Stefan Matula - Zielstrebig nach oben
Stefan Matula zählt zu den großen deutschen Nachwuchstalenten im Mehrkampf. Nachdem er in diesem Jahr die Qualifikation für die U20-WM in Bydgoszcz (Polen) verpasste, hat sich der junge Regensburger bereits neue Ziele gesetzt. Eines davon ist die U20-Europameisterschaft im kommenden Jahr.
Begonnen hatte es einst mit dem Laufen über Bananenkartons im elterlichen Garten. Die erste große Zwischenstation war 2007 mit dem fünften Platz im Achtkampf bei den U18-Weltmeisterschaften im tschechischen Ostrava erreicht. Dazu kam der Nachwuchs-Zehnkampftitel bei den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften Anfang September in Vaterstetten mit einem Ergebnis knapp unter 7.400 Punkten. 16 Jahre zählte er zu diesem Zeitpunkt.2008 verpasste er die Qualifikationsnorm im Zehnkampf für die U20-WM in Bydgoszcz (Polen). Ein „Salto Nullo“ im Hochsprung beim Mehrkampfmeeting in Bernhausen und im Stabhochsprung in Hannover waren unter anderem die Ursache dafür. Sein „großes“ Ziel fixiert er mit beredtem Schweigen.
U20-EM im Visier
Die Rede ist von Stefan Matula, dem 17 Jahre alten Gymnasiasten aus Alteglofsheim im Landkreis Regensburg. Seit 2008 startet er für die LG Telis Finanz Regensburg. Die U20-EM 2009 in Novi Sad (Serbien) hat er als nächstes Etappenziel bereits fest ins Visier genommen. Verschmitzt lächelnd, aber dennoch bestimmt sagt Stefan Matula: „Da bin ich dann mit knapp 19 Jahren im besten Alter.“
Obwohl jetzt erst 17 Jahre alt, hat er bereits erstaunlich klare Vorstellungen von seinem Dasein als Leichtathlet, aber auch über seine mögliche Zukunft. „Herumhängen“, wie dies bei dieser Altersgruppe entwicklungsbedingt bisweilen der Fall ist, kann man sich bei Stefan Matula kaum vorstellen. Auch kleine Rückschläge, wie die verfehlte Qualifikation, kann er einordnen und verarbeiten. In Hannover hatte er trotz des „Salto Nullos“ und wenig guter äußerer Umstände den Zehnkampf zu Ende gebracht. Er wollte nicht einfach aufhören.
Genaue Zeiteinteilung fürs Abitur
Das Abitur will er auf jeden Fall machen, auch wenn er seine Zeit zwischen Schule und Sport immer genauer einteilen muss. „Manchmal ist es schon etwas viel“, sagt er mit entwaffnender Offenheit, ohne zu klagen. Für die Leistungskurse Deutsch und Sport hat er sich als Schüler der 11. Klasse des Gymnasiums Neutraubling entschieden. Das Verhältnis zwischen der Schule und ihrem sportlichen Aushängeschild scheint unverkrampft zu sein. Freitags bekomme er vor größeren Wettkämpfen frei. Und die Lehrer fragten schon nach Platzierungen und Ergebnissen. Seine Klassenkameraden zeigen sich natürlich an seinen Leistungen in der Leichtathletik interessiert.
Wie kommt man zur Leichtathletik, wie wird man auf eine derartige Begabung aufmerksam? Vater Alfons ist am Institut für Sportwissenschaft der Universität Regensburg tätig. Dorthin nahm er Stefan Matula schon als Kind mit. Heute begleitet er die sportliche Entwicklung seines Sohnes, analysiert mit ihm und den Trainern seine Wettkampfleistungen und sorgt zusammen mit seiner Frau für das so notwendige positive Umfeld.
Erster Trainerin dankbar
Ohne diesen Rahmen ist die Entwicklung zum Spitzensportler, in diesem Alter wenigstens, kaum möglich. Mit der älteren Schwester landete er einst in der Trainingsgruppe der kürzlich verstorbenen Gerlinde Pawelke beim SV Obertraubling, vor den Toren Regensburgs. Als Gerlinde Hefner, für die Regensburger Turnerschaft startend, lief sie in den Sechziger Jahren in der deutschen Spitze über 400 und 800 Meter.
Ihr verdankt Stefan Matula nach eigenem Bekunden viel. „Sie hat auch dafür gesorgt, dass wir den Spaß an der Leichtathletik nicht verlieren.“ Sie erkannte seine koordinativen Fähigkeiten, seine Schnellkraft und die vielseitige Begabung. Sie war die treibende Kraft in Obertraubling und brachte gerade im Jugendbereich immer wieder Leichtathleten bis in die deutsche Spitze ihrer Altersgruppe (z.B. auch Ingo Pawelke, Tobias Soller).
