Stefan Schwab - Meister der Beschleunigung
Das Olympiajahr 2008 begann für Stefan Schwab (TSV Schwarzenbek) mit schlaflosen Nächten. Eine Entscheidung stand an, die den gesamten Saisonverlauf beeinflussen sollte: Abschlussprüfung zum Verwaltungswirt oder Staffellehrgang mit dem Bundes-Sprintkader? Der 21-Jährige beendete seine Ausbildung und musste trotz Platz zwei über 100 Meter bei den Deutschen Meisterschaften zusehen, wie die 4x100-Meter-Staffel ohne ihn nach Peking (China) fuhr. Seinen Entschluss hat er trotzdem nicht bereut.
Stefan Schwab kann auf das erfolgreichste Jahr seiner noch jungen Karriere zurückblicken. Schon in der Halle bewies er seine gute Form und verbesserte den schleswig-holsteinischen Landesrekord über 60 Meter auf 6,69 Sekunden. Im Freien blieb er über die 100 Meter gleich im zweiten Saisonrennen erstmals unter 10,40 Sekunden. Mitte Juni holte er sich in Rostock in 10,31 Sekunden seinen sechsten Norddeutschen Meistertitel und ließ anschließend auch beim U23-Länderkampf gegen Polen mit derselben Zeit alle Konkurrenten hinter sich.Der Saison-Höhepunkt folgte wenig später. Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg bewies Stefan Schwab endgültig, dass er in der deutschen Spitze angekommen ist: Im 100-Meter-Finale musste er allein Olympia-Einzelstarter Tobias Unger (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg) den Vortritt lassen und wurde mit neuem schleswig-holsteinischen Landesrekord von 10,29 Sekunden Deutscher Vizemeister. Insgesamt waren 2008 nur drei deutsche Sprinter schneller.
Auf Nicht-Nominierung vorbereitet
Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurden Diskussionen um eine Nominierung des Norddeutschen für die 4x100-Meter-Staffel des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) für die Olympischen Spiele laut. Der 21-Jährige wusste jedoch selbst am besten um seine Chancen, nach Peking mitgenommen zu werden.
„Es wurde von den Bundestrainern klar kommuniziert, dass dafür eine Teilnahme am Staffel-Trainingslager notwendig ist. Hoffnungen macht man sich natürlich immer, dass sie vielleicht sagen: ‚Okay, wir nehmen Dich als Ersatzläufer mit, mal gucken, wie es läuft.’ Aber diese Wahrscheinlichkeit war gering, von daher konnte ich mich auf die Entscheidung schon ein bisschen vorbereiten.“
Ein wenig Wehmut schwingt trotzdem mit beim Gedanken an die verpasste Pekingreise: „Das ist der Traum eines jeden Athleten. Wenn ich dann sagen würde: ‚Pf, egal’, wäre ich fehl am Platz, glaube ich. Aber die berufliche Zukunft geht vor. Es ist ja auch einfach so, dass man in Deutschland mit der Leichtathletik auf lange Sicht nicht den Lebensunterhalt bestreiten kann.“
Verwaltungswirt mit 41-Stunden-Woche
So kann sich Stefan Schwab zwar nicht Olympia-Teilnehmer nennen, trägt aber mittlerweile den Titel Verwaltungswirt und arbeitet in der Zulassungsstelle des Landkreises Herzogtum Lauenburg nördlich der Elbe. Seine Ausbildung hatte er bereits 2004 begonnen, als der ganz große sportliche Erfolg noch nicht abzusehen war. Sie zu Gunsten des Leistungssports abzubrechen, kam für ihn nicht in Frage: „Meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß, ich habe viel mit Kunden zu tun und kann mir etwas Schöneres gar nicht vorstellen.“
Dem Deutschen Juniorenmeister des vergangenen Jahres ist bewusst, dass seine 41-Stunden-Woche für ihn im Vergleich mit der sportlichen Konkurrenz nicht unbedingt von Vorteil ist. Er kann nur einmal pro Tag trainieren, in der Vorbereitung nur sechs bis sieben Einheiten in der Woche absolvieren - anders kennt er es gar nicht. Seine Leistungsentwicklung verdeutlicht, dass es funktioniert. Und so wird sich auch in Zukunft in der Trainingsplanung nicht viel ändern.
