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Stefanie Dauber und eine Saison wie im Märchen

Stefanie Dauber hat eine märchenhafte Saison erlebt. Nach verletzungsgeprägten Jahren nahm sie mit 31 Jahren erstmals an einer internationalen Meisterschaft teil. Das soll noch lange nicht das Ende ihres (späten) Höhenfluges sein.
Thorsten Eisenhofer

Die Saison, ja vielleicht sogar die Karriere von Stefanie Dauber (SSV Ulm 1846), das wird die Zukunft zeigen, lässt sich in ein Vorher und ein Nachher einteilen. In eine Zeit vor dem 7. Juli 2018. Und in eine Zeit danach. Am 7. Juli 2018 fand am Tegernsee ein Stabhochsprung-Meeting statt. Stefanie Dauber nahm dort die Höhe von 4,45 Metern in Angriff, die Norm für die EM in Berlin. Sie schaffte diese Höhe an jenem 7. Juli zwar nicht. Aber sie scheiterte nur knapp. „Danach wusste ich, dass die Norm möglich ist.“

Der 7. Juli 2018 war also jener Tag, an dem die Ulmerin zu einer ernsthaften Anwärterin auf einen Startplatz für internationale Meisterschaften wurde. Zuvor hatte sich die 31-Jährige überhaupt keine Gedanken über eine mögliche Teilnahme an den Heim-Europameisterschaften gemacht. „Ich habe kein bisschen daran gedacht“, sagt sie.

Eine Leichtathletik-Saison bringt immer Überraschungen und Enttäuschungen hervor. Unter den Überraschungen dieses Jahres war Stefanie Daubers Aufschwung sicherlich eine der schönsten Geschichten – fast schon ein kleines Stabhochsprung-Märchen. Seinen Höhepunkt fand es 15 Tage nach jenem Meeting am Tegernsee in Nürnberg. Stefanie Dauber sprang bei den Deutschen Meisterschaften erstmals 4,45 Meter, belegte Rang zwei – und sicherte sich somit ein Ticket für die EM.

Vom Talent zur Dauerverletzten

Von einer Teilnahme an internationalen Meisterschaften hatte sie als Jugendliche geträumt – im Alter von 18 Jahren belegte sie Rang drei bei Deutschen Jugendmeisterschaften. In den vergangenen Jahren aber war ihre Teilnahme an internationalen Titelkämpfen ungefähr so realistisch gewesen wie ein Marathon-Olympiasieg eines deutschen Läufers.

Denn das erste Jahrzehnt als Stabhochspringerin im Aktivenbereich hatte sie vor allem damit verbracht, keine wirkliche Stabhochspringerin zu sein. Sie war andauernd verletzt. Und wenn sie mal nicht verletzt war, kämpfte sie mit anderen Widrigkeiten: Anlaufproblemen, zu viel Training, zu wenig Regeneration.

Stefanie Dauber hatte in den vergangenen Jahren unter anderem zwei Kreuzbandrisse, einen Knorpelschaden, Achillessehnen-Probleme und einen Muskelbündelriss. Es ist fast ein Wunder, dass eine Sportlerin, die über Jahre nicht den Durchbruch geschafft hat, nicht irgendwann einfach aufhört. Stattdessen immer weiter macht, auch wenn sie im besten Fall mal vier Meter hoch sprang.

Glücksgriff: Trainer Wolfgang Beck

Die Stabhochspringerin gibt zu, dass die Zeit mit den vielen Verletzungen nicht einfach war. Im Gegenteil: „Es war super, super schwer.“ Ihre fast schon überschwängliche Leidenschaft für ihre Disziplin und ihr positives Lebensgefühl haben ihr sicherlich über den einen oder anderen schweren Tag hinweggeholfen. Und bei allem Pech was sie hatte, hatte sie auch manchmal Glück. Zumindest immer dann, wenn die Lage aussichtlos schien.

Wie zum Beispiel vor knapp zwei Jahren, als sie in Ulm ohne Trainer dastand. Der ehemalige Ulmer Cheftrainer Wolfgang Beck („Ein Glücksgriff“), der einst den heutigen Zehnkampf-Europameister Arthur Abele betreute und eigentlich längst im Trainer-Ruhestand war, übernahm das Coaching. Und machte damit das kleine Stabhochsprung-Märchen zu Beginn von Daubers viertem Lebensjahrzehnt möglich.

Stefanie Dauber trainiert im Vergleich zu anderen Springerinnen wenig, macht dafür mehrere Technikeinheiten pro Woche. Um das Techniktraining werden dann andere Einheiten herumgebaut – es scheint das Erfolgsrezept für ihren Körper zu sein. „Früher habe ich zum Beispiel gefühlt schon zwei Kilo zugenommen, wenn ich im Kraftraum die Hantelscheiben nur angeschaut habe“, sagt sie und lacht.

"Es kommt alles, wie es sein soll"

Die gebürtige Hessin, die in Wiesbaden das Stabhochspringen gelernt hat, hadert nicht, dass sie über ein Jahrzehnt für den Übergang von einer talentierten Nachwuchsspringerin zu einer deutschen Spitzenathletin benötigt hat. Sie will lieber die Zeit des Höhenflugs genießen. „Ich denke nicht, dass ich etwas verpasst habe. Es kommt alles, wie es sein soll“, sagt Stefanie Dauber. Und noch hat die 31-Jährige, die seit dem Abschluss ihres Studiums halbtags in der Verwaltung beim SSV Ulm 1846 arbeitet, ja die Chance, die eine oder andere Stabhochsprung-Sternstunde in ihre Vita einzufügen.

Sie ist keine, die nach der „besten Saison meines Lebens“ mit DM-Silber, dem EM-Start („Über das Quali-Aus war ich schon ein bisschen enttäuscht“) und der Teilnahme bei „Berlin fliegt!“ jetzt große Ansprüche und Ziele formuliert. Fast schön demütig spricht die Ulmerin davon „zu versuchen, sich auch 2019 für einen internationalen Start zu empfehlen“. Und anstatt neue Höhenziele auszugeben, will sie sich lieber erstmal im Bereich von 4,40 Metern stabilisieren.

Aber in der Rolle als Erwartungs-Dämpferin lief es ja auch 2018 erfolgreich. Während nach dem Wettkampf am Tegernsee viele Leute davon sprachen, dass jetzt die 4,45 Meter folgen werden, ist Dauber unbekümmert und ruhig geblieben. Und dann einfach die EM-Norm gesprungen.

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