Fahrplan 2008 festgelegt
Mittlerweile trainiert Stefan Matula bei der LG Telis Finanz Regensburg sechs- bis siebenmal die Woche unter Stefanie Pietsch, auch Mitarbeiterin am Institut für Sportwissenschaft, und ihrem Trainerteam.
Mit ihr hat er auch den weiteren Fahrplan für 2008 festgelegt: Start bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften in Berlin (18. bis 20. Juli), voraussichtlich über 110 Meter Hürden und im Weitsprung. Dort hat er sich bereits auf 7,32 Meter verbessert und das stimmt ihn optimistisch. Vielleicht wird er auch noch bei den Bayerischen Meisterschaften im Zehnkampf starten, ansonsten wirft bereits besagte U20-EM im nächsten Jahr ihre Schatten voraus.
Bewusstsein um Schwächen
Stefan Matula weiß, dass er seine Schwächen im Hochsprung und Speerwerfen möglichst beseitigen muss. „Wir arbeiten im Krafttraining an der Stärkung der Rumpfmuskulatur“, erklärt er. Im Ausdauerbereich ist noch viel möglich, aber auch viel zu tun. Im Stabhochsprung, so seine Hoffnung, könnte es 2008 schon noch in den Bereich von 4,90 bis 5,00 Meter gehen.
Fast sehnsüchtig wartet er auf die erste 100-Meter-Zeit unter elf Sekunden, nachdem er in Bernhausen, wo der Zehnkampf für ihn so gut begonnen hatte, bei einem Gegenwind von über einem Meter pro Sekunde knapp an die elf Sekunden herangelaufen war. Viel Freude bereitet ihm auch der Diskuswurf, wo sich seine Drehbewegung besonders gut entwickelt hat.
Frank Busemann ein Vorbild
„Ja, Frank Busemann, der in sehr jungen Jahren 1996 in Atlanta die Silbermedaille im Zehnkampf gewonnen hat, ist schon ein Vorbild für mich. Seine Biografie habe ich gelesen“, sagt Stefan Matula. Dass der Zehnkampf eine große Tradition in der deutschen Leichtathletik hat, weiß er. Jürgen Hingsen, Sigi Wentz, und Guido Kratschmer, aber auch Hans-Joachim Walde, Willi Holdorf sind ihm bekannt.
Mit seinen Stärken über die Hürden, im Diskuswurf und im Stabhochsprung könnte Stefan einmal ein „Mann des zweiten Zehnkampftages“ werden. Die Vielseitigkeit, die der Mehrkampf verlangt, und „zehn Wettkämpfe in einem“ empfindet er als Herausforderung, die ihn auch reizt. Die Sprinter beispielsweise, die nahezu jedes Wochenende starten können, beneidet er nicht, auch wenn man höchstens vier Mehrkämpfe im Jahr bestreiten kann. Öffentliches Interesse an seiner Person und seinen Leistungen löst noch keinen Druck bei ihm aus, positive Berichte liest er gerne. Dass Spitzensport heute ohne Sponsoring nicht existieren könnte, darüber ist er sich im Klaren.
Motivation durch Nationaltrikot
Einige Erlebnisse haben ihn besonders motiviert. Zum Beispiel der erste Start im Nationaltrikot bei der U18-WM in Ostrava, das Zusammensein mit allen Mehrkampf-Kaderathleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zu Saisonbeginn, die Einladung zum legendären Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich).
Auch einer von acht Stipendiaten der ReiseBank Akademie zu sein, macht ihn stolz. Im April hat das erste Zusammentreffen der Akademie-Teilnehmer stattgefunden, es beschäftigte sich mit Medienarbeit, insbesondere der Umgang mit Medien und deren Vertretern stand im Mittelpunkt. Innerhalb von knapp zwei Jahren geht es um so unterschiedliche Bereiche wie Englisch und Ernährungsberatung, aber auch ein Tanz- und Kochkurs werden angeboten. Stefan Matula findet es sehr gut, dass der DLV zusammen mit der ReiseBank auch flankierend für seine Nachwuchsathleten etwas tut und dass er dazugehört.
Sein Favorit für den Zehnkampf bei den Olympischen Spielen in Peking (China) ist der US-Amerikaner Bryan Clay, zwei der deutschen Athleten sollten unter die Top Acht kommen. An die Olympischen Spiele 2012 in London (Großbritannien) wagt er noch nicht zu denken. Da sei er erst 21 Jahre alt.
Wer den 17-Jährigen mit seinen breiten Schultern, seinem versonnenen Lächeln und seiner Zielstrebigkeit aber näher kennt, könnte sich ihn dort durchaus vorstellen.