Steffi Nerius - „Bin im Schock-Zustand“
Speerwerferin Steffi Nerius (TSV Bayer 04 Leverkusen) sorgte am Dienstagabend für den wahrscheinlich emotionalsten Höhepunkt der Weltmeisterschaften in Berlin. Zum Abschluss ihrer überaus erfolgreichen Karriere gewann sie den Speerwurf-Wettbewerb der Frauen und sorgte für die erste Goldmedaille des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Lesen Sie im Interview, was sie über den Wettkampf erzählt und ob es einen Rücktritt vom Leistungssport-Abschied geben wird.
Steffi Nerius, herzlichen Glückwunsch zum Weltmeister-Titel. Gleich der erste Versuch war der Gold-Wurf... Steffi Nerius: Ja, das war mein Plan gewesen, gleich im ersten Versuch richtig weit zu werfen. Denn ich wusste, dass die anderen Athletinnen, die richtig weit werfen können, erst nach mir dran waren. Damit habe ich sie wohl ein bisschen geschockt. Aber sich vorher so etwas zu überlegen ist natürlich immer nur Theorie, die dann noch umgesetzt werden muss.Aber es hat geklappt.Steffi Nerius: Ja, das war unglaublich, gigantisch. Es war ein guter Wurf. Er hat sich gut angefühlt. Aber ich hätte niemals gedacht, dass er genug ist, um zu gewinnen. Ich war mir sicher, dass Mariya oder Barbora weiter werfen würden. Aber ich habe mir gedacht, dass es für eine Medaille reichen würde und das war mein Ziel gewesen.Wann hat es Ihnen dann langsam gedämmert, dass daraus auch mehr werden könnte?
Steffi Nerius: Im fünften Versuch habe ich gedacht: oh oh, es hat noch immer keine weiter geworfen. Da bin ich dann schon ein bisschen nervös geworden.Was ging Ihnen bei der Ehrenrunde durch den Kopf?Steffi Nerius: Das war heute einfach der schönste und größte Moment in meinem Leben, im eigenen Land eine Goldmedaille zum Abschluss der Karriere zu gewinnen. Ich bin momentan noch im Schock-Zustand. Als bei Barboras letztem Versuch der Speer die Hand verlassen hat, konnte man ziemlich schnell sehen, dass der nicht auf 67 Meter geht. Da kam alles aus mir raus, was in mir drin ist an Tränen. So war auch auf der Ehrenrunde ein bisschen das Gefühl.War das, was heute passiert ist, etwas, woran man nur in seinen kühnsten Träumen denkt?Steffi Nerius:
An so etwas glaubt man nicht. Ich wusste schon, dass ich um 67 oder 68 Meter werfen und eine Medaille gewinnen kann. Aber nach dem ersten Versuch habe ich im Leben nicht damit gerechnet, dass das zu Gold reicht.Sie sind jetzt die erste Deutsche, die bei einer WM das Speerwerfen gewonnen hat. War Ihnen das vorher bewusst?Steffi Nerius:
Nein überhaupt nicht. Grundsätzlich bin ich auch kein Statistik-Fan. Das habe ich auch erst nach dem Wettkampf erfahren. Das macht mich natürlich unheimlich stolz, aber das wusste ich nicht.Viele hatten erwartet, dass man in Berlin 70 Meter werfen muss, um zu gewinnen. Können Sie sich erklären, wieso jetzt 67 Meter gereicht haben?
Steffi Nerius: (lacht) Ich kann keine 70 Meter werfen. Ich bin zwar die Weltmeisterin, aber nicht die beste Speerwerferin.Barbora Spotakova hat gesagt, dass der Belag des Anlaufs eventuell größere Weiten verhindert hat, weil es nicht ein harter, schneller Mondo-Belag ist. Was sagen Sie dazu?Steffi Nerius: Ich bin grundsätzlich eine langsame Anläuferin. Mein Stemmbein ist nicht so wirklich toll, das bricht immer so ein bisschen ein. In früheren Jahren habe ich es einmal versucht, schneller anzulaufen, aber das hat mir gar nichts gebracht. Deswegen mache ich mir auch nie Gedanken um die Anlaufbahn, ob das ein schneller Mondo-Belag ist oder nicht, denn ich bin sowieso nicht schnell. Deswegen war das für mich kein Problem.
Es gab sehr viele Pausen während des Wettkampfs. Beeinträchtigt das?Steffi Nerius:
Das war ein bisschen anstrengend. Ich habe auch gemerkt, dass meine Beine immer schlapper wurden. Ich habe dann aber auch gehofft, dass es den anderen genauso geht und wusste, dass ich im ersten Versuch etwas vorgelegt hatte. Barbora ist dann zwar noch rangekommen, aber irgendwie hat man schon gesehen, dass die anderen etwas geschockt waren und schlapp auf den Beinen wurden. Denn es waren wirklich viele Unterbrechungen. Vom Niveau war es eigentlich ein super Wettkampf, aber er wurde ein bisschen kaputt gemacht durch die vielen Unterbrechungen. Aber im Endeffekt war es natürlich mein Vorteil.Sie hatten bereits zu Beginn der Saison angekündigt, nach diesem Jahr Ihre Karriere beenden zu wollen. Bleibt es dabei, auch nachdem Sie jetzt gewonnen haben?Steffi Nerius:
Ja, definitiv. Es war die beste, geilste und schönste Saison in meinem Leben. Ich bin Deutsche Meisterin geworden, habe beim Meeting daheim in Leverkusen einen super schönen Wettkampf gemacht, habe mich da von meinen Fans verabschiedet und bin jetzt im eigenen Land Weltmeisterin geworden. Man sollte dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Das ist der perfekte Zeitpunkt.
Werden Sie in diesem Jahr noch Wettkämpfe bestreiten?Steffi Nerius: Ich werde noch dreimal werfen. Der letzte Wettkampf wird dann am 13. September das Weltfinale in Thessaloniki sein. Dann will ich nicht mehr, dann reicht es. Danach habe ich zwei Wochen ein bisschen für mich, bevor ich dann als Trainerin in der Behindertensportabteilung in Leverkusen einen 40-Stunden-Job beginne. Ich freue mich auf die neue Herausforderung. Ich hoffe, ich kann dort ein bisschen das zurückgeben, was mir mein Trainer über all die Jahre gegeben hat.
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