Stefan Poser – 24 Stunden am Tag reichen nicht
Wenn der Tag ein paar Stunden mehr hätte, hätte Stefan Poser nichts dagegen. Denn manchmal weiß der Mann abends wirklich nicht mehr wo ihm der Kopf steht. Zumal der begeisterte Hobby-Fußballer wegen einer Knieverletzung nur eingeschränkt bewegungsfähig ist. Dem Ball nachzujagen ist derzeit nicht drin. Er kann nicht einmal richtig laufen. Das macht den Coach, der beim Landesverband Thüringen hauptamtlich angestellt ist, kribbelig und ungeduldig. "Ich vermute, dass der Meniskus angerissen ist, ich werde um eine Operation nicht herumkommen", stöhnt er. Das Problem ist nur: Wann? Er hat gar keine Zeit für eine Auszeit. Schließlich wartet eine Menge Arbeit auf ihn.
Stefan Poser zusammen mit Sophie Krauel bei den Deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften 2002. (Foto: Gantenberg)
Der Trainer steht von morgens bis abends in der Sporthalle. Wenn er die verlässt, muss der Schriftkram erledigt werden. Von 1980 bis 1984 hat er an der DHfK in Leipzig Sport studiert. Seit 1983 arbeitet der 45-Jährige als Trainer. Bis zum Abitur war Stefan Poser Weit- und Dreispringer mit Bestleistungen von 7,52 und 15,54 Metern. "Dann habe ich zwei Jahre stagniert und musste anstatt in die Sportfördergruppe in die Armee."Auszeichnung nicht überbewerten
Seit 1999 ist er als DLV-Nachwuchstrainer für die Kurzhürde zuständig, betreut mit Frank Müller den C- und D/C-Kader. Er setzt sich mit seinen Jugendlichen immer wieder "Ein- bis Zweijahresziele". Ein wenig liebäugelt er mit einer kleinen Chance für Sophie Kraul, sich für Olympia 2004 zu qualifizieren. "Die Chance ist da, aber ich werde sie nie unter Druck setzen, zumal sie im Mai ihr Abitur macht." Der Mann aus Jena ist sehr zurückhaltend und bescheiden.
Ende September wurde er vom Deutschen Leichtathletik-Verband als erfolgreichster Nachwuchstrainer 2003 geehrt. Nicht nur, weil sein Schützling Sophie Krauel im finnischen Tampere zweifache Junioren-Europameisterin wurde – im Weitsprung und über 100 Meter Hürden. 1999 führte er Thomas Blaschek zu JEM-Bronze, ein Jahr später wurde dieser in Chile Junioren-Vize-Weltmeister. "Das hat mich bestätigt in meiner Arbeit und zeigt mir, dass ich alles richtig gemacht habe, aber man darf eine Auszeichnung nicht überbewerten. Ich hatte in diesem Jahr auch Glück. Da hat alles gepasst."
Drei Poser-Schützlinge im DLV-Kader
Der Coach aus Jena ist Realist: "Es kommen wieder andere Zeiten." Doch er kümmert sich nicht nur um den Nachwuchs, der sich an der Spitze tummelt. In seiner 16-köpfigen Gruppe gibt es auch Jungs und Mädchen, die nicht ganz vorne mitmischen. "Wichtig ist, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten verbessern", sagt Sefan Poser. "Wenn das gelingt, bin ich zufrieden."
Drei seiner Youngster gehören im Moment einem DLV-Kader an: Neben Sophie Krauel, die mit ihren 18 Jahren in den Weitsprung-Olympiakader aufgenommen wurde, sind dies Nadine Stade (C-Kader Sprint) und der Dritte der U18-WM im Hürdensprint, Alexander John, der 2003 mit 13,50 Sekunden die deutsche B-Jugend-Bestleistung einstellte.
Der Hang zur Leichtathletik liegt in der Familie
Poser, der Familienvater von drei Söhnen, lässt sich nicht verbiegen, geht seinen Weg und versucht, das umzusetzen, was für seine Athleten wichtig ist, verheizt sie nicht! "Ich musste mir einige Vorwürfe gefallen lassen, weil ich Sophie nicht bei den Aktiven springen lasse. Aber 2003 war die Junioren-EM unser wichtigstes Ziel und nicht die Deutschen Meisterschaften in Leipzig oder Ulm. Bei den Großen kann sie früh genug starten, da muss sie jetzt noch nichts beweisen", sagt Stefan Poser, dessen drei Jungs sich ebenfalls der Leichtathletik verschrieben haben.
Im Hause Poser kommt man einfach nicht am Sprinten, Springen oder Werfen vorbei. Stefan Posers Frau Christina war Weitspringerin und Hürdensprinterin – holte sich den Vizetitel bei den damaligen DDR-Studentenmeisterschaften. Sein Ältester, der 20-jährige Julian, schlägt seinem Vater nach, trainiert bei ihm. "Es gibt schon mal Probleme im Training, aber wir tragen es nicht an den Esstisch, da gibt es keine Diskussionen." Noch hat Julian die Bestleistung von Poser Senior nicht geknackt, mit 7,45 Metern fehlt aber nicht mehr viel.
Vorliebe fürs Reisen
Florian, der Mittlere, ist Mehrkämpfer, war Deutscher Meister im Achtkampf und ist der Freund von Sophie Krauel – da bleibt sozusagen alles in der Familie. Dann gibt es noch den 13-jährigen Benjamin. "Der schlägt ein wenig aus der Reihe, der macht Wurf", sagt Stefan Poser augenzwinkernd. Dabei ist er im Moment in der Testphase – probiert sich in Kugel, Diskus und Speer.
Bei soviel Einsatz bleibt für ihn selbst kaum Zeit für Hobbies. "Doch das Autofahren macht großen Spaß und ich reise gerne", so Stefan Poser, der auch als Blocktrainer Sprint im Landesverband fungiert. Die Vorliebe fürs Reisen kommt ihm sehr entgegen. Ohne Reisen käme er nicht weit. "Meistens lade ich unseren Kleinbus voll und wir fahren zu den Wettkämpfen und Sportfesten."
Erst im Trainingslager kommt die Zeit zum Lesen
Wenn er wirklich mal Zeit hat, liest er gerne ein gutes Buch. "Meistens im Trainingslager in den Pausen." Das nächste Camp steht an Ostern an, in Lloret de Mar, wo auch die DLV-Jungs dabei sein werden. 2004 wird die Poser-Truppe zum zehnten Mal aufkreuzen. Darauf freut er sich – nicht nur, weil er endlich dazu kommt, ein Buch aufzuschlagen. Auch deshalb, weil es dort nicht ganz so auffällt, dass der Tag nur 24 Stunden hat...