Mit deutschem Know-how auf Rekordkurs
Dieter Hogen macht's möglich. Mit deutschem Know-how attackieren die Kenianer die Marathon-Weltbestzeit (2:04:55 h) von Paul Tergat, ihrem Landsmann, der in Berlin 2003 so flott unterwegs war wie noch keiner vor ihm. In Chicago, der einstigen Heimat von Gangster-König Al Capone, planen die dunkelhäutigen Burschen den großen Coup. Vier Athleten schickt der Trainer, gleichzeitig Lebenspartner der früheren Top-Läuferin Uta Pippig, am kommenden Sonntag ins Rennen. Allen voran Evans Rutto, der 2003 in der US-Metropole am Michigansee eine glanzvolle Marathon-Premiere feierte und mit 2:05:50 Stunden die schnellste Zeit eines Debütanten auf die Straße zauberte.
In Chicago wird Paul Tergats Marathon-Weltrekord gejagt (Foto: Jarusch)
Neben Paul Tergat, der in Athen als Zehnter unter Wert geschlagen wurde, und Felix Limo (beide Kenia), der in dieser Saison die Klassiker in Rotterdam und Berlin gewonnen hat, wird Evans Rutto als einer der besten Marathonläufer gehandelt. Regen, Wind und selbst ein Sturz konnten ihn in diesem Frühjahr in London in seinem Tatendrang nicht bremsen. 105.000 Dollar kassierte er für seinen Sieg in 2:06:18 Stunden. Sammy Korir (2:06:48 h), noch ein Kenianer, wurde damals Zweiter mit einer halben Minute Rückstand vor Jaouad Gharib (2:07:02 h), dem amtierenden Marathon-Weltmeister aus Marokko. Der Italiener Stefano Baldini, der bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille holte, belegte an der Themse "nur" den vierten Rang in 2:08:37 Minuten, war also über zwei Minuten langsamer als Rutto.Zum Training in die Höhen von Colorado
In der leistungsfördernden Höhe von Boulder im US-Bundesstaat Colorado, wo ungeübte Touristen rasch nach Luft schnappen, trainiert der 26-jährige Rutto nach Dieter Hogens Plänen. "Boulder hat ein trockenes Hochgebirgsklima mit fast 300 Sonnentagen im Jahr", nannte Hogen die Vorzüge seines Domizils, das er Anfang der Neunziger erstmals aufgesucht hat.
Pendeln zwischen Boulder und Marakwet
Evans Rutto pendelt hin und her. Mal ist er in Colorado, mal daheim im kenianischen Marakwet, wo er mit seiner Frau Stella lebt. Drei Kinder haben sie: Winnie ist fünf, Dennis zwei, und das Nesthäkchen, das am 12. Juli zur Welt gekommen ist, trägt den Vornamen Dieter. Aus Verbundenheit zu seinem deutschen Coach, der früher selber ein guter Läufer war und von Bernd Dießner, 1966 EM-Dritter über 5000 Meter hinter dem Franzosen Michel Jazy und Harald Norpoth, trainiert wurde. Mit 22 Jahren musste Hogen, ein diplomierter Lehrer, seine Karriere aus Verletzungsgründen abrupt beenden und konzentrierte sich anschließend auf den Trainer-Job.
"Kenianer sind heiß"
Neben Uta Pippig, dreimalige Marathon-Siegerin in Berlin und Boston, die noch immer die deutsche Bestleistung (2:21:45 h in Boston 1994) hält, zählten immer wieder ostafrikanische Athleten zu seinen Schützlingen. "Kenianer zu trainieren, das bedeutet, eine ganz neue Qualität zur Verfügung zu haben", weiß er, "denn diese Läufer kommen mit sehr guten Grundvoraussetzungen und sind heiß." Sammy Lelei dominierte 1995 den Berlin-Marathon, Lameck Aguta gewann 1997 in Boston, Ondoro Osoro 1998 in Chicago, und Timothy Cherigat wurde im Frühjahr Erster in Boston.
Trumpf-As Evans Rutto
In Chicago, wo Khalid Khannouchi (USA, Bestzeit: 2:05:42 h), der viermalige Sieger dieser Top-Veranstaltung, nach mehreren Verletzungen sein Comeback feiert, ist Dieter Hogen mit einem "Kenia-Quartett" vertreten. Evans Rutto ist sein Trumpf-As und Paul Koech, Ex-Weltmeister im Halbmarathon und im Vorjahr bereits Zweiter (2:07:07 h) an gleicher Stätte, sein Kreuz-Bube. Stephen Kiogora, 2002 Zweiter (2:12:29 h) in Köln, und Marathon-Debütant James Koskei, ausgestattet mit einer 10-km-Zeit von 27:36 Minuten, spielen die Rolle des Jokers.
Das Preisgeld, das den Kenianern Beine macht, ist wieder mal recht üppig: 125.000 Dollar winken dem Ersten, 65.000 Dollar dem Zweiten und 40.000 Dollar dem Dritten. Insgesamt werden 650.000 Dollar am Sonntag ausgeschüttet.