmonton flog er direkt nach seinem Wettkampf nach Hause, um bei der Einschulung seines Sohnes Robert dabei zu sein. Dies hat er sich nicht nehmen lassen. Diskuswerfen hin oder her. Überhaupt gilt der 34-jährige Sachse als Familienmensch. Aber im Gegensatz zu früheren Zeiten hat er sich in Gesellschaft und Öffentlichkeit zu einem unterhaltsamen Gesprächspartner entwickelt. Der Gartenliebhaber, der Kakteen züchtet, setzt sich auch ein, für eine bessere Vermarktung der Erfolge der deutschen Diskuswerfer.
"Dass wir nie soviel verdienen werden wie die Sprinter ist mir klar, aber wir wollen aus dem Schatten heraus", sagt Riedel. Dass das Diskuswerfen in den vergangenen Jahren populärer wurde, ist in erster Linie ihm zu verdanken. Der Profisportler hatte dabei immer mit großer Konkurrenz im eigenen Land zu kämpfen. Früher war es Jürgen Schult, der inzwischen als Bundestrainer fungiert, inzwischen avanciert Michael Möllenbeck zum Duellpartner. Nur schade, dass sich die beiden absolut nichts zu sagen haben. Riedel, dessen Bestleistung bei 71,50 Metern liegt, würde in dieser Saison gerne wieder die 70-Meter-Marke übertreffen. Dies gelang ihm in den Jahren 1996 und 1997. 2000 und 2001 schrammte der Riese jeweils mit 69,72 Metern knapp an der Traummarke vorbei. Dabei war vor allem 2001 ein sehr schwieriges Jahr. Und am Tag vor seinem WM-Sieg litt der 34-Jährige Diskuswerfer an einer Halswirbelblockade. Es grenzte fast an ein Wunder, dass er einsatzfähig war - und gewann. Anfang Mai hatte er sich am Knie operieren lassen und war in seinem Kraftraining stark eingeschränkt. Dennoch setzte er sich durch.
Schwerster Sieg in Edmonton
"Es war mein schwerster Sieg", meinte Lars Riedel nach dem Wettkampf, als er den Litauer Virgilius Alekna und seinen Landsmann Michael Möllenbeck in Schach halten konnte. Sein langjähriger Trainer Karl-Heinz Steinmetz schwärmte schon zu Anfang seiner Karriere von seinem Schützling. "So ein Talent wie Lars Riedel gibt es nur einmal in zehn Jahren. Und er ist zum Diskuswerfen geboren." Der Mann hatte offensichtlich einen guten Riecher. Dabei schickte ihn sein Vater als kleinen Jungen in erster Linie deshalb in den Sportverein, weil er "solch ein Raufbold war und sich dort austoben konnte".
1996 wurde Riedel Voll-Profi. Erfolge hatte er schon zuvor, auch wenn er immer wieder mit Rückschlägen fertig werden musste. Sein bitterster Wettkampf waren die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona. Damals schied er in der Qualifikation aus. "Ich hatte eine Blockade im Kopf", gestand der Sachse, der Anfang der 90er Jahre eine Zeitlang in Mainz lebte, beim Sportbund Rheinland-Pfalz eine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation absolvierte und 1996 mit seiner Frau Kerstin wieder nach Chemnitz in seine alte Heimat zurückkehrte - in ein eigenes Domizil.
Egal wie der Wettkampf in München auch enden wird, Lars Riedel ist noch nicht satt, wie er selbst sagt. "Ich will immer vorne sein. Wenn ich diesen Ehrgeiz nicht hätte, würde ich keinen Spitzensport mehr machen." Und er will sich auch von diversen Verletzungen - wie momentan wieder - nicht aufhalten lassen.
Ursula Kaiser