Stefan H'Lawatschek ist den Drogen davongelaufen
Stefan H'Lawatschek war ganz unten. Wenn der 32-jährige Familienvater, sein Sohn ist 21 Monate alt, über die Endphase seiner Drogenexzesse aus dem Oktober 1998 erzählt, muss man schon genau hinhören, um die Dimension zu verinnerlichen. Das erste Bier morgens um sieben, abends waren es dann bisweilen 30, hinzu kamen drei Schachteln Zigaretten täglich. Ein Mann am Abgrund, komplett abgestürzt, viele kommen da nicht mehr raus.
Stefan H´Lawatschek hat eine Ersatzdroge gefunden: Das Laufen.
Schon mittags betrunken, wenn seine Frau Ramona von der Arbeit nach Hause kam, antriebsschwach, schleichend abhängig geworden während seiner Tätigkeit als Maurer; dann kam der Jobverlust, seine Mutter starb. Hinzu kam eine Katzenallergie. "Mein Immunsystem war heruntergewirtschaftet", sagt er. "Und meine Frau wollte mir davonlaufen." Dann musste er ins Krankenhaus, in seinem Brustkorb hatte sich Luft angesammelt. Lange Zeit hatte er die Warnsignale seines Körpers nicht ernst genommen, die Hustenanfälle, das immer geringere Atemvermögen.Fünf Minuten entschieden über Leben und Tod
Fünf Jahre ist das jetzt her. Der Mann aus Wendelstein kam rechtzeitig auf die Intensivstation ("Fünf Minuten später hätte ich bleibende Gehirnschäden davongetragen") – und wurde gerettet. Danach war Schluss. Keine Zigaretten, kein Alkohol. Stattdessen begann er, übermäßig viel zu essen. Zwanzig Kilogramm Mehrgewicht in knapp zwei Monaten, die Waage zeigte 100 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,74 Meter – dann war auch damit Schluss und H'Lawatschek fing an zu laufen. Aus Eitelkeit, weil er rund geworden war wie ein Hefekloß.
Bei einem Lauftreff entdeckte er seine Liebe für den Ausdauersport. "Auch Laufen ist eine Droge. Das möchte ich fett unterstreichen. Und irgendwie ist es meine Ersatzdroge." Zigaretten und Alkohol aber hat er seit fünf Jahren nicht mehr konsumiert. "Bierwerbung geht mir an die Hutkrempe", meint H'Lawatschek. Bei Nikotin ist er etwas gnädiger: "Die Abneigung ist recht groß, aber ich toleriere das Rauchen."
Marathondebüt in Regensburg
Stefan H'Lawatschek philosophiert nicht lange herum, wie er sich von seiner Alkohol- und Nikotinsucht befreit hat. Er sagt zwei Sätze, das muss reichen: "Das Phänomen Mensch kann alles schaffen. Der Wille entscheidet." Anfangs war er 50 Minuten unterwegs für nur drei Kilometer, im April 1999 nahm er an einem Volkslauf teil und schaffte zehn Kilometer in 51:49 Minuten. Er steigerte sein Trainingspensum, lief zwei Stunden durch und legte etwa zwanzig Kilometer zurück; er wagte einen Halbmarathon (1:52 h) und im Mai 1999 in Regensburg seinen ersten Marathon (4:44 h).
Er gerät ins Stocken beim Plausch über sein erstes Rennjahr mit 26 Wettkämpfen mit vier Halb- und drei Marathons. Dass man die 42,195 Kilometer "strategisch laufen" muss, war ihm anfangs nicht bewusst, er ging zu schnell an, er war mit 90 Kilogramm immer noch zu schwer. Seine Marathon-Bestzeit stammt aus dem Jahr 2000 in Berlin (3:35 h), in Frankfurt debütierte er ein Jahr später.
Auch Niederlagen beim Laufen hat er weggesteckt
Seitdem hat H'Lawatschek keinen Marathon-Wettkampf mehr bestritten, "krankheitsbedingt", wie er sagt. Rückenprobleme aufgrund falscher Schuhe, dann stellten sich Schmerzen im Knie ein. Am 26. Oktober will er wieder angreifen und an 3:30 Stunden heran laufen. "Für eine Zeit um 4:30 Stunden würde ich sicher nicht nach Frankfurt fahren." Vorbereitet hat er sich mit Kilometerumfängen von 70 bis 120 Kilometern pro Woche ("Es waren auch schon mal 185 bis 190 km"), eine Woche vor dem Wettkampf absolvierte er einen "Sicherheitslauf" über 25 Kilometer.
H'Lawatschek, der laufende Marathon-Botschafter aus dem Fränkischen, ist auf seinem Weg zu größeren Zielen allerdings auch schon gescheitert. Auch das gehört dazu. Im Jahr 2001, bei den 100 Kilometern von Kienbaum/Grünheide, gab er nach 80 Kilometern mit völlig übersäuerter Muskulatur auf. "Da bin ich nach 60 Kilometern sowieso mehr gewandert als gelaufen." Gründe? "Ich war schlecht vorbereitet." Der "100er" geht vielleicht schon nächstes Jahr in die Wiederholungsrunde – und dann soll es unbedingt klappen. "Vorher müssen aber noch fünf bis acht Kilogramm Gewicht runter." Mehr als 75 Kilo, wie schon in Frankfurt, sollen es nicht sein. Selbstdisziplin heißt das Zauberwort. Auch bei der Ernährung.