24-Stunden-Betreuung
Sowohl sportliche als auch berufliche Entscheidungen fällt Stefan Schwab in Übereinstimmung mit Vater Hans-Jürgen, der auch sein Trainer ist. „Ich habe praktisch eine 24-Stunden-Betreuung“, lacht der sympathische Sprinter, denn er lebt noch im Hause der Eltern in Schulendorf, rund fünf Kilometer von Schwarzenbek entfernt.
Hans-Jürgen Schwab ist selbst schon seit den Sechziger Jahren Mitglied beim TSV Schwarzenbek, versuchte sich in zahlreichen Disziplinen und war mit einer Bestleistung von 11,2 Sekunden über 100 Meter ebenfalls ein passabler Sprinter. So landete der Sprössling im Alter von rund zehn Jahren fast zwangsläufig auch bei der Leichtathletik: „Am Anfang konnte ich so gut wie gar nichts. Ich habe mal Kugelstoßen gemacht, mal Weitsprung, mal Langlauf, und irgendwie hat nichts geklappt“, blickt Stefan Schwab in norddeutschem Understatement auf die Anfänge zurück.
Beim Sprinttraining ist dann aber doch irgendwann der Knoten geplatzt. Gefeilt werden muss jetzt vor allem noch am Stehvermögen auf den letzten 30 Metern. Was die Beschleunigung im ersten Rennabschnitt betrifft, ist der Schulendorfer national schon ganz vorne mit dabei: „Auf den ersten 30 Metern bin ich noch schneller als der Tobi“, berichtet er mit einem Verweis auf den Deutschen Meister Tobias Unger nicht ohne Stolz - das hätte die Auswertung des Finales in Nürnberg ergeben.
Start in die Hallensaison zufriedenstellend
Seine Stärke in der Beschleunigungsphase ist für den 21-Jährigen von Vorteil für die kurze 60-Meter-Strecke in der Halle. Der erste Wettkampf 2009 liegt bereits hinter ihm, beim Sportfest in Hamburg blieben die Uhren bei 6,75 Sekunden stehen. „Ich hatte vorher einen Kaderlehrgang, innerhalb von 30 Stunden vier Trainingseinheiten und war dementsprechend ein bisschen müde. Deswegen kann man darüber nicht meckern.“
Es soll aber noch schneller gehen in der Hallensaison, denn Stefan Schwab erhofft sich eine Teilnahme bei den Hallen-Europameisterschaften in Turin (Italien). Die DLV-Norm liegt bei 6,66 Sekunden, drei Hundertstelsekunden unter seiner Bestzeit. Diese will er am besten schon bei den schleswig-holsteinischen Landesmeisterschaften Ende Januar unterbieten.
Mit der Staffel zur Heim-WM
Das ganz große Ziel sind jedoch die Weltmeisterschaften in Berlin. Die Erfüllung der 100-Meter-Einzelnorm von 10,21 Sekunden, die zweimal zu laufen sind, traut sich der schnelle Beamte zwar noch nicht zu: „Dazu müsste ich wirklich zwei optimale Läufe auf die Bahn bekommen und ich glaube nicht, dass ich das in diesem Jahr schaffen kann. Eigentlich habe ich mir eine Zeit von 10,25 Sekunden vorgenommen.“
Aber mit der 4x100-Meter-Staffel will Stefan Schwab bei der Heim-WM dabei sein, zumindest als Ersatzläufer. Nach bestandener Abschlussprüfung wird ihm 2009 zumindest eines nicht mehr im Wege stehen: „Dieses Jahr mache ich das Trainingslager mit“, verspricht er.